Neuling mit Höhenangst
K!ar.Texterin Carmen geht zum ersten Mal in die Kletterhalle
Kaufering Trotz Höhenangst blicke ich dem „Selbstversuch Bouldern“ganz gespannt entgegen. Schließlich muss man sich auch manchmal etwas trauen und sich aus der eigenen Wohlfühlzone wagen. Doch als mein K!ar.Text-Kollege Simon und ich die Halle in Kaufering betreten, werde ich schon nervös. Die Wände sind so hoch. Sind das wirklich nur viereinhalb Meter?
Simon rät mir, meine Arme aufzuwärmen, um nicht völlig kalt anzufangen. Dann klettert er mir einen gelben Parcours vor. Die Griffe an der Kletterwand sind je nach Schwierigkeitsgrad in unterschiedlichen Farben markiert. Gelb ist das Einfachste, danach kommen grün, orange und weiß. „Blau, rot und schwarz klettere ich auch nicht“, sagt Simon. In wenigen Sekunden erklimmt er die Wand und ist oben angekommen. Jetzt soll ich es ihm nachmachen. Auf der Tafel mit der Liste der Boulder-Parcours-Farben steht neben gelb: „Des machst scho.“Ich bin mir da nicht so sicher.
Die Griffe sind rau, und irgendwie scheine ich zu kurze Arme zu haben. Langsam arbeite ich mich an der Wand hinauf. Ich habe das Gefühl, mein gesamtes Gewicht mit meinen Fingern halten zu müssen. Als ich oben bin, freue ich mich – bis ich bemerke, dass ich irgendwie wieder runterkommen muss. Ein Blick nach unten, und meine Höhenangst setzt ein. Wie festgefroren hänge ich an den Griffen. Um runterzuspringen, bin ich zu hoch gekommen, und die Angst, hinunterzufallen, weil ich mich nicht halten kann, ist riesig. Wie soll ich es bloß nach unten schaffen? Simon ruft mir Tipps zu, auf welchen Griff ich als Nächstes treten soll. Die Angst bleibt groß, und ich springe erst, als es mir nicht mehr zu hoch ist.
Meine Hände zittern, und mein Herz rast. Trotzdem versuchen wir ein paar weitere Bahnen. Simon erklärt mir, es sei am sinnvollsten, den Körper so nah wie möglich an der Wand zu halten und auch Arme und Beine nicht wegzustrecken – das erleichtere das Klettern.
Es klappt immer besser, Simon muss mir nicht mehr so viele Tipps geben. Schließlich kommen wir aber zu einer Bahn, bei der man, oben angekommen, auch über die Wand klettern kann. Ein sogenannter Ausstieg. Oben ist eine Art Rundbalkon, der um die Halle führt. Ich habe mich zwar inzwischen daran gewöhnt, an den Griffen zu klettern. Doch jetzt muss ich am höchsten Punkt der Wand einen Griff loslassen, über die Wandkante hinübergreifen und mich hochziehen. Für Simon ist das überhaupt kein Problem, doch bei mir löst das wieder Panik aus. Die Wand ist viel zu glatt, die Hände werden ohne Magnesiumpulver automatisch schwitzig – wie soll ich da rüberklettern ohne runterzufallen? Selbst die Tatsache, dass Simon schon oben steht und mir anbietet, mich über die Kante zu ziehen, hilft mir nicht. Was ist, wenn ich loslasse, er mich nicht halten kann und ich falle?
Mit einiger Überwindung ziehe ich mich schließlich, recht unbeholfen, auf den Balkon. Aber auch jetzt ist es mit der Höhenangst nicht vorbei. Vom Balkon führt eine Leiter hinunter und zurück auf den Boden der Halle – ohne Geländer oder Sicherung. Hier ist meine Angst endgültig zu groß, ich schaffe es einfach nicht, mich rückwärts umzudrehen und nach unten ins Nichts zu treten. Deshalb durchquere ich einmal die Halle und rutsche die Polsterung einer Überhangbahn hinunter. Dort wartet schon Simon auf mich. Er will sich im Überhang-Klettern versuchen. Ich bin schwer beeindruckt, als er es wirklich einige Griffe weit schafft, sich hängend und vollkommen parallel zum Boden fortzubewegen. Dabei sieht man erst, wie viel Kraft bei diesem Sport benötigt wird.
„Habe ich zu viel versprochen, als ich sagte, zwei Stunden beim Bouldern würden vollkommen genügen?“, fragt mich Simon, als wir erschöpft auf einem Polster sitzen und andere Kletterer beobachten. „Nein, ich war schon nach einer Stunde k. o.“, gebe ich zu. Nach zwei Stunden Klettern schmerzen die Finger und Hände. Aber ich bin stolz, meine Höhenangst zumindest teilweise überwunden zu haben.