Stadt will FCA Fan für 14 Stunden aussperren
Ein 25-jähriger Ultra sollte während der Heimspiele weite Teile Augsburgs nicht betreten dürfen. Zwei Gerichte wiesen die Entscheidung zurück. Die kuriose Geschichte eines Fußballanhängers
Ultras sehen sich als Fans, die mit vollem Einsatz für ihren Verein leben. Viele tun dies friedlich, machen Choreografien im Stadion und feuern die Mannschaft frenetisch an. Es gibt aber auch Problemfans, die Streit suchen. Ihre „Gegner“sind ähnlich strukturierte Ultras bei anderen Vereinen – und oftmals Polizeibeamte.
Wenn der FCA am Samstag um 15.30 Uhr das erste Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach austrägt, mag man sich die Frage stellen, wie gefährlich ein Stadionbesuch ist und wie die FCA-Ultras einzuordnen sind. Einer, der Bescheid weiß, ist Bernd Waitzmann, Einsatzleiter der Polizei bei Heimspielen. Er sagt: „Spiele in der WWKArena sind Veranstaltungen, die man unbesorgt besuchen kann.“Alles laufe jedoch nicht problemlos: „Die Fanszene ändert sich und passt sich an. Neben Jahren mit deutlich mehr Problemen und Straftaten – es war vor allem die Saison mit der Europa League-Teilnahme des FCA – war tendenziell die zurückliegende Saison eine erfreuliche Zeit.“Einen Ausreißer habe es gegeben: Das Regionalligaspiel der zweiten FCAMannschaft gegen 1860. Hier gab es schwere Ausschreitungen, die sich auch auf die Innenstadt auswirkten.
Genau deshalb wird Mike A., 25, (Name geändert) am Samstag nicht im M-Block in der „FCA-Nordwand“der WWK-Arena stehen. Mike ist bekennender Ultra aus der Gruppe „Legio Augusta“und unterliegt derzeit einem bundesweiten Stadionverbot und einer Bewährungsauflage aus einem Strafurteil. Die Stadt Augsburg, die den 25-Jährigen
Polizei: Fußballspiele kann man unbesorgt besuchen
als „Problemfan“und „Gewalttäter Sport“einstuft, wollte ihn anders an die Kandare nehmen: Sie verfügte – wohl erstmals überhaupt – ein „Betretungs- und Aufenthaltsverbot“. Mike A. sollte bei Spielen in der WWK-Arena und im Rosenaustadion am Spieltag 14 Stunden lang weite Teile des Stadtgebietes nicht betreten. Die Justiz sah in der Anordnung ein juristisches Foul. Das Augsburger Verwaltungsgericht und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hoben das Verbot auf. Mike A. siegte nach Punkten.
Die Ordnungsbehörde der Stadt hatte das Verbot nach dem Landesstrafund Verordnungsgesetz mit den Erkenntnissen der Polizei begründet, nach denen der Ultra in Zusammenhang mit 15 Vorfällen seit 2010 in Augsburg, München, Berlin, Fürth, Bayreuth und Re- gensburg sowie in Wien bei mehr oder weniger gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Fans aufgefallen war. Im März 2014 sei er vom Polizeipräsidium Frankfurt in der Datei „Gewalttäter Sport“ausgeschrieben worden. Überdies listete die Polizei zwölf FCA-Spiele auf, bei denen es im Umfeld zu Auseinandersetzungen zwischen FCAUltras und Fans der gegnerischen Mannschaft gekommen war, ohne dass Mike A. persönlich eine Beteiligung nachgewiesen werden konnte. Weil der 25-Jährige aber stets die Nähe zu dieser Szene suche, sei von ihm auch künftig ein „Gefährdungspotenzial“auszugehen, prognostizierte die Stadt.
Sie setzte das Aufenthaltsverbot im August 2017 auf sechs Stunden vor den Spielen der Bundes- und der Regionalligamannschaft und sechs Stunden danach fest – insgesamt 14 Stunden am Spieltag. Beigelegt wa- ren der Anordnung – Verwaltungskosten 104,11 Euro – zwei Stadtpläne, auf denen große Gebiete farbig markiert waren; ein Plan für das Rosenaustadion, einer für die WWKArena. Auf 25 Zeilen sind Straßen, Gehwege, Tramtrassen und Haltestellen bezeichnet, die die Gebiete umschließen. Über seine Anwältin Martina Sulzberger ging Mike A. zum Konter über: Er klagte beim Verwaltungsgericht Augsburg gegen den Bescheid.
Anwältin Sulzberger kritisierte vor allem die Meinung der Stadt, ihr Mandant müsse sich sämtliche Vorfälle Augsburger Ultras persönlich anrechnen lassen, obwohl er teils nicht dabei gewesen sei. Ihr Mandant sei bislang lediglich einmal vom Amtsgericht wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Inzwischen bezog das Münchner Amtsgericht einen weiteren Vorfall in ein Urteil ein. Das räumliche und zeitliche Verbot, so die Anwältin, sei so umfassend, dass ihr Mandant an Spieltagen weder zum Einkaufen noch zur Arbeit seine Augsburger Wohnung in der Innenstadt verlassen könne. „Es ist ihm sogar unmöglich, bei Freitagsspielen die Berufsoberschule zu besuchen, wo der Unterricht bis 17.15 Uhr dauert.“Mike A. habe sich seit März 2017 „völlig legitim“verhalten. Deshalb gehe keine konkrete Gefahr von ihm aus. „Das Verbot sprengt jegliche Grenzen des rechtlich Zulässigen“, so die Anwältin.
Sie hatte Erfolg: Der Bescheid der Stadt sei rechtswidrig, urteilte die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts im September 2017. Formal sei ein solcher zulässig, im konkreten Fall aber „zeitlich und räumlich zu weitgehend und deshalb unverhältnismäßig“, heißt es im Urteil. Die Stadt gab sich nicht geschlagen, stellte Antrag auf Zulassung einer Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) München und holte sich eine erneute Abfuhr: Der VGH lehnte ab und rügte erneut den Betretungsplan der Stadt Augsburg, in dem nicht erkennbar sei, welcher Bereich bei welchem Spiel (WWK-Arena oder Rosenaustadion) betreten werden dürfe. Die Stadt muss 3500 Euro Gerichtskosten tragen.
Für Mike A. gilt bis nächstes Jahr ein bundesweites Stadionverbot für sämtliche Ligen. Bei Spielen des FCA, von Bayern München, 1860 München und der Würzburger Kickers darf er sich von vier Stunden vor dem Match bis vier Stunden danach dem Stadion in einem Umfeld von zwei Kilometern nicht nähern. Somit könne sich Mike A., so die VGH-Richter, für die Zukunft bewähren. „Das macht er“, versichert Anwältin Sulzberger. »Kommentar sie angeblich so lieben. Den Problemfans geht es in erster Linie um Randale. Wer sich jedoch auf diese Weise abreagiert, darf sich am Ende nicht beschweren, wenn Polizei und Justiz konsequent dagegen vorgehen. Gerichte bestrafen die Täter. Vereine können zudem ein Stadionverbot verhängen, was so manchen Ultra wohl noch härter trifft als womöglich eine Bewährungsstrafe.
Die Stadt Augsburg hat allerdings mit ihrem Vorstoß, einen FCAUltra 14 Stunden lang an jedem Heimspieltag vom Stadion fernzuhalten, deutlich übers Ziel hinausgeschossen. In der Fußballsprache könnte man sagen: Die Stadt hat hier ein klassisches Eigentor geschossen und dafür vor Gericht die Rote Karte bekommen.