EU fürchtet um die Kanzlerin
Regierungskrise macht Brüssel nervös
Brüssel Erstaunt reiben sich unsere europäischen Nachbarn die Augen: Deutschland, bisher stets ein Hort der Stabilität, taumelt von einer Regierungskrise in die nächste. Und die wichtigste Koalitionspartei zerlegt auch noch die eigene Kanzlerin. In Europa befürchtet man, dass eine geschwächte Angela Merkel zu einem Problem für die Gemeinschaft werden könnte.
„Das Ende der Ära Merkel ist in Sicht.“Was der Kommentator der Neuen Zürcher Zeitung nach dem Sturz des Merkel-Vertrauten Volker Kauder analysierte, findet sich fast gleichlautend in allen großen europäischen Medien wieder. Merkel erscheint nicht mehr unantastbar und vor allem angeschlagen. Das deutete sich am Dienstag schon wenige Stunden vor der Abstimmung in der eigenen Unionsfraktion an. Die Kanzlerin hatte in einem ungewohnt deutlichen Statement betont, dass die Pläne der britischen Premierministerin Theresa May für einen Brexit nicht ausreichten. In normalen Zeiten hätte eine solch pointierte Aussage für ein breites Echo gesorgt. Dieses Mal blieb Merkels Stellungnahme unbeachtet.
Tatsächlich war schon beim EUGipfeltreffen in Salzburg in der Vorwoche zu beobachten, dass Merkel in den Reihen der EU-Partner an politischem Gewicht verloren hatte. Mehr noch: Die sonst so enge deutsch-französische Achse schien angebrochen. Zu den Vorschlägen aus Paris für eine engagierte, runderneuerte Union „hieß es immer nur: Nein, nein, nein oder bestenfalls vielleicht“. Dabei versteht man in den meisten Hauptstädten ohnehin nicht, warum die deutsche Führungsspitze dermaßen ins Schlingern geraten konnte: Der Export boomt und erreicht – zum Ärger vieler Partner – immer neue Rekorde. Dass der Staat, wie gestern bekannt wurde, im ersten Halbjahr 2018 seinen Schuldenberg um satte 46,5 Milliarden Euro abbauen konnte, gilt anderen als unerreichbar. Kein EU-Mitglied kann bessere Zahlen vorweisen. „Wie kann es einem Land so gut gehen und gleichzeitig eine starke Regierungschefin so geschwächt werden?“, verlautete am Mittwoch aus österreichischen Regierungskreisen.