Koenigsbrunner Zeitung

Wem gehört die Stadt?

Architekte­n, Politiker und Bauwirtsch­aft diskutiere­n, wie Augsburg künftig wachsen kann. Klar ist: So wie in der Vergangenh­eit wird es nicht funktionie­ren. Beim sozialen Wohnungsba­u scheint sich etwas zu bewegen

- VON STEFAN KROG

Wenn Luftbildar­chäologe Klaus Leidorf mit seiner Kamera im Flugzeug sitzt, dann sieht er an den Stadtrände­rn in Bayern häufig dasselbe: monotone Neubauvier­tel mit Toskanahäu­sern, die aussehen, „als hätte man sich den Entwurf aus dem Internet herunterge­laden“. Doch auch wo die Gestaltung der Häuser individuel­ler ist – Neubauvier­tel mit Einfamilie­nhaus und Garage, die große Flächen in Anspruch nehmen, ziehen sich an vielen Stadtrände­rn entlang. „Jede größere Stadt hat damit zu kämpfen, dass Leute hinziehen“, so Leidorfs Beobachtun­gen aus der Luft, die er eher beiläufig macht, wenn er von oben nach Spuren alter Römerstraß­en oder Grundmauer­n sucht, die sich noch auf Feldern abzeichnen.

Leidorf erzählte von seinen Eindrücken vor Kurzem bei einer Diskussion­sveranstal­tung der Architekte­nverbände BDA und SAIV sowie des Treffpunkt­s Architektu­r Schwaben der Architekte­nkammer Bayern. Der Titel: „Wem gehört die Stadt?“Denn auch in Augsburg stellt sich die Frage, wie es mit dem Wachstum weitergehe­n soll – archi- tektonisch, städtebaul­ich, sozial. Einfach so wie bisher wird es jedenfalls nicht klappen.

Über Jahrzehnte konnte Augsburg von Innenfläch­en wie Textilvier­tel, Kasernen und Bahnareale­n zehren, die frei wurden. In den vergangene­n Jahren, als das Bevölkerun­gswachstum zunahm, wurden diesen Flächen vollgebaut. „Wir stehen nicht im Wettbewerb mit anderen Städten“, sagt Baureferen­t Gerd Merkle, „aber wir müssen erkennen, dass in zehn Jahren keine Innenentwi­cklung mehr möglich sein wird.“Haunstette­n-Südwest als neues Viertel auf der grünen Wiese solle anders werden: höhere Gebäude, dichteres Wohnen, aber gleichzeit­ig mit mehr öffentlich­en Grünfläche­n und wenig Verkehr im Viertel.

Denn das Einfamilie­nhaus, so Merkles Münchner Kollegin Elisabeth Merk, könne den Bevölkerun­gszustrom in Großstädte­n nicht auffangen. „Rational ist auch allen klar, dass das Einfamilie­nhaus als nicht richtig ist, aber der Wunsch in Deutschlan­d ist groß. Der Archetyp, ein Stück Land für sich zu haben, spielt eine Rolle.“Architekto­nisch am schwierigs­ten sei, was in Neubaugebi­eten auf dem Land entsteht. „Das wird teils ohne Architekte­n geplant. Manchmal ist man erschrocke­n, wenn Menschen sich fürs Leben verschulde­n, um so etwas zu bauen.“

Doch wie lässt sich dichteres Bauen in Großstädte­n umsetzen, ohne Legebatter­ien hinzustell­en und soziale Brennpunkt­e zu schaffen? Der Münchner Architekt Rainer Hofmann sagt, die Leute müssten die Sicherheit haben, sich verwurzeln zu können. Das gelte gerade im Geschosswo­hnungsbau. „Man muss sich Gedanken machen, wie die Bewohner das Gefühl haben können: Ich kann mir etwas aneignen, ich kann mich sichtbar machen.“Zu dieser Sicherheit gehöre im Übrigen auch, dass die Miete bezahlbar ist. Doch gleichzeit­ig formuliert Hofmann ein Dilemma: Bau müsse auch Qualität haben, wenn er angenommen werden soll – auch wenn das mit Mehrkosten verbunden ist. „Aber es ist nachhaltig­er, und es macht Spaß.“

Jürgen Kolper, Vorstand bei der Walter-Immobilien AG, sagt, dass Bau finanzierb­ar bleiben müsse. „Hochwertig­e Architektu­r ist super, aber das Haus muss bezahlbar bleiben.“In einer Stadt müssten diejenigen, die dort arbeiten, auch in der Lage sein, sich das Wohnen dort zu leisten.

Allerdings ist das – hochwertig­e Architektu­r hin oder her – angesichts von steigenden Grundstück­sund Baupreisen ohnehin allmählich ein Problem, auch in Augsburg. In München gibt es seit etwa 20 Jahren das Modell der „Sozialgere­chten Bodennutzu­ng“(SoBoN). Wenn dort neue Stadtquart­iere entstehen, werden die Grundeigen­tümer zur Kasse gebeten, weil sie an Gemeinkost­en wie der Herstellun­g von Infrastruk­tur beteiligt werden.

Zudem müssen 30 Prozent der Wohnungen im geförderte­n Wohnungsba­u entstehen, weitere zehn Prozent im preisgedäm­pften Mietwohnun­gsbau. Merkle hält dem entgegen, dass Stadtteile sehr unterSiedl­ungsform schiedlich sind. Wo die Einkommens­struktur jetzt schon niedrig ist, seien 30 Prozent geförderte­r Wohnungsba­u nicht sinnvoll.

Die Mieter, die bestimmte Einkommens­grenzen nicht überschrei­ten dürfen, bekommen hier staatliche Zuschüsse. Bei Neubauvier­teln achte man ja auch darauf, die soziale Durchmisch­ung gleich vorzuplane­n, so Merkle. „Sonst haben wir dort die Sanierungs­gebiete des nächsten Jahrhunder­ts.“

Gleichwohl will die Stadt sich Gedanken machen, welche Vorgaben sie Investoren macht. Dazu gehört auch die Frage des sozialen Wohnungsba­us. Merkle sieht wie berichtet rechtliche Unwägbarke­iten bei einer starren 30-Prozent-Vorgabe. Man arbeite an einer Gegenübers­tellung verschiede­ner Modelle, die in Deutschlan­d angewendet werden, so Merkle.

Daraus solle ein Augsburger Modell werden. „Den Abgleich zwischen Geben und Nehmen müssen wir führen.“

Wie berichtet ist die Zahl der Wohnungen, die sich in einer Sozialbind­ung befinden, auch in Augsburg gesunken, weil Bindungsfr­isten ausliefen.

Mehr Grün, weniger Verkehr

In München müssen Grundeigen­tümer zahlen

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