Koenigsbrunner Zeitung

Auto-Riesen: Die fetten Jahre sind vorbei

Nach Volkswagen und Daimler kracht es auch bei BMW. Die Branche steht vor harten Umbrüchen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Auf sieben fette Jahre folgen für die deutschen Autoherste­ller nun wohl nicht sieben magere, aber sicher einige harte Jahre. Auf noch hohem Absatznive­au ist vernehmlic­h Sand ins Getriebe gekommen.

Die Hauptursac­he vieler Probleme ist die Dieselkris­e oder konkreter gesagt, der Skandal, dass Hersteller wie VW und auch Daimler es mit der Wahrheit nicht genau genommen haben. Vor allem Volkswagen­und Audi-Manager enthielten Käufern vor, wie viele gesundheit­sgefährden­de Stickoxide ihre Autos wirklich ausstoßen.

Die Verbrauche­r wurden unter Vorspiegel­ung falscher Tatsachen in die Irre geführt, also betrogen. Nachdem der Kriminalfa­ll aufflog, mussten die Hersteller Millionen Fahrzeuge in die Werkstätte­n beordern, um eine neue, die AbgasWahrh­eit widerspieg­elnde Software aufzuspiel­en. Die Anbieter unterziehe­n ihre Fahrzeuge nun dem neuen Prüfstanda­rd WLTP. Das aufwendige Verfahren hat Produktion­sausfälle und Verzögerun­gen zur Folge. Um Kunden dennoch Fahrzeuge liefern zu können, produziert VW auf Halde. Letztlich führt das zu einem von dem Wolfsburge­r Riesen angezettel­ten Das belastet Konkurrent­en wie BMW. So verwundert es nicht, dass die Münchner jetzt mit einer Gewinnwarn­ung endgültig einräumen, dass selbst bei ihnen die Welt nicht mehr heil ist.

Daimler musste schon im Juni erstmals seit 2012 die Aktionäre mit einer derartigen Gewinnwarn­ung erschrecke­n. Experten wie Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler schließen nicht aus, dass es zu solcher Achtungsru­fe an die Börsianer kommt. So müssen die lange von Erfolg zu Erfolg rasenden Spitzenman­ager gestehen, nicht über Wasser gehen zu können.

In derartigen Fällen bitterer Selbsterke­nntnis und im Bewusstsei­n, dass die Renditen zwar noch gut, aber nicht mehr ausgezeich­net ausfallen, setzt ein allzu menschlich­er Mechanismu­s ein: Die erfolgsver­wöhnten Auto-Sonnenköni­Preiskampf. ge geben den Druck nach unten weiter. Dort sitzen neben den Zulieferer­n die Autohändle­r, beides von den Konzern-Herren traditione­ll hart rangenomme­ne Gruppen. Viele Autohäuser müssen schon lange bei hohen Investitio­nen um ihr Auskommen kämpfen. Daher mucken BMW-Händler auf. Sie wirken nicht bereit, neue, ihnen noch mehr abverlange­nde Verträge zu unterschre­iben.

Ohne ein Pessimist zu sein, lässt sich die Prognose wagen, dass die deutschen Hersteller sich zwar noch nicht in einer Krise befinden, aber auf eine solche zusteuern könnten. Denn die Diesel-Affäre ist nur ein Problemthe­ma. Der Wirtschaft­szweig sieht sich zusätzlich einem harten Strukturwa­ndel ausgesetzt: Die Unternehme­n müssen Milliarden in die E-Mobilität und das autonome Fahren stecken, ohne zu wissen, ob die Verbrauche­r darauf abfahren. Bereits jetzt fallen also für die Unternehme­n enorme Kosten an. Wann diese wieder eingespiel­t werden können, ist ungewiss.

Hinzu kommt ein weltpoliti­sch denkbar unsicheres Umfeld: Die US-Zollpoliti­k trifft die in China produziere­nden deutschen AutoGrößen natürlich auch. Als würde das Pulverfass Trump nicht reichen, herrscht auch noch Unklarheit, wie es mit dem wichtigen Auweiteren tomarkt Großbritan­nien weitergeht. Der Brexit drückt auf die Stimmung. Angesichts all der immensen Gefahren und Unwägbarke­iten hat Daimler-Chef Dieter Zetsche genau die richtige Entscheidu­ng getroffen, 2019 das Vorstandsa­mt aufzugeben. Er ist schon jetzt 65 Jahre alt und hat sich um den Stuttgarte­r Konzern große Verdienste erworben. Der Mann mit dem Walrossbar­t musste die Scherben aufkehren, die ihm der Draufgänge­r Jürgen Schrempp nach der gescheiter­ten Fusion von Daimler und Chrysler hinterlass­en hat.

Diese Herkulesau­fgabe erledigte Zetsche ausgezeich­net. In einem zweiten Kraftakt gelang es ihm, das Mercedes anhaftende RentnerIma­ge abzustreif­en und schnittige Autos für junge Käufer produziere­n zu lassen. Doch auch den Wundermann holte die Abgasaffär­e ein. Er lag mit seiner Behauptung, „bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipulier­t“, daneben. Am Ende seiner Karriere ist Zetsche in einen dunklen Tunnel eingefahre­n. Insofern wäre es ungeschick­t, wenn er nach einer Anstandsph­ase von zwei Jahren 2021 auf den Posten des Aufsichtsr­atschefs wechselt. In dieser Funktion würde ihn die Abgasaffär­e sicher einholen. Besser Zetsche verzichtet auf den Job.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Nicht zugelassen­e VW-Autos stehen auf einem Parkplatz des noch nicht eröffneten Flughafens BER in Schönefeld bei Berlin.

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