„Wandelnde Notrufsäulen“der Polizei?
Schutz In Sicherheitswachten können Bürger einen freiwilligen Polizeidienst leisten. Auch auf dem Lechfeld könnte bald so eine Einheit entstehen. In Untermeitingen scheiden sich die Geister
Untermeitingen Der Gemeinderat Untermeitingen empfängt Besuch in Uniform: Zwei Beamte der Polizei Schwabmünchen präsentieren dem Gremium das Konzept für eine Sicherheitswacht auf dem Lechfeld. „Es ist ein erstes Abtasten, ob denn überhaupt Bereitschaft und Interesse besteht“, sagt Bürgermeister Simon Schropp (CSU). Doch das erste Abtasten mündet an diesem Abend in eine lebhafte Diskussion.
„Die Kräfte der Sicherheitswacht sind Augen und Ohren – für die Polizei und für den Bürger“, erklärt Wolfram Lechner, der Dienstgruppenleiter der Polizeiinspektion Schwabmünchen. Bei der Sicherheitswacht handelt es sich um Bürger im freiwilligen Polizeidienst. Nach 40 Stunden Schulung und bestandener Prüfung werden sie mit Pfefferspray, Funkgerät und Dienstausweis ausgestattet. So gehen sie regelmäßig auf Streife. „Es sind Leute, die in Kontakt mit der Bevölkerung treten, die Anlaufstellen sind“, sagt Lechner. Wie dabei das Zusammenspiel mit der Polizei funktioniert, erklärt Robert Künzel, der stellvertretende Dienststellenleiter der Inspektion Schwabmünchen: „Die Wacht soll präsent sein und in kritischen Situationen per Funk die Polizei rufen.“Das Sicherheitswachtgesetz regelt die Befugnisse der Kräfte. Dazu zählen die Identitätsfeststellung und das Erteilen von Platzverweisen. Doch die Mitglieder der Sicherheitswacht seien kein Ersatz für die Polizei, sagt Künzel, sondern vielmehr „wandelnde Notrufsäulen“.
1994 starteten die ersten Sicherheitswachten in Bayern, darunter auch eine Abteilung im Augsburger Stadtteil Haunstetten. Heute gibt es 119 Einheiten mit rund 1000 Einsatzkräften – und das bayerische Innenministerium will mehr. Die Zielvorgabe: eine Aufstockung auf 1500 Kräfte. Für den Aufbau einer Sicherheitswacht benötigt die Polizei ein Gebiet mit mindestens 20 000 Einwohnern und einen Pool von acht bis zehn Sicherheitskräften, die mindestens fünf Stunden im Monat im Einsatz sein können. Um diese Anforderungen zu erfüllen, sieht der erste Entwurf einen Zusammenschluss der Lechfeldgemeinden mit Schwabmünchen vor.
Die Leinwand-Präsentation der Polizei zeigt mögliche Einsatzorte: In Untermeitingen sind es der Spielplatz an der Wettersteinstraße und die Asylunterkunft in der Lagerlechfelder Straße. Auch der Bahnhof von Klosterlechfeld ist aufgelistet. In Graben sind es der Amazon-Mitarbeiterparkplatz und die Ahornstraße, wo immer wieder Autos beschädigt werden. An diesen Stellen soll die Sicherheitswacht Präsenz zeigen. „Tagsüber ist eine Sicherheitskraft auf Streife, bei Anbruch der Dunkelheit sind es zwei“, sagt Künzel. Auf ihrer Patrouille kann die freiwillige Polizei ein Dienstauto nutzen, aber vor allem soll sie zu Fuß unterwegs sein.
Das Lechfeld ist eine Region, die immer weiter wächst und dichter besiedelt wird. Lechner verweist auf Einbrecher-Gruppen, die in Banden von der B17 aus schnell in den Orten sind. Eine Sicherheitswacht könne da abschreckend wirken. Doch auch Jugendliche, die randalieren oder lärmen, könnte die Wacht in den Blick nehmen.
Als Schropp die Debatte im Gemeinderat eröffnet, schnellen die Finger in die Höhe. Eine Reihe von kritischen Fragen stellt Ines SchulzHanke, die Vorsitzende des Bündnis Lechfeld. Sie sagt, sie fühle sich in Untermeitingen sicher. „So eine Wacht schafft einen falschen Eindruck, sie signalisiert: Hier ist nicht alles okay.“Schulz-Hanke vermutet hinter der Stärkung der Sicherheitswachten zudem politisches Kalkül vor der Landtagswahl. Sie wünscht sich andere Mittel der Prävention und Sicherheit: „Lieber in politische Bildung investieren, das macht die Jugend schlauer.“Marianne Grönninger von den Grünen stimmt ihr zu: „Wir sollten stattdessen die Bevölkerung mehr auf Zivilcourage und Wachsamkeit schulen.“
Bernd Früchtl von der Fraktionsgemeinschaft FDP/SPD sieht ein weiteres Problem: „Meine Sorge ist, dass hier die Frage der Sicherheit privat ausgelagert wird.“Außerdem sorge er sich um die Sicherheit des Wachpersonals – falls die Uniform Widerstand provoziert.
Stella Roseto vom Bündnis Lechfeld reiht sich in die Liste der Kritiker ein: „Ich sehe das zwiespältig.“Ein Problem sieht sie in der Auswahl der Kräfte. Sie befürchte, dass die Sicherheitswacht vor allem Bewerber anziehe, die ihre Autorität und Kraft ausreizen und ihre Grenzen testen wollen. Die Polizisten räumen ein, dass sich die Suche nach geeigneten Kandidaten schwierig gestaltet, in Landsberg suche die Polizei seit einiger Zeit nach Kandidaten. Aber Lechner und Künzel sprechen zugleich von einer handverlesenen Auswahl an Personen, die den Test bestehen. „Das sind keine Rambos, die mit Handschellen ausgestattet sind“, sagt Lechner. Mit Weiterbildung sorge die Polizei für die Qualität des Sicherheitsdienstes.
Manfred Salz (CSU) zählt zu den Befürwortern: „Wenn man damit mehr Sicherheit bieten kann, würde ich das unterstützen.“Auch Karl Strass (CSU) betont, dass Sicherheitskräfte in den Sommermonaten sinnvoll eingesetzt werden könnten – doch einen permanenten Bedarf könne er in Untermeitingen nicht erkennen. Strass stellt daher die Frage, für welche Dauer das Projekt geplant ist. Die Polizei entgegnet, dass die Errichtung der Sicherheitswacht auf Dauer angelegt sei.
Einen Unterstützer findet die Idee einer Sicherheitswacht in Bürgermeister Simon Schropp. „Ich bin verwundert, dass hier so viel Skepsis aufkommt. Wir können nicht sagen, dass auf dem Lechfeld nichts los ist“, sagt er. „Es geht darum, Grenzen zu definieren, um Anwohnerschutz, Vorbeugung gegen Lärmbelästigung und Sachbeschädigung. Und ein Streetworker kann keinen Platzverweis erteilen.“
Nach der Diskussion wartet Untermeitingen nun darauf, wie die Nachbargemeinden reagieren. Einen Entschluss hat der Gemeinderat noch nicht gefasst. Ebenso ergebnisoffen blickt die Polizei den folgenden Debatten entgegen. „Das soll hier keine Werbetour sein. Wenn sich die Gemeinden anders entscheiden, ist das kein Weltuntergang“, sagt Künzel.