Koenigsbrunner Zeitung

165 Menschen warten in Augsburg auf ein Organ

Chefarzt Matthias Anthuber nimmt zur Debatte Stellung, die von Bundesmini­ster Spahn angestoßen wurde

- Interview: Tobias Utz

Wie viele Patienten warten derzeit in Augsburg auf ein Organ?

Matthias Anthuber: In Augsburg stehen derzeit 165 Patienten auf der Warteliste für eine Organtrans­plantation. Davon sind 125 Patienten aktiv gelistet und damit transplant­abel. Eine akute Erkrankung oder private Gründe, die aktuell eine Transplant­ation ausschließ­en, wären Gründe für eine zeitliche Inaktivitä­t auf der Warteliste.

Im Zuge der Debatte um Organspend­e wird von einem Mangel an Organen gesprochen. Wie viele Augsburger Patienten mussten in den vergangene­n Jahren sterben, da kein geeignetes Organ gefunden werden konnte?

Anthuber: Wir haben über die letzten Jahre einen bis vier Patienten, die auf ein Organ gewartet haben, verloren. 2018 ist bisher ein Patient verstorben. 2015 hingegen waren es vier. Grundsätzl­ich gilt: Je länger ein Patient auf die Dialyse angewiesen ist, sein Blut also „gewaschen“werden muss, desto kranker wird er. Die Dialyse kann den Patienten also nur für eine gewisse Zeit Lebensqual­ität sichern.

Wie lange müssen Patienten in Augsburg denn auf ein geeignetes Organ warten? Anthuber: Patienten des Augsburger Klinikums müssen durchschni­ttlich sieben Jahre warten.

Falls es zu einer Transplant­ation eines Organs kommt, wie sind die Erfolgscha­ncen?

Anthuber: Grundsätzl­ich gilt: Umso früher ein geeignetes Organ gefunden wird, desto höher ist die Chance einer erfolgreic­hen Transplant­ation. Die Erfolgscha­nce hängt ganz wesentlich auch von der Qualität des Spenderorg­ans ab. Da seit geraumer Zeit ein Mangel an Organen besteht, müssen zunehmend auch Nieren von Verstorben­en, die über 75 Jahre alt waren, implantier­t werden, was wir bei jüngeren Patienten mit guter Lebenserwa­rtung ablehnen. Für ältere Empfänger (über 65 Jahre) ist das jedoch anerkannte­rmaßen eine gute Lösung.

Gibt’s eine Alternativ­e zur Warteliste?

Anthuber: Ja, die gibt es! Durch die sogenannte Lebensspen­de. Dabei wird einer dem Empfänger nahestehen­den Person ein gesundes Organ entnommen und ohne zeitliche Verzögerun­g nahezu simultan transplant­iert. Neben dem Fakt, dass es sich um ein gesundes Organ handelt, erhalten wir durch eine minimale Konservier­ungszeit die Qualität des Transplant­ats. Es muss nicht erst zehn bis 24 Stunden durch halb Europa transporti­ert werden. Organe wie Herz, Leber, Lunge oder Niere, die bei vier Grad Celsius stundenlan­g zum Zwecke des Transports konservier­t werden, erleiden Schäden, die mit einer verzögerte­n

Transplant­atfunktion einhergehe­n können.

Wie beurteilen Sie den Reformvors­toß von Gesundheit­sminister Jens Spahn? Er will die Transplant­ationsbeau­ftragten in den Kliniken stärken und die Entnahme von Spenderorg­anen durch Klinken besser vergüten. Anthuber: Dieser Vorstoß ist meiner Auffassung nach längst überfällig.

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