Koenigsbrunner Zeitung

Wenn es in den Ohren ständig klingelt

Sabine Krenz hat gelernt, mit dem Symptom des chronische­n Tinnitus zu leben. Der Weg dahin war mühsam. Geholfen hat ihr auch der Beitritt zu einer Selbsthilf­egruppe. Heute will sie anderen helfen

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es begann vergleichs­weise harmlos. Zunächst war es ein bisschen Pfeifen, ein leises Rauschen im Ohr. Etwas, was wohl jeder Mensch schon einmal so erlebt hat. Danach verstärkte sich das Problem. Es begann nun auch im Ohr zu klingeln. Eine zunächst unangenehm­e Geschichte, die damals im Jahr 2000 das Leben von Sabine Krenz beeinträch­tigte. Schlimmer wurde es allerdings, als das Klingeln auf beide Ohren übergriff. Permanent war dieser Ton zu hören. Was ist nur los mit mir, dachte sich die Vermessung­stechniker­in vor 18 Jahren.

Ein Arztbesuch jagte den nächsten. Irgendwann war klar, dass Sabine Krenz an einem chronische­n Tinnitus leidet. Es ist, wie sie heute sagt, keine Krankheit, sondern ein Symptom. Die 52-Jährige, die in Neusäß lebt, hat gelernt, den Tinnitus zu akzeptiere­n und mit ihm zu leben. Denn es ist nahezu ausgeschlo­ssen, dass das Klingeln in den Ohren jemals aufhören wird.

Am Samstagmit­tag steht Sabine Krenz auf dem Rathauspla­tz in Augsburg. Es ist der Tag, an dem sich mehr als 40 Selbsthilf­egruppen der Öffentlich­keit präsentier­en. Die Tinnitus-Gruppe macht mit. Es ist gar nicht so leicht, über die Einschränk­ungen zu sprechen, die ein Tinnitus mit sich bringt. Es geht um sehr persönlich­e Belange. Sabine Krenz tut es. Auch weil sie Betroffene­n, die jetzt erst mit dem Symptom klar kommen müssen, Hoffnung machen möchte. Hoffnung in der Art, dass es zumindest Ansätze gibt, sich vom Tinnitus nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Ein Angebot ist dabei die Teilnahme in einer Selbsthilf­egruppe, um sich anonym mit anderen Betroffene­n auszutausc­hen. Erst vor Kurzem gab es hier den Kontakt zu einer jungen Familie mit Baby. Die Mutter hat einen Tinnitus.

Als Sabine Krenz vor 18 Jahren erfuhr, dass sie einen Tinnitus hat, ging auch sie damals in eine Selbsthilf­egruppe. Dies war in einer anderen Stadt, 2006 trat sie in die Augsburger Gruppe ein. Heute kann Sabine Krenz offen darüber reden, wie ist, mit dem Symptom zu leben. Sie berichtet davon, warum der Tinnitus wohl ausgebroch­en sein dürfte: „Bei mir waren es der Stress und Medikament­e.“Dies seien beileibe nicht die einzigen Faktoren. Letztlich gebe es bei jedem Betroffene­n andere Auslöser. „In der Anfangszei­t war dies alles sehr belastend für mich“, sagt die Frau, die heute bei der Stadt Augsburg im Tiefbauamt arbeitet. Sie ist Vermessung­stechniker­in für öffentlich­e Beleuchtun­g. Ihr Umfeld weiß längst um den Tinnitus, sagt sie. Im Jahr 2000 sei dies anders gewesen. Familie und Freunde wurden informiert. Im Beruf war der Tinnitus kein Thema: „Es bestand die Gefahr, dass einem dies gleich negativ ausgelegt werden konnte.“Zwischenze­itlich seien die Akzeptanz und das Wissen um den Tinnitus höher. Dies erleichter­e zumindest den Umgang.

Sabine Krenz hat in den zurücklieg­enden 18 Jahren erfahren, welche Wege es gibt, an der persönlich­en Situation etwas zu verbessern. „Bei mir ist es die Frage von Stress.“Es gehe für sie darum, Stressfakt­oes ren zu minimieren. Ein gewisses Grundrausc­hen sei jedoch immer da. Sabine Krenz erzählt, „dass ich in der Anfangszei­t nach allen Strohhalme­n gegriffen habe“. Dazu zählte unter anderem eine Sauerstoff­therapie. Gebracht habe sie nichts. Positive Gedanken und eine gesunde Lebensführ­ung seien heute ihre Antwort, um den Tinnitus zu minimieren. Das Symptom begleitet Betroffene jedoch nicht nur am Tag. Gerade im Bett, wenn der Mensch einschlafe­n möchte, sei ein Tinnitus ein schwerer Gegner. Sabine Krenz hat auch bei diesem Thema ihren Weg gefunden: „Ich habe einen Zimmerbrun­nen im Schlafzimm­er, der eine halbe Stunde während der Einschlafp­hase läuft. So komme ich auf positive Gedanken.“

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Kontakt

Die Augsburger Selbsthilf­e gruppe „Tinnitus Selbsthilf­e“trifft sich jeden zweiten Monat (Februar, April, Mai, Juni, Oktober, Dezember). Ort ist das Gesundheit­samt in der Karmeliten gasse 8. Es ist immer ein Freitag im Monat ab 18 Uhr. Näheres online unter: tinnitus selbsthilf­e augsburg.de.

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Foto: Silvio Wyszengrad Seit 18 Jahren hat Sabine Krenz einen Tinnitus. Sie hat gelernt, damit zu leben und unterstütz­t andere Betroffene in einer Selbsthilf­egruppe.

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