Die Musik im Bierzelt ist Chefsache
Spielen die Bands auf dem Volksfest nicht alle dieselbe Partymusik? So einfach ist das nicht mit der richtigen Stimmung in den Festzelten. Die Augsburger Festwirte verraten, worauf sie bei der Auswahl der Gruppen achten
Es ist ein Albtraum des „Schaller“Wirts Dieter Held. Der Gedanke, dass eine Band auf den letzten Drücker absagt und er keinen Ersatz findet, um die Besucher im Festzelt zu unterhalten. Ohne Musik bräuchte er sein Bierzelt auf dem Plärrer erst gar nicht öffnen. Ohne Musik gibt es keine Stimmung – und keinen Umsatz. Wahr geworden ist dieser Albtraum in den 14 Jahren, in denen Dieter Held schon Plärrer-Wirt ist, allerdings nie. Die Musiker, sagt er, seien sehr zuverlässig. Sie stellen sich im Zweifel auch mit Fieber auf die Bühne.
Die Trompeterin Ulla Vater ist so eine Musikerin. Sie verdient seit vier Jahrzehnten ihren Lebensunterhalt mit der Musik. Sie ist Gründerin und Chefin der „Isartaler Hexen“, einer Band, in der nur Frauen spielen. Am Dienstagabend hatten die „Hexen“ihren letzten Auftritt im Schallerzelt. Die Gruppe löst sich im November auf. Festwirt Dieter Held hat bereits Bands gefunden, die beim Frühjahrsplärrer die Lücke füllen sollen. Er muss früh planen. Spätestens Ende Oktober hat er alle Termine für das nächste Jahr fix gemacht. Sonst sind die guten Bands schon vergeben.
Was für den Festwirt eine gute Band ausmacht? Sie muss live spielen, sagt Dieter Held. Und es müssen gute Musiker auf der Bühne stehen. Das Publikum in seinem Zelt erwarte das, ist der Festwirt überzeugt. „Hexen“-Chefin Ulla Vater zum Beispiel hat die Kirchenmusikschule in Regensburg besucht. Es gibt Bands, die seit vielen Jahren im Bierzelt gut ankommen. Dauergäste im Schallerzelt sind etwa die „Mercuries“und die „Joe-WilliamsBand“. Es kann aber auch vorkommen, dass Dieter Held eine Band nicht mehr bucht. Etwa dann, wenn ein oder zwei gute Musiker einer Band den Rücken kehren.
Um neue Bands ausfindig zu machen, spricht Dieter Held viel mit Musikern und besucht auch andere Volksfeste. Feste mit einer vergleichbaren Größe und einem ähnlichen Publikum. Doch seine Erfah- ist: Eine Band, die anderorts gleich das ganze Zelt auf die Bierbänke treibt, muss in Augsburg nicht unbedingt ankommen.
Welche Musiker den Zuschlag für das Schallerzelt bekommen, entscheidet er deshalb oft nach Gefühl. Und damit liege er meistens richtig. Den Erfolg misst Die- ter Held an der Stimmung im Zelt, aber auch ganz einfach am Umsatz. Wobei die Band nicht zwingend Schuld ist, wenn es mal nicht gut läuft. Das Wetter spielt eine große Rolle, Ferienzeiten auch. Und zu Monatsbeginn, wenn das Gehalt frisch überwiesen ist, geben die Besucher mehr aus als am Monatsende.
ist die Musik auch im Binswanger-Zelt. Junior-Chef Thomas Kempter bucht hier seit einigen Jahren die Bands. Was ihm wichtig ist: Die Musiker sollen keine zu langen Pausen einlegen. Es gebe Gruppen, die bei einem fünfstündigen Auftritt zwei Stunden Pause machen. Das will er dem Publikum im BinswangerZelt – es ist mit rund 4000 Plätzen das größte auf dem Plärrer – nicht zumuten. Denn: „Die Menschen kommen, um zu feiern, und nicht, um zu warten.“Auch Thomas Kempter reist zu anderen Festen, um zu beobachten, was in den Zelten gut ankommt. Ein Trend der vergangenen Jahre ist der „Volksrung Rock’n’Roll“, den der österrische Sänger Andreas Gabalier etabliert hat. Rockige Lieder mit Elementen aus der Volksmusik. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Bands, die sich an diesem Stil orientieren. Die Gruppe „Volxx-Liga“, die im Binswanger-Zelt auftritt, gehört dazu.
Festwirt Thomas Kempter sagt, er engagiere Bands nur, wenn er sie zuvor selbst gehört und gesehen hat. Auch auf Internetvideos verlässt er sich nicht. Kempter hat nicht den Eindruck, dass sich das Augsburger Bierzelt-Publikum stark von den Festbesuchern andernorts unterscheide, sagt er. Bands, die etwa auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart ankommen, seien in aller Regel auch auf dem Plärrer erfolgreich.
Haben sich die Wirte nicht schon sattgehört an den Partyhits, die sie jeden Abend aufs neue hören müsChefsache sen? Nein, sagt Thomas Kempter. Und falls er eine bestimmte Band nicht mehr hören wolle, dann sei das ein wichtiger Hinweis darauf, wieder etwas Neues zu wagen.
Dieter Held sieht es ähnlich. Die Partymusik gefalle ihm, sagt er. Auch wenn er Helene Fischers „Atemlos“oder den klassischen Rausschmeißer „Angels“schon so oft gehört hat. Sein Herz aber schlägt für echte, harte Rockmusik. Auch deshalb spielt im Schallerzelt immer wieder die Rockband „Helter Skelter“.
Spricht man ihn darauf an, kann der sonst eher ruhige Festwirt richtig ins Schwärmen geraten. Meist beobachtet er das Geschehen im Zelt von weiter hinten aus. Er steht oft in der Nähe des Festzeltbüros. Wenn die Rocker die Bühne erobern, sieht man den Festwirt aber gerne auch mal weiter vorn.