Für Asylhilfe fehlen die Helfer
Unterstützerkreise Mit einem Heer an Ehrenamtlichen hat die Region den großen Ansturm der Flüchtlinge bewältigt. Jetzt geht es um die Integration derer, die bleiben dürfen. Doch dem System der Freiwilligen droht der Zusammenbruch
Region Die Gemeinde Großaitingen im Süden des Augsburger Landes hat 5000 Einwohner. Es gibt hier viel Gemeinschaftsgeist, ein intaktes Dorfleben – und zwei Unterkünfte für Flüchtlinge, ohne dass man diese als einen Brennpunkt bezeichnen könnte. Doch nun hat die Gemeinde eine eigene Mitarbeiterin für Asyl und Migration eingestellt. Die Bezahlung erfolge auf Geringfügigkeitsbasis, sagt Bürgermeister Erwin Goßner, doch er werde den Posten von Ulrike Weingartner zur Teilzeitstelle aufstocken, falls dies nötig wird. Damit wird Wirklichkeit, was schon bald nach der großen Flüchtlingswelle Kommunalpolitiker und Fachreferenten haben kommen sehen: Wenn die vielen Asylhelfer wegfallen, werde es schwierig mit der zweiten Phase der Integration.
Der Anteil der noch offenen Asylanträge fällt aus der Sicht des Landratsamtes Augsburg kaum mehr ins Gewicht. Ein Vielfaches größer sei jedoch die Zahl der Menschen, die hier inzwischen bleibeberechtigt sind, Arbeit und vor allem eine Wohnung brauchen und ins alltägliche Leben eingeführt werden müssen. Dazu fehlt es inzwischen an ehrenamtlichen Unterstützern.
Das sei ein mühevolles Unterfangen, sagen auch freiwillige Asylhelfer: „Nach der 20. oder 30. Absage bei der Wohnungssuche möchtest du aufhören.“Simone Losinger, Sachgebietsleiterin für das Ausländerwesen im Kreis Aichach-Friedberg, kennt Helfer, die aus Unzufriedenheit ihre Arbeit aufgegeben hätten. Die Freiwilligenagentur des Wittelsbacher Landes ist jedenfalls auf der Suche nach neuen Freiwilligen, die sich für Zugewanderte engagieren möchten. Dazu bietet die Agentur auch Kurse für Helfer an. Dabei möchte Integrationslotsin Marina Lovric die Ehrenamtlichen nicht missen. Sie hätten einen wichtigen Anteil an der Integration. Viele seien im Lauf der Zeit zu Experten auf ihrem Gebiet geworden.
Städte wie Gersthofen und Königsbrunn, aber auch Gemeinden wie Welden, Meitingen oder Gablingen hatten zudem schon früh eigene Asylbeauftragte in ihrem Rathaus benannt. Weitere Beispiele da- für gibt es im Wittelsbacher Land, etwa Friedberg. Dort kümmern sich zwei Teilzeitkräfte um Menschen mit Bleiberecht. Nun also auch Großaitingen. Bürgermeister Goßner hat es kommen sehen: „Den großen Ansturm 2015 haben unsere Helfer hervorragend bewältigt. Aber ich habe ihnen immer gesagt: Das wird kein Sprint, das ist ein Langstreckenlauf.“Immer mehr Ehrenamtlichen sei die Kraft ausgegangen. Das Problem für ihn: „Der Kontakt reißt ab.“
Hinzu komme eine zweite Entwicklung: „Das Engagement ist sehr individualisiert. Es sind enge emotionale Beziehungen entstanden, zum Teil richtige Freundschaften.“Daher schmerze es Ehrenamtliche natürlich, wenn ein Schützling wegen einer Arbeitsstelle umzieht, in die Heimat zurück geht oder gar abgeschoben wird. Die Hilfe der meisten Asylhelfer konzentriere sich jeweils auf eine Person bzw. Familie. Andere bleiben außen vor. Ein drittes Problem beobachtet Goßner durch den Nachstrom neuer Asylsuchender. Es hänge offenbar von der Herkunftsregion ab, wie leicht oder schwer diese Unterstützer finden oder wie sehr diese bereit seien, sich von Privatpersonen helfen zu lassen.
Ähnliches hat Andrea Bader erfahren. Sie ist seit zwei Jahren im Rathaus von Königsbrunn als Asylkoordinatorin damit beschäftigt, jene Strukturen aufrechtzuerhalten, die die Asylhelfer unterstützen. Es geht ihr darum, die Entwicklung von der Aufnahme hin zur Integration zu steuern. Anfangs in Teilzeit, macht sie das heute in Vollzeit. Natürlich sei die Zahl der Flüchtlinge stark gesunken, sagt sie, aber auch der Kreis der Ehrenamtlichen sei geschwunden. In Königsbrunn von 80 auf jetzt 15.
Doch gibt es rund 350 Menschen, die noch Unterstützung brauchen. Bader spricht nicht von Asylsuchenden. Die meisten seien als Flüchtlinge schon anerkannt, dürften auch arbeiten und sich eine eigene Wohnung suchen. Doch nicht alle schaffen das. Und sie alle müssen in die Gesellschaft integriert werden.
Es gehe nun darum, ihnen die Stadt zu zeigen, das für Einheimische Alltägliche im Leben verständlich zu machen und zu erläutern, warum in diesem Rechtsstaat nicht jede Behörde alles über einen weiß und sie daher immer wieder bei jeder Behörde erneut alle ihre Daten angeben müssen.
Um was es geht, sieht Bereichsleiterin Marion Koppe am Landratsamt Augsburg an den Zahlen: Zum Höhepunkt der Welle habe es im Kreis 2500 Flüchtlinge gegeben. Mit Stand vom vergangenen Donnerstag sind es genau 1512. Von ihnen befinden sich aber nur noch rund 700 tatsächlich im Asylverfahren. Die andere Hälfte sei entweder anerkannt und könne sich Wohnung und Arbeit suchen – oder sie sei abgelehnt und sehe der Ausreise entgegen.
Das verringere allerdings nicht den Engpass bei der Integrationsarbeit. Dazu fehlen einfach genügend neue freiwillige Helfer vor Ort. Sie zu gewinnen, darum werben die Asylbeauftragten vor Ort. Interessenten sollten sich bei ihrer Gemeinde oder der Freiwilligenagentur melden.
„Das ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf.“
Großaitingens Bürgermeister Erwin Goßner