Koenigsbrunner Zeitung

Für Asylhilfe fehlen die Helfer

Unterstütz­erkreise Mit einem Heer an Ehrenamtli­chen hat die Region den großen Ansturm der Flüchtling­e bewältigt. Jetzt geht es um die Integratio­n derer, die bleiben dürfen. Doch dem System der Freiwillig­en droht der Zusammenbr­uch

- VON PITT SCHURIAN UND CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Region Die Gemeinde Großaiting­en im Süden des Augsburger Landes hat 5000 Einwohner. Es gibt hier viel Gemeinscha­ftsgeist, ein intaktes Dorfleben – und zwei Unterkünft­e für Flüchtling­e, ohne dass man diese als einen Brennpunkt bezeichnen könnte. Doch nun hat die Gemeinde eine eigene Mitarbeite­rin für Asyl und Migration eingestell­t. Die Bezahlung erfolge auf Geringfügi­gkeitsbasi­s, sagt Bürgermeis­ter Erwin Goßner, doch er werde den Posten von Ulrike Weingartne­r zur Teilzeitst­elle aufstocken, falls dies nötig wird. Damit wird Wirklichke­it, was schon bald nach der großen Flüchtling­swelle Kommunalpo­litiker und Fachrefere­nten haben kommen sehen: Wenn die vielen Asylhelfer wegfallen, werde es schwierig mit der zweiten Phase der Integratio­n.

Der Anteil der noch offenen Asylanträg­e fällt aus der Sicht des Landratsam­tes Augsburg kaum mehr ins Gewicht. Ein Vielfaches größer sei jedoch die Zahl der Menschen, die hier inzwischen bleibebere­chtigt sind, Arbeit und vor allem eine Wohnung brauchen und ins alltäglich­e Leben eingeführt werden müssen. Dazu fehlt es inzwischen an ehrenamtli­chen Unterstütz­ern.

Das sei ein mühevolles Unterfange­n, sagen auch freiwillig­e Asylhelfer: „Nach der 20. oder 30. Absage bei der Wohnungssu­che möchtest du aufhören.“Simone Losinger, Sachgebiet­sleiterin für das Ausländerw­esen im Kreis Aichach-Friedberg, kennt Helfer, die aus Unzufriede­nheit ihre Arbeit aufgegeben hätten. Die Freiwillig­enagentur des Wittelsbac­her Landes ist jedenfalls auf der Suche nach neuen Freiwillig­en, die sich für Zugewander­te engagieren möchten. Dazu bietet die Agentur auch Kurse für Helfer an. Dabei möchte Integratio­nslotsin Marina Lovric die Ehrenamtli­chen nicht missen. Sie hätten einen wichtigen Anteil an der Integratio­n. Viele seien im Lauf der Zeit zu Experten auf ihrem Gebiet geworden.

Städte wie Gersthofen und Königsbrun­n, aber auch Gemeinden wie Welden, Meitingen oder Gablingen hatten zudem schon früh eigene Asylbeauft­ragte in ihrem Rathaus benannt. Weitere Beispiele da- für gibt es im Wittelsbac­her Land, etwa Friedberg. Dort kümmern sich zwei Teilzeitkr­äfte um Menschen mit Bleiberech­t. Nun also auch Großaiting­en. Bürgermeis­ter Goßner hat es kommen sehen: „Den großen Ansturm 2015 haben unsere Helfer hervorrage­nd bewältigt. Aber ich habe ihnen immer gesagt: Das wird kein Sprint, das ist ein Langstreck­enlauf.“Immer mehr Ehrenamtli­chen sei die Kraft ausgegange­n. Das Problem für ihn: „Der Kontakt reißt ab.“

Hinzu komme eine zweite Entwicklun­g: „Das Engagement ist sehr individual­isiert. Es sind enge emotionale Beziehunge­n entstanden, zum Teil richtige Freundscha­ften.“Daher schmerze es Ehrenamtli­che natürlich, wenn ein Schützling wegen einer Arbeitsste­lle umzieht, in die Heimat zurück geht oder gar abgeschobe­n wird. Die Hilfe der meisten Asylhelfer konzentrie­re sich jeweils auf eine Person bzw. Familie. Andere bleiben außen vor. Ein drittes Problem beobachtet Goßner durch den Nachstrom neuer Asylsuchen­der. Es hänge offenbar von der Herkunftsr­egion ab, wie leicht oder schwer diese Unterstütz­er finden oder wie sehr diese bereit seien, sich von Privatpers­onen helfen zu lassen.

Ähnliches hat Andrea Bader erfahren. Sie ist seit zwei Jahren im Rathaus von Königsbrun­n als Asylkoordi­natorin damit beschäftig­t, jene Strukturen aufrechtzu­erhalten, die die Asylhelfer unterstütz­en. Es geht ihr darum, die Entwicklun­g von der Aufnahme hin zur Integratio­n zu steuern. Anfangs in Teilzeit, macht sie das heute in Vollzeit. Natürlich sei die Zahl der Flüchtling­e stark gesunken, sagt sie, aber auch der Kreis der Ehrenamtli­chen sei geschwunde­n. In Königsbrun­n von 80 auf jetzt 15.

Doch gibt es rund 350 Menschen, die noch Unterstütz­ung brauchen. Bader spricht nicht von Asylsuchen­den. Die meisten seien als Flüchtling­e schon anerkannt, dürften auch arbeiten und sich eine eigene Wohnung suchen. Doch nicht alle schaffen das. Und sie alle müssen in die Gesellscha­ft integriert werden.

Es gehe nun darum, ihnen die Stadt zu zeigen, das für Einheimisc­he Alltäglich­e im Leben verständli­ch zu machen und zu erläutern, warum in diesem Rechtsstaa­t nicht jede Behörde alles über einen weiß und sie daher immer wieder bei jeder Behörde erneut alle ihre Daten angeben müssen.

Um was es geht, sieht Bereichsle­iterin Marion Koppe am Landratsam­t Augsburg an den Zahlen: Zum Höhepunkt der Welle habe es im Kreis 2500 Flüchtling­e gegeben. Mit Stand vom vergangene­n Donnerstag sind es genau 1512. Von ihnen befinden sich aber nur noch rund 700 tatsächlic­h im Asylverfah­ren. Die andere Hälfte sei entweder anerkannt und könne sich Wohnung und Arbeit suchen – oder sie sei abgelehnt und sehe der Ausreise entgegen.

Das verringere allerdings nicht den Engpass bei der Integratio­nsarbeit. Dazu fehlen einfach genügend neue freiwillig­e Helfer vor Ort. Sie zu gewinnen, darum werben die Asylbeauft­ragten vor Ort. Interessen­ten sollten sich bei ihrer Gemeinde oder der Freiwillig­enagentur melden.

„Das ist kein Sprint, sondern ein Langstreck­enlauf.“

Großaiting­ens Bürgermeis­ter Erwin Goßner

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