Koenigsbrunner Zeitung

Stadt will FCA Fan für 14 Stunden aussperren

Ein 25-jähriger Ultra sollte während der Heimspiele weite Teile Augsburgs nicht betreten dürfen. Zwei Gerichte wiesen die Entscheidu­ng zurück. Die kuriose Geschichte eines Fußballanh­ängers

- VON KLAUS UTZNI UND MICHAEL HÖRMANN

Ultras sehen sich als Fans, die mit vollem Einsatz für ihren Verein leben. Viele tun dies friedlich, machen Choreograf­ien im Stadion und feuern die Mannschaft frenetisch an. Es gibt aber auch Problemfan­s, die Streit suchen. Ihre „Gegner“sind ähnlich strukturie­rte Ultras bei anderen Vereinen – und oftmals Polizeibea­mte.

Wenn der FCA am Samstag um 15.30 Uhr das erste Heimspiel gegen Borussia Mönchengla­dbach austrägt, mag man sich die Frage stellen, wie gefährlich ein Stadionbes­uch ist und wie die FCA-Ultras einzuordne­n sind. Einer, der Bescheid weiß, ist Bernd Waitzmann, Einsatzlei­ter der Polizei bei Heimspiele­n. Er sagt: „Spiele in der WWKArena sind Veranstalt­ungen, die man unbesorgt besuchen kann.“Alles laufe jedoch nicht problemlos: „Die Fanszene ändert sich und passt sich an. Neben Jahren mit deutlich mehr Problemen und Straftaten – es war vor allem die Saison mit der Europa League-Teilnahme des FCA – war tendenziel­l die zurücklieg­ende Saison eine erfreulich­e Zeit.“Einen Ausreißer habe es gegeben: Das Regionalli­gaspiel der zweiten FCAMannsch­aft gegen 1860. Hier gab es schwere Ausschreit­ungen, die sich auch auf die Innenstadt auswirkten.

Genau deshalb wird Mike A., 25, (Name geändert) am Samstag nicht im M-Block in der „FCA-Nordwand“der WWK-Arena stehen. Mike ist bekennende­r Ultra aus der Gruppe „Legio Augusta“und unterliegt derzeit einem bundesweit­en Stadionver­bot und einer Bewährungs­auflage aus einem Strafurtei­l. Die Stadt Augsburg, die den 25-Jährigen

Polizei: Fußballspi­ele kann man unbesorgt besuchen

als „Problemfan“und „Gewalttäte­r Sport“einstuft, wollte ihn anders an die Kandare nehmen: Sie verfügte – wohl erstmals überhaupt – ein „Betretungs- und Aufenthalt­sverbot“. Mike A. sollte bei Spielen in der WWK-Arena und im Rosenausta­dion am Spieltag 14 Stunden lang weite Teile des Stadtgebie­tes nicht betreten. Die Justiz sah in der Anordnung ein juristisch­es Foul. Das Augsburger Verwaltung­sgericht und der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of hoben das Verbot auf. Mike A. siegte nach Punkten.

Die Ordnungsbe­hörde der Stadt hatte das Verbot nach dem Landesstra­fund Verordnung­sgesetz mit den Erkenntnis­sen der Polizei begründet, nach denen der Ultra in Zusammenha­ng mit 15 Vorfällen seit 2010 in Augsburg, München, Berlin, Fürth, Bayreuth und Re- gensburg sowie in Wien bei mehr oder weniger gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen unter Fans aufgefalle­n war. Im März 2014 sei er vom Polizeiprä­sidium Frankfurt in der Datei „Gewalttäte­r Sport“ausgeschri­eben worden. Überdies listete die Polizei zwölf FCA-Spiele auf, bei denen es im Umfeld zu Auseinande­rsetzungen zwischen FCAUltras und Fans der gegnerisch­en Mannschaft gekommen war, ohne dass Mike A. persönlich eine Beteiligun­g nachgewies­en werden konnte. Weil der 25-Jährige aber stets die Nähe zu dieser Szene suche, sei von ihm auch künftig ein „Gefährdung­spotenzial“auszugehen, prognostiz­ierte die Stadt.

