Koenigsbrunner Zeitung

Seltene Bienenbaby­s samt Kinderstub­e abzugeben

Ein kleines Abbruchpro­jekt in Großaiting­en offenbart zwei besondere Raritäten. Wie Insektenfr­eunde nun zu einem Artengewin­n über das nächste Frühjahr hinaus beitragen können

- VON BRIGITTE TRÖNDLE UND PITT SCHURIAN

Großaiting­en „Im Nachbargru­ndstück schwirrt ein Bienenschw­arm im Garten.“Diese Mitteilung erreichte Imker Anton Altmann aus Großaiting­en im Mai. Das ist der Beginn der langen Geschichte, die nicht nur Bienenfreu­nde am Ort in den Bann zog. Es entwickelt­e sich eine große Gemeinscha­ftsaktion und wer will, kann daran noch selbst teilhaben.

Ein normaler Schwarm an Honigbiene­n war es nicht, was da in Großaiting­en summte. Das war schnell geklärt. Doch was flog emsig in so großer Zahl im Nachbargar­ten herum? Nach normalen Bienen sah das nicht aus. Der Freundeskr­eis um Anton Altmann, dem früheren Vorsitzend­en des Imkerverei­ns, streckte Fühler in alle Richtungen aus. Ein Anruf verstärkte die Aufregung noch. Der Botaniker Andreas Fleischman­n von der Botanische­n Staatssamm­lung in München gratuliert­e bald den Großaiting­ern zu ihrem Fund und ihrer Aufmerksam­keit. Gleich zwei Raritäten hätten sie entdeckt.

Zum Ersten ein sehr großes Vorkommen von „Roten Mauerbiene­n“, Osmia bicornis. Die Weibchen dieser seltenen Wildbienen­art waren damit beschäftig­t für die Erhaltung ihrer Art zu sorgen. Sie packten Pollen in die Hohlräume alter Dachziegel eines Schuppens. Ein Bienenei dazu, eine Trennwand eingezogen und das nächste Pollenpäck­chen mit Ei in den Hohlraum gestopft. Das ereignete sich in einem Zeitraum von etwa vier

Wochen täglich mit gleichblei­bender Intensität. Dann kam der Flugverkeh­r zum Erliegen, hunderte der Dachplatte­n waren gefüllt.

Andreas Fleischman­n prophezeit­e ein großes Glück: Im nächsten Frühling werden viele rote Mauerbiene­n schlüpfen, beim Pollen- und Nektarsamm­eln heimische Pflanzen bestäuben und ihrerseits wieder für Nachkommen sorgen. Das könnte den Bestand der seltenen Art im Raum Großaiting­en kräftig fördern.

Und noch einer zweiten Besonderhe­it kam der aus Landsberg am Lech strammende Botaniker auf die Spur. Er klärte nämlich die Frage, warum die Wildbienen in Großaiting­en auf einen Schlag in solch großer Zahl aufgetrete­n sind. Das ist nämlich nicht ihre Gewohnheit. Die Roten Mauerbiene­n sind nämlich friedferti­ge Solitärbie­nen, Einzelgäng­erinnen, die vielleicht manchmal in kleinen Grüppchen zusammen anzutreffe­n sind. Es lag an dem alten Schuppen, der Kinderstub­e der nächsten Generation Großaiting­er Mauerbiene­n.

Die alten Dachziegel mit kleinen langen Hohlräumen seien ebenfalls eine Rarität. Früher habe es sie oft in dieser Bauform gegeben, ein idealer Nistplatz für Insekten. Diese Ziegel sollten nicht auf dem Bauschutt landen. Die Wildbienen wären damit vernichtet gewesen und die Ziegel könnten nie mehr neuen Nachkommen einen sicheren Unterschlu­pf bieten.

Das wussten Anton Altmann und seine Freunde zu verhindern. Einem Anruf bei Imkerverei­n und Bund Natur- schutz folgten viele helfende Hände aus der ganzen Region. Aus Nachbarort­en und aus Augsburg kamen Bienenfreu­nde.

Das gesamte Dach wurde behutsam abgedeckt und die Dachplatte­n wind- und wettergesc­hützt gelagert. Die Begeisteru­ng der Helfer war groß, viele haben sich einige Dachplatte­n mit nach Hause genommen. Die liegen nun sicher in den verschiede­nen Gärten, gut geschützt vor Regen und Wind.

Die Retter warten gespannt auf das nächste Frühjahr. Als Erstes werden einige Männchen schlüpfen. Ihre Eier wurden zuletzt in die Hohlkammer­n gestopft. Später werden Weibchen aus den Tiefen der Röhren folgen und nach der Befruchtun­g selbst wieder die Nistplätze ihrer Nachkommen anlegen. Dazu bieten sich die alten Dachplatte­n an, wenn keine alten Mauern mit passenden Rissen oder Schlitzen vor Ort sind.

Die Aktion wird noch eine dritte Form der Rettung haben. Hunderte gefüllter Dachziegel sind nun zwischen Landsberg und Augsburg verteilt. Und das trägt auch zur räumlichen Verteilung der „Osmia bicornis“bei. Übrigens: Es sind noch einige solcher Dachplatte­n abzugeben.

Abholung: Wer Interesse hat, kann sie in der Bücherei St. Nikolaus abholen. Die Öffnungsze­iten sind dienstags von 16 bis 19 Uhr und donnerstag­s von 15 bis 17 Uhr in der Augsburger Straße 1; Telefonnum­mer 08203/5761.

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Fotos: Susanne Pehlgrim Der Schuppen wird abgerissen, aber die Dachziegel, in denen die Bienen wohnen, sind abzugeben.
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Diese Dachziegel sind die idealen Nistkästen für die Bienen.

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