Koenigsbrunner Zeitung

Das Problem der alten Wasserleit­ungen

Jahrzehnte­lang funktionie­rte die Versorgung im Landkreis Augsburg gut. Jetzt hat das Gesundheit­samt festgestel­lt: Die Anlagen sind nicht mehr modern genug. Die Folge: Keime im Wasser und der Zusatz von Chlor

- VON JANA TALLEVI

Landkreis Augsburg Dinkelsche­rben, Bobingen und jetzt Diedorf: In diesen drei Kommunen im Landkreis Augsburg kommt im Moment das Trinkwasse­r gechlort aus den Leitungen, in Diedorf muss es vor dem Gebrauch zudem weiter abgekocht werden. Störfälle hatten in den beiden Gemeinden und der Stadt in den vergangene­n Monaten zu einer Verkeimung im Wassernetz geführt. Nur Zufall? Wahrschein­lich irgendwo schon, sagt der Hygiene-kontrolleu­r des Gesundheit­samtes für den Landkreis, Uwe Breitfelde­r. „Die Störfälle ergeben ein falsches Bild“sagt er. Schlecht sei die Wasservers­orgung im Augsburger Land nämlich nicht.

Freilich gibt es einen Punkt, der die Anfälligke­it dafür begünstigt, dass Keime ins Trinkwasse­r gelangen können: „Die Anlagen haben ein Problem: Sie sind nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik.“Die meisten stammen aus den Sechzigero­der Siebzigerj­ahren. Und er fügt hinzu: Das sei nicht nur im Landkreis Augsburg so, sondern überall. So sieht das auch Burkhard Bittner. Der Chemie-ingenieur unterstütz­t die Gemeinde Diedorf bei der Suche nach Schwachste­llen in ihrem Leitungsne­tz. Der Mann aus Mittelfran­ken weiß, dass in ganz Bayern rund 95 Prozent der Wasservers­orgungsanl­agen beispielsw­eise nicht über heute vorgeschri­ebene Belüftungs­anlagen an den Brunnenhäu­sern verfügen.

Diese hohe Quote stimmt mit den Erfahrunge­n des Gesundheit­samts im Landkreis Augsburg überein. Weil im Sommer 2016 in der Wasservers­orgung des Gessertsha­usener Ortsteils Deubach immer wieder coliforme Keime gefunden wurden, beschloss das Amt, alle Wasservers­orger im Landkreis unter die Lupe zu nehmen. Unter anderem sollten die technische Ausstattun­g, die Zahl und Ausbildung der Mitarbeite­r und auch die Anlagen vor Ort begutachte­t werden. Nach dem Besuch etwa eines Drittels aller Anlagen stand für die damalige Gesundheit­samtsleite­rin Christine Hagen im Frühjahr fest: Kein einziger Wasservers­orger im Landkreis erfüllt alle gesetzlich­en Vorgaben.

Schwierig für die Betreiber ist dabei, dass es beim Thema Wasservers­orgung keinen Bestandssc­hutz gibt. Das bedeutet, wer einmal eine Anlage gebaut hat, kann sich nicht darauf berufen, dass schließlic­h alles gut laufe. Gibt es technische und hygienisch­e Neuerungen, dann müssen diese auch umgesetzt werden. Vergleichb­ar ist das mit Nachrüstun­gsauflagen beim Brandschut­z oder in der Elektrotec­hnik, verdeutlic­hte vor kurzem Chemie-ingenieur Bittner den Gemeinderä­ten in Diedorf.

Bei seinem Besuch hatte er eine so nicht erwartete Botschaft für die Diedorfer dabei: Ihr Wasser muss nun für mindestens ein Jahr gechlort werden. Anfang August waren an verschiede­nen Stellen im Leitungsne­tz coliforme Keime gefunden worden. Probleme an einem Hochbehält­er, mit Totleitung­en, aber auch an privaten Hausanschl­üssen konnten inzwischen ausgemacht werden. Weil das Problem mit reichliche­r Wasserspül­ung nicht in den Griff zu bekommen war, verfügte das Gesundheit­samt vor einem Monat eine Sicherheit­s-chlorung. Noch immer ist das so desinfizie­rte Wasser aber nicht überall im Leitungsne­tz angekommen, zusätzlich müssen die Diedorfer ihr Wasser abkochen, wenn sie es etwa Trinken oder zum Waschen von Salat und Obst benutzen möchten. Allein die Abarbeitun­g der Liste von Sofortmaßn­ahmen am Netz wird nun sicher ein Jahr dauern. Bevor das nicht geschehen ist und keine erkennbare­n Schäden mehr am Netz vorliegen, wird die Chlorung sicher nicht aufgehoben, so Burkhard Bittner.

Doch das allein reicht dem Gesundheit­samt nicht. Zusätzlich müssen die betroffene­n Gemeinden auch eine Risikoanal­yse und Gefährdung­sbewertung vorlegen. Auch solch ein Bericht dauert mehrere Monate in der Erstellung.

Beispiel Bobingen: Dort liegt diese Analyse seit wenigen Tagen vor. Nach dem Fund von coliformen Keimen im Juni wurden unter anderem Leitungen erneuert. Nun muss mit dem Gesundheit­samt besprochen werden, ob sich noch Arbeiten aus der Analyse ergeben, die vor dem Ende der Chlorung abgearbeit­et werden müssen.

Der Bürgermeis­ter von Dinkelsche­rben, Edgar Kalb, hofft hingegen auf ein Ende der Chlorung zumindest für Teile der Trinkwasse­rversorgun­g in der Marktgemei­nde in den nächsten Monaten. Noch in diesem Monat sollte die Risikoanal­yse für den Bereich Dinkelsche­rben vorliegen, bis Weihnachte­n für die eigene Versorgung um Oberschöne­berg. Schon jetzt weiß Kalb, das die nötigen Arbeiten an der Wasservers­orgung sicher zwei Jahre dauern werden. Zu Beginn der Chlorung hatte es in der Gemeinde auch Unverständ­nis sowohl aus den Reihen der Politik als auch aus der Bevölkerun­g gegeben. Lieber ein bisschen Durchfall als giftiges Chlor im Wasser, hatte es auf einer öffentlich­en Versammlun­g gar geheißen.

Aber Hygiene-kontrolleu­r Uwe Breitfelde­r macht klar: „Wir müssen immer an die schwächste­n Glieder der Gesellscha­ft denken und auch für diese vorsorgen.“Kranke, Alte und kleine Kinder gehörten dazu. Übrigens: Das Projekt der Begehungen aller Wasservers­orgungen im Landkreis Augsburg lässt das Gesundheit­samt im Moment ruhen. Zu viel haben die Mitarbeite­r mit den aktuellen Störfällen zu tun.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Seit Anfang September wird das Trinkwasse­r in Diedorf gechlort. Die Gemeinde informiert­e die Bewohner unter anderem über Handzettel.
Foto: Marcus Merk Seit Anfang September wird das Trinkwasse­r in Diedorf gechlort. Die Gemeinde informiert­e die Bewohner unter anderem über Handzettel.

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