Wem gehört die Stadt?
Architekten, Politiker und Bauwirtschaft diskutieren, wie Augsburg künftig wachsen kann. Klar ist: So wie in der Vergangenheit wird es nicht funktionieren. Beim sozialen Wohnungsbau scheint sich etwas zu bewegen
Wenn Luftbildarchäologe Klaus Leidorf mit seiner Kamera im Flugzeug sitzt, dann sieht er an den Stadträndern in Bayern häufig dasselbe: monotone Neubauviertel mit Toskanahäusern, die aussehen, „als hätte man sich den Entwurf aus dem Internet heruntergeladen“. Doch auch wo die Gestaltung der Häuser individueller ist – Neubauviertel mit Einfamilienhaus und Garage, die große Flächen in Anspruch nehmen, ziehen sich an vielen Stadträndern entlang. „Jede größere Stadt hat damit zu kämpfen, dass Leute hinziehen“, so Leidorfs Beobachtungen aus der Luft, die er eher beiläufig macht, wenn er von oben nach Spuren alter Römerstraßen oder Grundmauern sucht, die sich noch auf Feldern abzeichnen.
Leidorf erzählte von seinen Eindrücken vor Kurzem bei einer Diskussionsveranstaltung der Architektenverbände BDA und SAIV sowie des Treffpunkts Architektur Schwaben der Architektenkammer Bayern. Der Titel: „Wem gehört die Stadt?“Denn auch in Augsburg stellt sich die Frage, wie es mit dem Wachstum weitergehen soll – archi- tektonisch, städtebaulich, sozial. Einfach so wie bisher wird es jedenfalls nicht klappen.
Über Jahrzehnte konnte Augsburg von Innenflächen wie Textilviertel, Kasernen und Bahnarealen zehren, die frei wurden. In den vergangenen Jahren, als das Bevölkerungswachstum zunahm, wurden diesen Flächen vollgebaut. „Wir stehen nicht im Wettbewerb mit anderen Städten“, sagt Baureferent Gerd Merkle, „aber wir müssen erkennen, dass in zehn Jahren keine Innenentwicklung mehr möglich sein wird.“Haunstetten-Südwest als neues Viertel auf der grünen Wiese solle anders werden: höhere Gebäude, dichteres Wohnen, aber gleichzeitig mit mehr öffentlichen Grünflächen und wenig Verkehr im Viertel.
Denn das Einfamilienhaus, so Merkles Münchner Kollegin Elisabeth Merk, könne den Bevölkerungszustrom in Großstädten nicht auffangen. „Rational ist auch allen klar, dass das Einfamilienhaus als nicht richtig ist, aber der Wunsch in Deutschland ist groß. Der Archetyp, ein Stück Land für sich zu haben, spielt eine Rolle.“Architektonisch am schwierigsten sei, was in Neubaugebieten auf dem Land entsteht. „Das wird teils ohne Architekten geplant. Manchmal ist man erschrocken, wenn Menschen sich fürs Leben verschulden, um so etwas zu bauen.“
Doch wie lässt sich dichteres Bauen in Großstädten umsetzen, ohne Legebatterien hinzustellen und soziale Brennpunkte zu schaffen? Der Münchner Architekt Rainer Hofmann sagt, die Leute müssten die Sicherheit haben, sich verwurzeln zu können. Das gelte gerade im Geschosswohnungsbau. „Man muss sich Gedanken machen, wie die Bewohner das Gefühl haben können: Ich kann mir etwas aneignen, ich kann mich sichtbar machen.“Zu dieser Sicherheit gehöre im Übrigen auch, dass die Miete bezahlbar ist. Doch gleichzeitig formuliert Hofmann ein Dilemma: Bau müsse auch Qualität haben, wenn er angenommen werden soll – auch wenn das mit Mehrkosten verbunden ist. „Aber es ist nachhaltiger, und es macht Spaß.“
Jürgen Kolper, Vorstand bei der Walter-Immobilien AG, sagt, dass Bau finanzierbar bleiben müsse. „Hochwertige Architektur ist super, aber das Haus muss bezahlbar bleiben.“In einer Stadt müssten diejenigen, die dort arbeiten, auch in der Lage sein, sich das Wohnen dort zu leisten.
Allerdings ist das – hochwertige Architektur hin oder her – angesichts von steigenden Grundstücksund Baupreisen ohnehin allmählich ein Problem, auch in Augsburg. In München gibt es seit etwa 20 Jahren das Modell der „Sozialgerechten Bodennutzung“(SoBoN). Wenn dort neue Stadtquartiere entstehen, werden die Grundeigentümer zur Kasse gebeten, weil sie an Gemeinkosten wie der Herstellung von Infrastruktur beteiligt werden.
Zudem müssen 30 Prozent der Wohnungen im geförderten Wohnungsbau entstehen, weitere zehn Prozent im preisgedämpften Mietwohnungsbau. Merkle hält dem entgegen, dass Stadtteile sehr unterSiedlungsform schiedlich sind. Wo die Einkommensstruktur jetzt schon niedrig ist, seien 30 Prozent geförderter Wohnungsbau nicht sinnvoll.
Die Mieter, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten dürfen, bekommen hier staatliche Zuschüsse. Bei Neubauvierteln achte man ja auch darauf, die soziale Durchmischung gleich vorzuplanen, so Merkle. „Sonst haben wir dort die Sanierungsgebiete des nächsten Jahrhunderts.“
Gleichwohl will die Stadt sich Gedanken machen, welche Vorgaben sie Investoren macht. Dazu gehört auch die Frage des sozialen Wohnungsbaus. Merkle sieht wie berichtet rechtliche Unwägbarkeiten bei einer starren 30-Prozent-Vorgabe. Man arbeite an einer Gegenüberstellung verschiedener Modelle, die in Deutschland angewendet werden, so Merkle.
Daraus solle ein Augsburger Modell werden. „Den Abgleich zwischen Geben und Nehmen müssen wir führen.“
Wie berichtet ist die Zahl der Wohnungen, die sich in einer Sozialbindung befinden, auch in Augsburg gesunken, weil Bindungsfristen ausliefen.
Mehr Grün, weniger Verkehr
In München müssen Grundeigentümer zahlen