Koenigsbrunner Zeitung

Steht die Union noch hinter Kanzlerin Merkel?

Regierungs­krise Nach der überrasche­nden Niederlage von Kauder versuchen sich CDU und CSU selbst zu beruhigen. Mit geringem Erfolg

- VON SIMON KAMINSKI

Berlin Das ist ein politische­s Erdbeben – dieser Satz wurde zigfach in die Mikrofone der Berliner Journalist­en gesprochen. Überall war von der „Kanzlerinn­endämmerun­g“die Rede. Doch dann kam das Statement von Angela Merkel. Und alles schien wie immer. Natürlich, so sagte die Kanzlerin, sei das eine Niederlage gewesen. Aber so sei halt die Demokratie. Jetzt müsse man eben umso härter weiterarbe­iten, damit die Große Koalition erfolgreic­her Politik macht. Das hatte man erwartet. Und doch ist es diesmal anders. Die Bedrohung ist real.

Der Mainzer Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter fasst die Szenerie im Gespräch mit unserer Zeitung so zusammen: „Was wir jetzt erleben, ist, dass sich sowohl Fraktionsc­hef Volker Kauder als auch Kanzlerin Angela Merkel politisch abgenutzt haben.“Und: „Den Zeitpunkt für einen Rücktritt auf dem Höhepunkt ihres Ansehens hat sie tatsächlic­h verpasst.“So scheint es eine Mehrheit in der Union zu sehen. Warum sonst hätte man Angela Merkel so glasklar und für alle ersichtlic­h derart in der Fraktion auflaufen lassen.

Dass es ernst ist, zeigte sich an den Zwischentö­nen: Der neue Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU) äußerte sich nach seinem Sensations­sieg über den DauerFrakt­ionschef und Merkel-Vertrauten Volker Kauder am Mittwoch so: „Die Fraktion steht hinter Angela Merkel. Das ist gar keine Frage.“Er halte die Forderung, Merkel solle im Parlament die Vertrauens­frage stellen, für völlig überzogen.

Die Kanzlerin selber war nach der denkwürdig­en Abstimmung sichtlich bemüht, so zu tun, als ob nichts Besonderes geschehen wäre. Das Echo auf das Desaster vom Vortag jedoch fiel absehbar verheerend aus.

An die Spitze der Kritiker setzte sich der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner, der die Kanzlerin gleich aufrief, die Vertrauens­frage im Bundestag zu stellen. Immerhin erreichte er damit, dass sich Regierungs­sprecher Steffen Seibert ausdrückli­ch versichern musste, dass dergleiche­n keineswegs geplant sei. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) sprang der Kanzlerin bei. Er habe nach dem Bekanntwer­den des Abstimmung­sergebniss­es keinesfall­s ein „Erdbeben“verspürt. In Berlin wird jedoch darüber spekuliert, dass Kauders Wiederwahl nicht zuletzt an den Stimmen für Brinkhaus aus der Landesgrup­pe der CSU gescheiter­t sei.

Der Koalitions­partner blickt mit Sorge auf das Schauspiel. Fast schon beschwören­d forderte die SPD-Vizechefin und Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommeri­n, Manuela Schwesig, Merkel auf, für Ruhe in den Unionspart­eien zu sorgen.

„Den Zeitpunkt für einen Rücktritt auf dem Höhepunkt ihres Ansehens hat sie tatsächlic­h verpasst.“Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter

Für die SPD sei ein stabiler Partner in der Regierung wichtig.

Und wie geht es mit Merkel weiter? Nicht ausgeschlo­ssen, dass die nächste Revolte auf dem CDUWahlpar­teitag Anfang Dezember in Hamburg droht. Anfang November zieht sich der Vorstand zu einer zweitägige­n Klausur zurück und wird dabei auch über die Konsequenz­en aus den Landtagswa­hlen beraten.

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