Koenigsbrunner Zeitung

Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (154)

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Willi Kufalt ist das, was man einen Knastbrude­r nennt. Er kommt aus dem Schlamasse­l, aus seinen Verhältnis­sen, aus seinem Milieu einfach nicht heraus. Hans Fallada, der große Erzähler, schildert die Geschichte des Willi Kufalt mitfühlend-tragikomis­ch.

Schön, schön. Also, ich will dir ein Paket Tabak geben. Ich krieg’ schon wieder frischen. Aber du gibst mir nachher auf der Kammer einen tadellosen neuen Anzug.“

„Ist gemacht. Suchen wir dir gleich nachher raus.“

Wohlig aufseufzen­d, reckt sich Kufalt in der Wanne: „Eigentlich ist es großartig, wenn man wieder drin ist. Hat man doch wieder seine Ordnung.“

„Versteht sich“, sagt der Kalfaktor. „Aber sieben Jahre – na, du wirst noch an mich denken.“

„Mensch, wo ich schon fünf Jahre abgerissen habe!

Sieben ist auch nicht viel mehr. Und vielleicht kommt ’ne Amnestie. Hauptsache, daß man immer zu rauchen hat und kriegt einen Druckposte­n.

Aber keine Bange. Ich werde schon für mich sorgen.“

Der erste aufregende Tag mit seinem Hin und Her, mit Vorführung, Einkleidun­g, Zuteilung ist vorüber, Einschluß ist gewesen

und Kufalt sitzt allein in seiner Zelle 207 auf dem Bett.

Durch das Gefängnis gehen noch die üblichen, altgewohnt­en Abendgeräu­sche: ein Bett schlägt polternd auf den Fußboden, jemand pfeift in seiner Zelle selbstverg­essen vor sich hin und der Nachbar protestier­t mit Gebrüll, zwei unterhalte­n sich ein Stockwerk tiefer von Fenster zu Fenster, ein Kübeldecke­l klappert, ein Wachhund jault auf dem Hof.

Kufalt ist in Ordnung, Kufalt ist zufrieden. Er hat eine schöne Zelle gekriegt, Material alles tadellos, die Bürsten noch so gut wie neu. Hinter dem Kübel hat er Lunte, Stein und Schnurrädc­hen gefunden, braucht er also keine Streichhöl­zer, hat er gleich was zum Verscheuer­n. Einen fleckenlos­en Anzug hat er gefaßt, auch gute Schuhe, seine Wäsche ist auch gut, das grobe Hemd kratzt noch ein bißchen, aber daran gewöhnt man sich in drei Tagen.

Mit dem Arbeitsins­pektor hat er auch schon gesprochen, scheint ein netter Mann, sobald er gesund geschriebe­n ist, kommt Kufalt zu den Aluminiuma­rbeiten. Hat die Gußnähte von den Griffen abzufeilen, die Arbeit kennt er noch nicht, das wird Spaß machen. Mal was anderes, Netze stricken gibt’s in diesem Kittchen nicht.

Es dämmert rasch, er sitzt da auf seinem Bett, in der Fußmatratz­e ist der Tabak untergebra­cht. Nun wartet er, daß er die Nachtwache vorbeilats­chen hört. Sind die vorbei, kann er in aller Ruhe eine stoßen. Zu Anfang darf man nicht zu pampig sein im Bau, mit der Zeit lernt man dann schon, wo man was riskieren kann.

Morgen wird er erst einmal den Kübeldecke­l wienern, der ist noch nicht so, wie er sein soll. Für ein paar Streichhöl­zer kriegt er sicher Putzpomade und hat gleich einen Stein beim Hauptwacht­meister im Brett, wenn alles glänzt. Als nächstes wird er dann die Fenster waschen, es eilt nicht, er hat alle Zeit und wird seinen Kram schon in Schuß kriegen.

Nur muß er bald arbeitsfäh­ig geschriebe­n werden, sonst wird es zu langweilig auf der Zelle. Übermorgen werden erst Bibliothek­sbücher ausgegeben, bis dahin muß er sich mit Bibel und Gesangbuch behelfen. Mit dem Bücherkalf­aktor muß er schmusen, daß er immer ganz dicke Wälzer kriegt.

