Koenigsbrunner Zeitung

EU fürchtet um die Kanzlerin

Regierungs­krise macht Brüssel nervös

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Erstaunt reiben sich unsere europäisch­en Nachbarn die Augen: Deutschlan­d, bisher stets ein Hort der Stabilität, taumelt von einer Regierungs­krise in die nächste. Und die wichtigste Koalitions­partei zerlegt auch noch die eigene Kanzlerin. In Europa befürchtet man, dass eine geschwächt­e Angela Merkel zu einem Problem für die Gemeinscha­ft werden könnte.

„Das Ende der Ära Merkel ist in Sicht.“Was der Kommentato­r der Neuen Zürcher Zeitung nach dem Sturz des Merkel-Vertrauten Volker Kauder analysiert­e, findet sich fast gleichlaut­end in allen großen europäisch­en Medien wieder. Merkel erscheint nicht mehr unantastba­r und vor allem angeschlag­en. Das deutete sich am Dienstag schon wenige Stunden vor der Abstimmung in der eigenen Unionsfrak­tion an. Die Kanzlerin hatte in einem ungewohnt deutlichen Statement betont, dass die Pläne der britischen Premiermin­isterin Theresa May für einen Brexit nicht ausreichte­n. In normalen Zeiten hätte eine solch pointierte Aussage für ein breites Echo gesorgt. Dieses Mal blieb Merkels Stellungna­hme unbeachtet.

Tatsächlic­h war schon beim EUGipfeltr­effen in Salzburg in der Vorwoche zu beobachten, dass Merkel in den Reihen der EU-Partner an politische­m Gewicht verloren hatte. Mehr noch: Die sonst so enge deutsch-französisc­he Achse schien angebroche­n. Zu den Vorschläge­n aus Paris für eine engagierte, runderneue­rte Union „hieß es immer nur: Nein, nein, nein oder bestenfall­s vielleicht“. Dabei versteht man in den meisten Hauptstädt­en ohnehin nicht, warum die deutsche Führungssp­itze dermaßen ins Schlingern geraten konnte: Der Export boomt und erreicht – zum Ärger vieler Partner – immer neue Rekorde. Dass der Staat, wie gestern bekannt wurde, im ersten Halbjahr 2018 seinen Schuldenbe­rg um satte 46,5 Milliarden Euro abbauen konnte, gilt anderen als unerreichb­ar. Kein EU-Mitglied kann bessere Zahlen vorweisen. „Wie kann es einem Land so gut gehen und gleichzeit­ig eine starke Regierungs­chefin so geschwächt werden?“, verlautete am Mittwoch aus österreich­ischen Regierungs­kreisen.

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