Sie setzte das Aufenthalt­sverbot im August 2017 auf sechs Stunden vor den Spielen der Bundes- und der Regionalli­gamannscha­ft und sechs Stunden danach fest – insgesamt 14 Stunden am Spieltag. Beigelegt wa- ren der Anordnung – Verwaltung­skosten 104,11 Euro – zwei Stadtpläne, auf denen große Gebiete farbig markiert waren; ein Plan für das Rosenausta­dion, einer für die WWKArena. Auf 25 Zeilen sind Straßen, Gehwege, Tramtrasse­n und Haltestell­en bezeichnet, die die Gebiete umschließe­n. Über seine Anwältin Martina Sulzberger ging Mike A. zum Konter über: Er klagte beim Verwaltung­sgericht Augsburg gegen den Bescheid.

Anwältin Sulzberger kritisiert­e vor allem die Meinung der Stadt, ihr Mandant müsse sich sämtliche Vorfälle Augsburger Ultras persönlich anrechnen lassen, obwohl er teils nicht dabei gewesen sei. Ihr Mandant sei bislang lediglich einmal vom Amtsgerich­t wegen Beleidigun­g und Sachbeschä­digung zu einer Bewährungs­strafe von drei Monaten verurteilt worden. Inzwischen bezog das Münchner Amtsgerich­t einen weiteren Vorfall in ein Urteil ein. Das räumliche und zeitliche Verbot, so die Anwältin, sei so umfassend, dass ihr Mandant an Spieltagen weder zum Einkaufen noch zur Arbeit seine Augsburger Wohnung in der Innenstadt verlassen könne. „Es ist ihm sogar unmöglich, bei Freitagssp­ielen die Berufsober­schule zu besuchen, wo der Unterricht bis 17.15 Uhr dauert.“Mike A. habe sich seit März 2017 „völlig legitim“verhalten. Deshalb gehe keine konkrete Gefahr von ihm aus. „Das Verbot sprengt jegliche Grenzen des rechtlich Zulässigen“, so die Anwältin.

Sie hatte Erfolg: Der Bescheid der Stadt sei rechtswidr­ig, urteilte die 1. Kammer des Verwaltung­sgerichts im September 2017. Formal sei ein solcher zulässig, im konkreten Fall aber „zeitlich und räumlich zu weitgehend und deshalb unverhältn­ismäßig“, heißt es im Urteil. Die Stadt gab sich nicht geschlagen, stellte Antrag auf Zulassung einer Berufung beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) München und holte sich eine erneute Abfuhr: Der VGH lehnte ab und rügte erneut den Betretungs­plan der Stadt Augsburg, in dem nicht erkennbar sei, welcher Bereich bei welchem Spiel (WWK-Arena oder Rosenausta­dion) betreten werden dürfe. Die Stadt muss 3500 Euro Gerichtsko­sten tragen.

Für Mike A. gilt bis nächstes Jahr ein bundesweit­es Stadionver­bot für sämtliche Ligen. Bei Spielen des FCA, von Bayern München, 1860 München und der Würzburger Kickers darf er sich von vier Stunden vor dem Match bis vier Stunden danach dem Stadion in einem Umfeld von zwei Kilometern nicht nähern. Somit könne sich Mike A., so die VGH-Richter, für die Zukunft bewähren. „Das macht er“, versichert Anwältin Sulzberger. »Kommentar sie angeblich so lieben. Den Problemfan­s geht es in erster Linie um Randale. Wer sich jedoch auf diese Weise abreagiert, darf sich am Ende nicht beschweren, wenn Polizei und Justiz konsequent dagegen vorgehen. Gerichte bestrafen die Täter. Vereine können zudem ein Stadionver­bot verhängen, was so manchen Ultra wohl noch härter trifft als womöglich eine Bewährungs­strafe.

Die Stadt Augsburg hat allerdings mit ihrem Vorstoß, einen FCAUltra 14 Stunden lang an jedem Heimspielt­ag vom Stadion fernzuhalt­en, deutlich übers Ziel hinausgesc­hossen. In der Fußballspr­ache könnte man sagen: Die Stadt hat hier ein klassische­s Eigentor geschossen und dafür vor Gericht die Rote Karte bekommen.

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