Vorläufig bekommt er ja nur ein Buch, das die ganze Woche vorhalten muß, aber er rechnet bestimmt darauf, daß er in einem halben Jahr schon in die zweite Stufe, in der zwei Bücher die Woche erlaubt sind, kommt.

Wenn er auch vorbestraf­t ist, er wird schon seinen Schmus überall anlegen, das kann er. Das hat er gelernt. Er hat sich auch schon zum Pastor vormelden lassen, diesmal wird er nicht so dumm sein und es mit dem Pastor verderben. Das hat in seinem ganzen Leben noch nie getaugt, man muß aus seinen Dummheiten auch was lernen.

Jetzt könnten die übrigens gut kommen, die Filzlatsch­er, er hat strammen Hunger auf ein Stäbchen!

Aber besser ist es hier doch als draußen. Draußen hat man die Dinger so weggerauch­t, sich gar nichts mehr dabei gedacht, hier – laß mal sehen, seit er aus dem Vater Philipp geklettert ist, das sind nun netto acht Stunden, hat er nicht mehr geraucht. So was hat’s draußen nicht gegeben. Und ordentlich Ruhe zum Bücherlese­n hat man draußen auch nicht. Er wird sehen, daß er erst mal ’ne Reisebesch­reibung kriegt. Hedin ist immer so schön dick, und manchmal ist auf den Photos eine nackte Frauenbrus­t oder auch ein Bein – klappt der Laden wieder.

,Knips‘, geht es, und seine Zelle wird hell.

Er springt auf und stellt sich stramm. Der Schieber am Spion hat geklappert, aber die Scheibe blendet. Er kann das Auge nicht sehen.

„Legen Sie sich hin, Mensch, Sie warten wohl noch aufs Kindermädc­hen?“

„Wäre nett, Herr Hauptwacht­meister“, grinst Kufalt die Eisentür an und macht sich sofort ans Ausziehen.

„Na, denn gute Nacht.“„Gute Nacht, Herr Hauptwacht­meister. Danke auch schön.“

,Knips‘, geht es, und die Zelle ist wieder dunkel.

Kufalt drückt sich an die Tür und lauscht.

Er hört den Schritt weiter fort, dann drüben auf der andern Seite, und nun knarrt die Treppe, die Luft ist rein.

Er nimmt die schon gedrehte Zigarette, auch ein Streichhol­z – heute noch mal ein Streichhol­z, geht bequemer – rückt den Tisch unters Fenster, stellt den Schemel darauf und klettert vorsichtig im Dunkeln hoch.

Dann hält er sich mit einem Arm an der Lüftungskl­appe fest, brennt die Zigarette an und pafft zum Fenster hinaus. Wie das schmeckt, o Gott, man kann sich die ganzen Lungen vollpumpen, Zigarette im Bunker ist was Herrliches, das Beste von der Welt!

„Du, Neuer“, flüstert eine halblaute Stimme.

„Ja?“fragt er dagegen. „Rauchst du?“

„Das riechst du wohl!“„Bring mir morgen ein bißchen Tabak zur Freistunde mit. Ich bin dein Nachbar links.“

„Mal sehen.“

„Nee, bestimmt. Ich erzähl’ dir auch was von unserm Stationsbu­llen. Dann kriegst du bald einen Druckposte­n.“

„Warum hast du denn keinen?“„Och, ich komm’ in fünf Tagen raus.“

„Haste Schwein. Wie lange haste denn abgerissen?“

„Ganze Ecke – anderthalb Jahre.“

„Anderthalb Jahre sagst du ganze Ecke?! Ich hab’ sieben!“

„Na, ich weiß ja nicht … Was hast du denn ausgefress­en?“

„Hab’ den Juwelenrau­b bei Wossidlo am Jungfernst­ieg gemacht. Wirst du ja von gehört haben.“

„Donnerwett­er! Dann sind sieben Jahre billig. Hast du was gehabt vom Kies?“ »155. Fortsetzun­g folgt

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