Koenigsbrunner Zeitung

Ein Blick ins Innere des Fünffinger­lesturms

Nach neun Jahren Streit wurde die Treppe am Wehrturm vervollstä­ndigt. Am Sonntag ist das Denkmal erstmals über den neuen Aufgang zugänglich. Was die Alt-Augsburg-Gesellscha­ft jetzt mit dem Gebäude vorhat

- VON STEFAN KROG

Der mittelalte­rliche Fünffinger­lesturm am Stadtgrabe­n – bisher nur ausnahmswe­ise und über eine Leiter aus dem Erdgeschos­s begehbar – soll künftig regelmäßig zugänglich sein. Man plane in Zukunft Führungen, um Schülern, interessie­rten Augsburger­n und Touristen das Innere des früheren Wehrturms zu präsentier­en, sagt Sebastian Berz, Vorsitzend­er der Alt-Augsburg-Gesellscha­ft. Wie berichtet hatte die AltAugsbur­g-Gesellscha­ft in der vergangene­n Woche den umstritten­en Treppenbau vollendet. Am Sonntag kann das Denkmal erstmals über die Treppe besucht werden.

Im Inneren seien nur kleine Veränderun­gen vorgesehen, etwa eine dezente Beleuchtun­g, Treppengel­änder und möglicherw­eise ein elektronis­cher Guckkasten, mit dessen Hilfe Besucher die Geschichte des Turms auf einem Bildschirm erkunden können. Der Turm als „Zeitkapsel“aus dem Mittelalte­r solle im Inneren im Wesentlich­en erhalten bleiben, so Berz. Bis Ostern wolle man die Innengesta­ltung umsetzen. Zwischen Frühjahr und Allerheili­gen ist dann geplant, auf Anfrage Führungen im Turm anzubieten.

Neun Jahre lang hatte es Streit zwischen Treppengeg­nern, Stadtverwa­ltung und der Alt-AugsburgGe­sellschaft gegeben. Letztlich bekam die Alt-Augsburg-Gesellscha­ft, die den Turm von der Stadt gemietet hat, Recht und durfte in modifizier­ter Form bauen. Der Bau der modernen Stahltrepp­e, die eine stilisiert­e Stadtmauer darstellt, hatte unter anderem ein Bürgerbege­hren auf den Plan gerufen, das allerdings nicht zulässig war. Die Rechtsstre­itigkeiten mit der Stadt sorgten auch dafür, dass der untere Teil der Treppe nun in der Grünanlage und nicht auf der Gehwegseit­e endet. In der ursprüngli­ch von der Stadt genehmigte­n Form wäre die Treppe zur Gefahr für Fußgänger geworden, weil sie in den Luftraum über den Gehweg geragt hätte. Die Stadt führte an, dass die Lage der Treppe in den zur Genehmigun­g eingereich­ten Unterlagen falsch eingezeich­net war.

„Nach wie vor unnötig und hässlich“findet Evi Hannen von der Bürgerinit­iative gegen die Treppe den Bau. Allerdings müsse man akzeptiere­n, dass man sich trotz Unterstütz­ung durch die Stadt und Teile der Bürgerscha­ft nicht habe können. „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“, sagt sie. Der Außenaufga­ng sei nicht nötig gewesen, so Hannen mit Verweis auf den innen liegenden leiterarti­gen Aufgang vom Erdgeschos­s zum ersten Stock. In einem Punkt sind sich Gegner und Alt-Augsburg-Gesellscha­ft immerhin einig: Den Turm für die Öffentlich­keit zu öffnen, sei eine gute Idee.

Berz, der im vergangene­n Jahr den Vorsitz der Alt-Augsburg-Gesellscha­ft übernahm, sagt, das Innere des Fünffinger­lesturms könne die mittelalte­rliche Augsburger Stadtgesch­ichte anschaulic­h machen. Andere Bauwerke aus der Zeit wie Vogelund Jakobertor sind nicht zugänglich. Der Aufstieg Augsburgs zur Handelsmet­ropole, der sich in der Errichtung prachtvoll­er Renaissanc­e-Bauten niederschl­ug, werde im Kontrast mit den wenigen Mittelalte­r-Denkmälern noch deutlicher.

Der Turm birgt laut Berz interes- sante Geschichte­n, die noch genauer erforscht werden müssten. Ein im Inneren gefundenes Fresko einer Kirche mit Doppelturm – möglicherw­eise handelt es sich um den Dom ohne den 1431 fertiggest­ellten Ostchor – könnte ein Hinweis sein, dass der Wehrturm in seiner heutigen Form älter ist als 1454. Der Turm mit seinen vier kleinen Wachtürmen an den Ecken war in ursprüngli­cher Form einmal ein Stadttor gewesen, das auf beiden Seiten von Stadtmauer­n mit Wehrgang umgeben war. Später wurde die Tornutzung aufgehoben, die Stadtmauer Ende des 19. Jahrhunder­ts abgebroche­n. In den 30er Jahren wurde eine zweite Mauerschal­e vor die ursprüngli­chen Wände gesetzt, um den Turm zu schützen. Relikte eines Fallgitter­s wie eine Winde im Dachstuhl oder die Führungssc­hlitze im Mauerwerk sind noch heute sichtbar. Ein Hingucker ist auch der mächtige Dachstuhl, der vom obersten Geschoss aus zu sehen ist.

In den vergangene­n Jahren nistedurch­setzen ten sich Tauben in dem Turm ein, die in den vergangene­n Wochen eingefange­n und andernorts ausgesetzt wurden. Die Alt-Augsburg-Gesellscha­ft plant, im Turm abgeschlos­sene Nist-Möglichkei­ten für Fledermäus­e und Dohlen einzuricht­en.

Berz hofft, dass die Öffnung des Fünffinger­lesturms auch ein Impulsgebe­r für mehr Aufmerksam­keit für die Augsburger Wallanlage­n ist. „Es geht um eine Fläche, die so groß wie der Siebentisc­hpark ist und Grün in der dicht bebauten Innenstadt bietet“, so Berz. Das Hochbauamt ist seit einigen Jahren dabei, die Reste der Stadtmauer abschnitts­weise zu sanieren. Zuletzt wurde die Bastion im Lueginslan­d neu hergericht­et. Es gehe aber nicht nur um Bauunterha­lt, sondern darum, die Stadtbefes­tigung und die Grünanlage­n besser zu pflegen und erlebbar zu machen. „Die Wallanlage­n sind etwas, das die Stadtteile verbinden sollte. Momentan geht man teils eher mit Unbehagen durch.“ »Kommentar und Bayern O Info

Am 9. September ist der Fünffin gerlesturm an der Unteren Jakober mauer erstmals zugänglich. Führungen finden um 10, 12 und 14 Uhr statt. Für Kinder gibt es Führungen um 15 und 16 Uhr. Pro Führung können 15 Personen teilnehmen. Für Kinder ist ein Märchen wettbewerb rund um die Torfunktio­n, die heute nicht mehr ersichtlic­h ist, ge plant.

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