Duell auf Augenhöhe?
Bayernwahl Warum Herausforderer Ludwig Hartmann von den Grünen Ministerpräsident Markus Söder beim einzigen direkten Aufeinandertreffen im TV nicht in Gefahr bringen kann
München Das TV-Duell ist schon fast vorbei, als der Ministerpräsident seinem Herausforderer eine Art Lob ausspricht – ein leicht vergiftetes zwar, aber immerhin stimmt er Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann einmal klar zu: „Genau das machen wir“, sagt ein gelassener Markus Söder mit der Ruhe eines Amtsinhabers. Hartmann, Vater eines dreijährigen Sohnes, hatte zuvor gefordert, Erzieher besser zu bezahlen, die Öffnungszeiten von Kindertagesstätten flexibler zu gestalten und das Angebot an Betreuungsmöglichkeiten auszubauen. Es ist dieser Moment, an dem spätestens klar wird: So spinnefeind, dass sie nicht zusammen regieren könnten, sind sich der CSU- und der GrünenPolitiker nicht.
Dabei beginnt das Rededuell im Bayerischen Fernsehen ganz anders: mit einem angriffslustigen, immer wieder in die Ausführungen des Ministerpräsidenten hineingrätschenden Ludwig Hartmann und einem abwartenden Markus Söder, der seinen Herausforderer ein ums andere Mal ins Leere laufen lässt. Keine zehn Minuten dauert es, bis BR- Chefredakteur Christian Nitsche, der das Duell moderiert, konstatiert: „Jetzt reden wir alle durcheinander.“Es ist nicht das einzige Mal in der 70-minütigen Sendung, dass Nitsche darum kämpfen muss, das Wort zu behalten.
Ein Punkt, den Söder für seine Argumentation gerne nutzt: Wieder und wieder hält der Ministerpräsident dem gebürtigen Landsberger Hartmann vor, ihn zu unterbrechen, ihn nicht ausreden zu lassen. „Ich will da höflich bleiben“, wird Söder an späterer Stelle spottend sagen. Seine Frau habe ihm dazu geraten.
Es ist nicht der einzige Vorwurf, den Söder seinem Kontrahenten anzuheften versucht. Dieser sei zu sehr auf München fixiert, entgegnet er Hartmann, der im Münchner Stadtteil Haidhausen als Direktkandidat antritt, mehrfach. Etwa als dieser argumentiert, es sei sinnvoller, in der Landeshauptstadt Miet- statt Eigentumswohnungen zu schaffen, da es sich eine durchschnittliche junge Familie nicht leisten könne, eine Million Euro für eine DreiZimmer-Wohnung aufzuwenden.
Die Wohnungsnot ist nur einer der Punkte, die das KontrahentenDuo in der Kürze ständiger The- menwechsel andiskutiert. Weiter geht es mit dem Flächenverbrauch, der Energiewende, den Streitereien der Koalition in Berlin, die Söder weit von sich weist. Zur Sprache kommen auch die bayerischen Reizthemen Migration, Kreuzerlass und Polizeiaufgabengesetz. Söder, im März mit einem Ideenfeuerwerk ins Amt des Ministerpräsidenten gestartet, betont stets, wie gut es im bundesweiten Vergleich um den Freistaat bestellt sei, nennt wie gewohnt Berlin als abschreckendes Beispiel. Hartmann dagegen legt den Fokus darauf, was in seinen Augen alles auf der Strecke geblieben ist. „Wir müssen als starkes Industrieland doch auch Strom in Bayern produzieren“, sagt er etwa.
Grundsätzlicher wird es, als Söder und Hartmann über das Polizeiaufgabengesetz streiten. „Wir sollten nicht Bürgerrechte aufgeben, die unsere Kinder dann wieder erkämpfen müssen“, sagt er. Woraufhin Söder – eine Finte, die er mehrfach nutzt –, den Grünen, aber explizit nicht seinem Herausforderer, vorwirft, der Polizei zu misstrauen.
Dass es dem Ministerpräsident bei aller Abgrenzung von den Grünen, nicht um eine Abgrenzung von Hartmann persönlich geht, wird am spannendsten Teil des Abends deutlich: als Moderator Nitsche endlich die Frage stellt, ob beide Parteien – in der jüngsten Umfrage von Insa und Bild auf 34 und 17 Prozent taxiert – denn nicht zusammen regieren wollten. Endlich streiten beide Kandidaten nicht darum, wer reden darf. Nach kurzem Schweigen ergreift Hartmann das Wort. „Wir wollen Bayern gestalten und zum Guten verändern“, sagt er. „Mit uns kann man jederzeit über eine ökologisch-gerechte Politik reden.“Auch Söder geht nicht zum Angriff über. „Ich war etwas enttäuscht vom Programm der Grünen“, sagt der Ministerpräsident knapp. „Ziemlich spießiges Programm.“
Und so passt auch die Frage ins Bild, die sich beide auf Aufforderung des Moderators gegenseitig stellen dürfen. Beide fragen den jeweils anderen, ob sie zusammen wandern gehen wollen. Zustimmung beiderseits. Nur, einen dritten bayerischen Nationalpark, von dem ihn Hartmann beim Anblick der Alpen überzeugen wollte, werde es dadurch nicht geben, so Söder. Dass beide bald miteinander laufen, scheint dennoch nicht ausgeschlossen.