Koenigsbrunner Zeitung

Suche nach alten Äpfeln

Die beiden Apfelexper­ten Thomas Bosch und Bernhard Frey suchen nach alten Obstsorten, um sie vor dem Aussterben zu retten. Welche das sind und weshalb es die Früchte nicht im Supermarkt zu kaufen gibt

- VON MARIANNE FREY

Äpfel gibt es in diesem Jahr mehr als genug. Zwei Experten aus dem Augsburger Land sind jedoch auf der Suche nach alten Sorten, um diese zu bewahren.

Landkreis Augsburg Sie suchen Apfelsorte­n aus vergangene­n Tagen. Mit ihrem weißen VW-Kombi fahren Hans-Thomas Bosch und Bernhard Frey in die hintersten Winkel des Landkreise­s. Seltene, 80 bis 100 Jahre alte Apfel- und Birnensort­en sind die bevorzugte Beute der beiden auf ihren Streifzüge­n durch Natur und Gärten – immer auf der Suche nach den besonderen Obstsorten.

Bosch ist Pomologe, ein Experte für Apfelbäume vom Kompetenzz­entrum Obstbau-Bodensee. Mit ihm ist Frey, Kreisfachb­erater für Gartenkult­ur und Landespfle­ge des Landratsam­ts, in allen Himmelsric­htungen im Landkreis unterwegs. Wie Detektive suchen sie Obstsorten, um sie vor dem Aussterben zu retten. „Es geht nicht nur darum, dass die Bäume einfach alt sind“, betont Frey. „Vielmehr geht es darum, unter der Fülle an Obstbäumen die alten Apfel- und Birnensort­en zu finden, die seinerzeit von der hiesigen Landbevölk­erung nur hier in Schwaben kultiviert worden sind.“

Es handle sich um regionalsp­ezifische Raritäten. Denn die seien von den Baumschule­n nicht in deren Sortiment aufgenomme­n und weiterkult­iviert worden. Deswegen seien diese Sorten bis heute im Handel nicht erhältlich. „Diese Raritäten sind aber in besonderem Maße an unser raueres Voralpenkl­ima angepasst.“Außerdem seien sie besonders schmackhaf­t und gesund. Noch ein Vorteil: „Diese Sorten besitzen oft besondere Krankheits­resistenze­n.“

Die erste Station des Tages liegt in Baiershofe­n. Der Ort fällt besonders auf durch die von Streuobstw­iesen gesäumte Hauptstraß­e in der Dorfmitte. Am nördlichen Ortsrand fällt Bosch der Danziger Kantapfel ins Auge. Die Streuobstw­iese ist gesäumt von bekannten und unbekannte­n Sorten. Die Haut des Apfels glänzt rötlich, fast seidig anmutend, durchzogen von einigen Kanten, daher der Name. „Der Danziger Kantapfel ist hier eher selten“, sagt Bosch. Und schon der nächste Fund: ein Holzsteine­r Zitronenap­fel. „Eine klasse Sorte für Kuchen“, sagt Bosch. Groß, goldgelb und äußerst saftig mundet er nicht nur auf dem Kuchen.

Die Bestimmung der Sorten ist aber nicht immer so einfach und eindeutig. Es gebe viele Sorten, die sich äußerlich ähnlich sind, aber sich in Eigenschaf­ten unterschei­den. „Sobald man sie vermehren will, braucht man Sicherheit“, sagt Bosch und nimmt sein wichtigste­s Utensil für die nähere Bestimmung: ein scharfes Messer. Mit ihm halbiert er die Frucht, betrachtet Fruchtflei­sch, Kernhaus und andere Details. Es sieht nach einem GrahamsJub­iläum-Apfel aus. Darauf deutet das ausgeprägt­e Kernhaus hin.

Der typisch gelbe Küchenapfe­l wurde aus England eingeführt. Er findet sich in der Region oft, vor allem auf Streuobstw­iesen. Vor gut 120 Jahren wurde dieser Apfel eingeführt. Damals stand der Austausch von Obstsorten auf europäisch­er Ebene in voller Blüte. Das erklärt auch die fremd klingenden Namen mancher Sorten. Im Schwäbisch­en gibt es noch rund 1000 verschiede­ne Apfel- und Birnensort­en. Ende des 19. Jahrhunder­ts waren es noch um die 3000 Sorten, bundes- weit sind es heute um die 1800 verschiede­ne Apfel- und Birnensort­en, erzählt Bosch.

Weiter geht es mit seinem Apfelkesch­er und einem GPS-Ortungsger­ät zum alten Bauernhof von Veronika Storr. Die junge Frau holt ein paar Restbestän­de von kleinen Birnen vom Baum. Der turmhohe, alte Baum lässt sich nur schwer bepflücken. Diese Birnensort­e kann nicht auf Anhieb bestimmt werden, deshalb lässt sich der Pomologe acht Birnen, die er bewusst aus verschiede­nen Himmelsric­htungen der Baumkrone pflückt, mitgeben für die weitere Sortenbest­immung im Labor. So schichtet er wieder eine Tüte mit namenlosen Birnen in seinen VW-Kombi. Eine duftende Oase im Auto breitet sich immer weiter aus.

Bei der detektivis­chen Spurensuch­e hat der Pomologe Bosch inzwischen schon einige regionalsp­ezifiihren sche Sorten gefunden, bestimmt und kartiert. Gut 10 000 Apfel- und Birnbäume werden in ganz Bayerisch-Schwaben erfasst. Gefördert wird das Projekt von der Europäisch­en Union und dem Landkreis. „Von Haus zu Haus finden wir täglich um die 50 Bäume“, sagt Bosch. „Eine flächendec­kende Erfassung ist kaum möglich, die stichprobe­nartige Erhebung spiegelt aber die Sortenviel­falt wider.“Im nächsten Schritt werden von den gefundenen Obstbäumen sogenannte Edelreißer entnommen. Aus diesen werden dann neue Bäumchen gezogen, die in einem staatliche­n Obstgarten gepflanzt und dauerhaft gepflegt werden. So sollen die beinahe ausgestorb­enen Sorten auf lange Sicht wieder in die heimischen Baumschule­n und Gärten finden.

 ?? Fotos: Marianne Frey, Sabine Roth ?? Hans-Thomas Bosch (links) und Bernhard Frey sind auf der Suche nach beinahe ausgestorb­enen Apfelsorte­n. Die suchen die beiden Apfel-Detektive im gesamten Landkreis. Später wollen sie diese Sorten wieder vermehrt pflanzen.
Fotos: Marianne Frey, Sabine Roth Hans-Thomas Bosch (links) und Bernhard Frey sind auf der Suche nach beinahe ausgestorb­enen Apfelsorte­n. Die suchen die beiden Apfel-Detektive im gesamten Landkreis. Später wollen sie diese Sorten wieder vermehrt pflanzen.
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