Ein Blick ins Innere des Fünffingerlesturms
Nach neun Jahren Streit wurde die Treppe am Wehrturm vervollständigt. Am Sonntag ist das Denkmal erstmals über den neuen Aufgang zugänglich. Was die Alt-Augsburg-Gesellschaft jetzt mit dem Gebäude vorhat
Der mittelalterliche Fünffingerlesturm am Stadtgraben – bisher nur ausnahmsweise und über eine Leiter aus dem Erdgeschoss begehbar – soll künftig regelmäßig zugänglich sein. Man plane in Zukunft Führungen, um Schülern, interessierten Augsburgern und Touristen das Innere des früheren Wehrturms zu präsentieren, sagt Sebastian Berz, Vorsitzender der Alt-Augsburg-Gesellschaft. Wie berichtet hatte die AltAugsburg-Gesellschaft in der vergangenen Woche den umstrittenen Treppenbau vollendet. Am Sonntag kann das Denkmal erstmals über die Treppe besucht werden.
Im Inneren seien nur kleine Veränderungen vorgesehen, etwa eine dezente Beleuchtung, Treppengeländer und möglicherweise ein elektronischer Guckkasten, mit dessen Hilfe Besucher die Geschichte des Turms auf einem Bildschirm erkunden können. Der Turm als „Zeitkapsel“aus dem Mittelalter solle im Inneren im Wesentlichen erhalten bleiben, so Berz. Bis Ostern wolle man die Innengestaltung umsetzen. Zwischen Frühjahr und Allerheiligen ist dann geplant, auf Anfrage Führungen im Turm anzubieten.
Neun Jahre lang hatte es Streit zwischen Treppengegnern, Stadtverwaltung und der Alt-AugsburgGesellschaft gegeben. Letztlich bekam die Alt-Augsburg-Gesellschaft, die den Turm von der Stadt gemietet hat, Recht und durfte in modifizierter Form bauen. Der Bau der modernen Stahltreppe, die eine stilisierte Stadtmauer darstellt, hatte unter anderem ein Bürgerbegehren auf den Plan gerufen, das allerdings nicht zulässig war. Die Rechtsstreitigkeiten mit der Stadt sorgten auch dafür, dass der untere Teil der Treppe nun in der Grünanlage und nicht auf der Gehwegseite endet. In der ursprünglich von der Stadt genehmigten Form wäre die Treppe zur Gefahr für Fußgänger geworden, weil sie in den Luftraum über den Gehweg geragt hätte. Die Stadt führte an, dass die Lage der Treppe in den zur Genehmigung eingereichten Unterlagen falsch eingezeichnet war.
„Nach wie vor unnötig und hässlich“findet Evi Hannen von der Bürgerinitiative gegen die Treppe den Bau. Allerdings müsse man akzeptieren, dass man sich trotz Unterstützung durch die Stadt und Teile der Bürgerschaft nicht habe können. „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“, sagt sie. Der Außenaufgang sei nicht nötig gewesen, so Hannen mit Verweis auf den innen liegenden leiterartigen Aufgang vom Erdgeschoss zum ersten Stock. In einem Punkt sind sich Gegner und Alt-Augsburg-Gesellschaft immerhin einig: Den Turm für die Öffentlichkeit zu öffnen, sei eine gute Idee.
Berz, der im vergangenen Jahr den Vorsitz der Alt-Augsburg-Gesellschaft übernahm, sagt, das Innere des Fünffingerlesturms könne die mittelalterliche Augsburger Stadtgeschichte anschaulich machen. Andere Bauwerke aus der Zeit wie Vogelund Jakobertor sind nicht zugänglich. Der Aufstieg Augsburgs zur Handelsmetropole, der sich in der Errichtung prachtvoller Renaissance-Bauten niederschlug, werde im Kontrast mit den wenigen Mittelalter-Denkmälern noch deutlicher.
Der Turm birgt laut Berz interes- sante Geschichten, die noch genauer erforscht werden müssten. Ein im Inneren gefundenes Fresko einer Kirche mit Doppelturm – möglicherweise handelt es sich um den Dom ohne den 1431 fertiggestellten Ostchor – könnte ein Hinweis sein, dass der Wehrturm in seiner heutigen Form älter ist als 1454. Der Turm mit seinen vier kleinen Wachtürmen an den Ecken war in ursprünglicher Form einmal ein Stadttor gewesen, das auf beiden Seiten von Stadtmauern mit Wehrgang umgeben war. Später wurde die Tornutzung aufgehoben, die Stadtmauer Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen. In den 30er Jahren wurde eine zweite Mauerschale vor die ursprünglichen Wände gesetzt, um den Turm zu schützen. Relikte eines Fallgitters wie eine Winde im Dachstuhl oder die Führungsschlitze im Mauerwerk sind noch heute sichtbar. Ein Hingucker ist auch der mächtige Dachstuhl, der vom obersten Geschoss aus zu sehen ist.
In den vergangenen Jahren nistedurchsetzen ten sich Tauben in dem Turm ein, die in den vergangenen Wochen eingefangen und andernorts ausgesetzt wurden. Die Alt-Augsburg-Gesellschaft plant, im Turm abgeschlossene Nist-Möglichkeiten für Fledermäuse und Dohlen einzurichten.
Berz hofft, dass die Öffnung des Fünffingerlesturms auch ein Impulsgeber für mehr Aufmerksamkeit für die Augsburger Wallanlagen ist. „Es geht um eine Fläche, die so groß wie der Siebentischpark ist und Grün in der dicht bebauten Innenstadt bietet“, so Berz. Das Hochbauamt ist seit einigen Jahren dabei, die Reste der Stadtmauer abschnittsweise zu sanieren. Zuletzt wurde die Bastion im Lueginsland neu hergerichtet. Es gehe aber nicht nur um Bauunterhalt, sondern darum, die Stadtbefestigung und die Grünanlagen besser zu pflegen und erlebbar zu machen. „Die Wallanlagen sind etwas, das die Stadtteile verbinden sollte. Momentan geht man teils eher mit Unbehagen durch.“ »Kommentar und Bayern O Info
Am 9. September ist der Fünffin gerlesturm an der Unteren Jakober mauer erstmals zugänglich. Führungen finden um 10, 12 und 14 Uhr statt. Für Kinder gibt es Führungen um 15 und 16 Uhr. Pro Führung können 15 Personen teilnehmen. Für Kinder ist ein Märchen wettbewerb rund um die Torfunktion, die heute nicht mehr ersichtlich ist, ge plant.