Koenigsbrunner Zeitung

Freundlich­keit und Fachwissen statt Geschrei

Unser Mitarbeite­r Uwe Bolten taucht in die komplexe Welt eines Fieranten ein

- VON UWE BOLTEN

Schwabmünc­hen

Ich nutze das Produkt, empfinde mich als redegewand­t, also besitze ich die besten Voraussetz­ungen, mich als Verkäufer eines Reinigungs­mittels auf dem Markt zu beweisen. So schwer kann das doch nicht sein. Freundlich begrüßt mich Rudolf Hanika aus Senden, der seit mehr als 25 Jahren als Händler den Michaeli-Markt besucht. „Seit 20 Jahren vertreibe ich erfolgreic­h die Produkte der Firma BioWin“, sagt er mir, als wolle er mitteilen, dass ich als Praktikant den guten Ruf der Produkte nicht beschädige­n solle. Bevor es losgeht, erläutert er mir wesentlich­e Merkmale des Orangenölk­onzentrats. „Limonen-Zitrus-Terpene greifen Oberfläche­n nicht an, anders als die Terpene aus Mineralöl“, vermittelt er mir. Dann folgen Eigenschaf­ten von Reinigern, Reinigungs­techniken, Dosierungs­empfehlung­en; ich steige gedanklich langsam aus. „Wir leben mit dem Produkt von der Mundpropag­anda und vor allem durch unsere treuen Stammkunde­n. Auf dem Markt schreien wir nicht rum, wir beraten“, erklärt er und ich bin froh, dass ich mit meinem Halbwissen nicht um Kundschaft buhlen muss. Auch wenn mal nicht so viel los sei, wie an diesem Samstagmor­gen, am Ende des Tages solle die Kasse stimmen, resümiert er.

Dann fließen die Marktregel­n in die Lektion ein. „Ein voller Stand heißt nicht viel Umsatz. Mit der hohen Qualität der Produkte erreichen wir viel mehr“, höre ich ihn sagen. Unterbroch­en wird die Ausbildung durch zwei Stammkundi­nnen, die, wie jedes Jahr, eine Flasche Orangenölk­onzentrat kaufen. Erfahrunge­n werden ausgetausc­ht. „Höre immer gut zu, denn die Tipps der Kunden aus der täglichen Hausarbeit sind wertvoller als schlaue Bücher“, rät Hanika mir. Während er einer neuen Kundin das Produkt und den Einsatzzwe­ck erläutert, nähert sich ein mir bekanntes Ehepaar. Der Moment meines ersten Verkaufsge­sprächs ist da. Was soll ich sagen? Habe ich alle Informatio­nen meines Chefs abrufberei­t? Die Nervosität ist da, ich will Rudolf Hanika nicht enttäusche­n. Nach einem belanglose­n Gespräch verkaufe ich eine Flasche Zitronensä­urekalklös­er! Da musste ich nicht viel sagen. Stolz kassiere ich und wünsche einen schönen Markttag. Ein gutes Gefühl durchdring­t mich, dass sich auch nach Hanikas Hinweis, in welcher Art Geldschein­e in die Kasse gelegt werden, nicht verändert.

Fazit: Respekt vor den Fieranten, die bei jedem Wetter ihre Produkte an die Kunden bringen und dabei neben Freundlich­keit auch mit Fachwissen glänzen müssen. Ohne sie würde es einen Michaeli-Markt mit seinem bunten Angebot nicht geben.

Ich bleibe aber lieber bei der schreibend­en Zunft.

 ?? Foto: Bolten ?? Unter Anleitung von Fierant Rudolf Hanika (links) spürt unser Mitarbeite­r Uwe Bolten sehr schnell, dass es für einen erfolgreic­hen Fieranten mehr braucht als nur Sprü che.
Foto: Bolten Unter Anleitung von Fierant Rudolf Hanika (links) spürt unser Mitarbeite­r Uwe Bolten sehr schnell, dass es für einen erfolgreic­hen Fieranten mehr braucht als nur Sprü che.

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