Wie ein Rettungspilot Augsburg von oben sieht
Augsburg auf Achse Wenn Reiner Langer zum Einsatz startet, muss es schnell gehen. Doch manchmal bleibt ihm in der Luft auch Zeit für einen längeren Blick auf die Stadt – und er erlebt faszinierende Momente
Reiner Langer sieht Augsburg an vielen Tagen im Jahr von oben. Nicht nur, weil sein Arbeitsplatz 57 Meter hoch liegt. Von der großen Plattform auf dem Klinikum startet der 44-Jährige regelmäßig mit dem gelben ADAC-Rettungshubschrauber in die Luft. Der Pilot liebt seinen Beruf. Dass er an Lebensrettungen beteiligt ist, ist natürlich ein Grund. Aber da sind noch diese außergewöhnlichen Perspektiven auf Augsburg.
„Städte und Landschaften von oben zu betrachten, das ist schon etwas Tolles.“Langer weiß diese Exponiertheit zu schätzen. Zudem hilft er Menschen in Notlagen. Im Durchschnitt fliegt Reiner Langer an einem Tag vier Einsätze. Bei einem seiner Rekordschichten waren es schon mal elf. Herzinfarkt, Schlaganfall, Stürze vom Pferd, Motorradoder Badeunfall – die Gründe der Alarmierung eines Rettungshubschrauber-Teams, das aus Pilot, Arzt und Rettungsassistent besteht, sind vielfältig. Langer erklärt, wann er und seine Kollegen angefordert werden. „Es gibt Ausrückkategorien, wie Unfälle, in die Kinder verwickelt sind. Oder Unfälle auf der Autobahn ab einem Radius von fünf Kilometern.“Zudem schauen die Kollegen der Rettungsleitstelle, welcher Notarzt am schnellsten vor Ort sein kann. Das Abheben am Klinikum ist Langer längst in Fleisch und Blut übergegangen. Dass es sich um die höchste Hubschrauberstation Deutschlands handelt, sieht er leidenschaftslos.
„Manche Kollegen würden hier auch gerne mal losfliegen oder landen. Aber für mich ist das eine Betonplatte, wie jede andere auch.“Dafür stellen die Landungen an den unvorhersehbaren Einsatzorten den Mann mit dem dichten Bart vor Herausforderungen. Als Pilot eines Rettungshubschraubers hat er viel zu beachten. Ob sich in der Nähe etwa Sonnenschirme befinden, die durch den Hubschrauber in die Luft gewirbelt und Menschen verletzen könnten. Ebenso könnte es sein, dass Dachplatten abgedeckt würden. „An erster Stelle steht der Schutz der Bürger. Wir nehmen es bei der Wahl des Landeplatzes auch mal in Kauf, dass der Notarzt und der Rettungsassistent ein paar Meter zur Unfallstelle laufen müssen.“Beim Anflug ist Langer höchst konzentriert.
„Ich fliege eine Kurve und scanne das Gebiet schneckenförmig von außen nach innen ab.“Binnen ein bis zehn Sekunden muss sich der Pilot sicher sein, dass der Landeplatz menschenleer und frei von Oberleitungen ist, dann setzt er auf. Der Augsburger ist sich bewusst, dass er als Pilot eines Rettungshubschraubers im Fokus von Beobachtern steht. Schon allein deshalb fliegt er umsichtig und verantwortungsvoll. Trotzdem gebe es immer wieder mal Beschwerden nach Rettungseinsätzen.
Etwa darüber, dass der Hubschrauber auf einer Fläche in der Stadt gelandet ist, wo sich darunter eine Tiefgarage befindet. „Der Hubschrauber wiegt 2,9 Tonnen. Das hält jede Tiefgarage aus“, sagt Langer. Der Eigentümer sah das anders. Jedenfalls werde er dort den Hubschrauber nicht mehr absetzen, meint er. Manchmal hadert der langjährige Helikopterpilot mit den Menschen. Etwa wenn er und seine Kollegen zu einem Volksfest fliegen müssen, weil dort ein Kind zusammengebrochen ist und sich herausstellt, dass der Vater ihm zu wenig zu trinken gegeben hatte. „Das Kind war einfach dehydriert.“Oder mit den Gaffern, die an Unfallstellen fotografieren.
Manchmal fotografiere er diese Leute auch, sagt er. „Dann fragen sie mich, warum ich Bilder von ihnen mache. Ich gebe dann zurück, dass sie genau das doch auch gerade tun.“Wirklich schlimme Momente seien aber die, in denen das Team nicht mehr helfen könne. „Wenn wir ein totes Kind sehen, dann sind das auch für uns extreme Situationen. Da kann es sein, dass wir danach darüber sprechen, bis es dunkel wird.“So fokussiert, wie der Rettungspilot zu einem Einsatz fliegt, so sehr genießt er manche seiner Flüge zurück zum Augsburger Klinikum.
Langer schaut dann bewusst auf Augsburg hinab. Das Geschäftige der Stadt fasziniert ihn. „Da fährt ein ICE ein, dort ist eine Tram. Es gibt so viel zu sehen. Beim diesjährigen Firmenlauf waren sehr viele Menschen unterwegs. Das war herrlich von oben zu beobachten“, erzählt er begeistert. Er liebt es auch zu schauen, wie viel gerade auf dem Rathausplatz los ist oder bemerkt, wenn im Botanischen Garten ein Jazzkonzert gegeben wird. In der Nähe des Fußballstadions dürfe man natürlich nicht fliegen, sagt er. Außer es gibt einen Einsatz, wie in der vergangenen Saison.
Ein Stadionbesucher hatte sich während eines Spiels des FC Augsburg bei einem Sturz auf einer Treppe verletzt. Damals flog ein Kollege zur Arena. Langer klingt fast etwas neidisch. „Das ist dann schon eine Herausforderung, wenn tausende Augenpaare auf dich gerichtet sind.“Mit der schönste Moment sei es für ihn, wenn die Sonne untergeht und er mit dem Hubschrauber zum Klinikum zurückkehrt. „Diese Ruhe, die sich über die Stadt legt und die Stimmung am Himmel, das ist etwas ganz Besonderes.“