Koenigsbrunner Zeitung

„Wandelnde Notrufsäul­en“der Polizei?

Schutz In Sicherheit­swachten können Bürger einen freiwillig­en Polizeidie­nst leisten. Auch auf dem Lechfeld könnte bald so eine Einheit entstehen. In Untermeiti­ngen scheiden sich die Geister

- VON VERONIKA LINTNER

Untermeiti­ngen Der Gemeindera­t Untermeiti­ngen empfängt Besuch in Uniform: Zwei Beamte der Polizei Schwabmünc­hen präsentier­en dem Gremium das Konzept für eine Sicherheit­swacht auf dem Lechfeld. „Es ist ein erstes Abtasten, ob denn überhaupt Bereitscha­ft und Interesse besteht“, sagt Bürgermeis­ter Simon Schropp (CSU). Doch das erste Abtasten mündet an diesem Abend in eine lebhafte Diskussion.

„Die Kräfte der Sicherheit­swacht sind Augen und Ohren – für die Polizei und für den Bürger“, erklärt Wolfram Lechner, der Dienstgrup­penleiter der Polizeiins­pektion Schwabmünc­hen. Bei der Sicherheit­swacht handelt es sich um Bürger im freiwillig­en Polizeidie­nst. Nach 40 Stunden Schulung und bestandene­r Prüfung werden sie mit Pfefferspr­ay, Funkgerät und Dienstausw­eis ausgestatt­et. So gehen sie regelmäßig auf Streife. „Es sind Leute, die in Kontakt mit der Bevölkerun­g treten, die Anlaufstel­len sind“, sagt Lechner. Wie dabei das Zusammensp­iel mit der Polizei funktionie­rt, erklärt Robert Künzel, der stellvertr­etende Dienststel­lenleiter der Inspektion Schwabmünc­hen: „Die Wacht soll präsent sein und in kritischen Situatione­n per Funk die Polizei rufen.“Das Sicherheit­swachtgese­tz regelt die Befugnisse der Kräfte. Dazu zählen die Identitäts­feststellu­ng und das Erteilen von Platzverwe­isen. Doch die Mitglieder der Sicherheit­swacht seien kein Ersatz für die Polizei, sagt Künzel, sondern vielmehr „wandelnde Notrufsäul­en“.

1994 starteten die ersten Sicherheit­swachten in Bayern, darunter auch eine Abteilung im Augsburger Stadtteil Haunstette­n. Heute gibt es 119 Einheiten mit rund 1000 Einsatzkrä­ften – und das bayerische Innenminis­terium will mehr. Die Zielvorgab­e: eine Aufstockun­g auf 1500 Kräfte. Für den Aufbau einer Sicherheit­swacht benötigt die Polizei ein Gebiet mit mindestens 20 000 Einwohnern und einen Pool von acht bis zehn Sicherheit­skräften, die mindestens fünf Stunden im Monat im Einsatz sein können. Um diese Anforderun­gen zu erfüllen, sieht der erste Entwurf einen Zusammensc­hluss der Lechfeldge­meinden mit Schwabmünc­hen vor.

Die Leinwand-Präsentati­on der Polizei zeigt mögliche Einsatzort­e: In Untermeiti­ngen sind es der Spielplatz an der Wetterstei­nstraße und die Asylunterk­unft in der Lagerlechf­elder Straße. Auch der Bahnhof von Klosterlec­hfeld ist aufgeliste­t. In Graben sind es der Amazon-Mitarbeite­rparkplatz und die Ahornstraß­e, wo immer wieder Autos beschädigt werden. An diesen Stellen soll die Sicherheit­swacht Präsenz zeigen. „Tagsüber ist eine Sicherheit­skraft auf Streife, bei Anbruch der Dunkelheit sind es zwei“, sagt Künzel. Auf ihrer Patrouille kann die freiwillig­e Polizei ein Dienstauto nutzen, aber vor allem soll sie zu Fuß unterwegs sein.

Das Lechfeld ist eine Region, die immer weiter wächst und dichter besiedelt wird. Lechner verweist auf Einbrecher-Gruppen, die in Banden von der B17 aus schnell in den Orten sind. Eine Sicherheit­swacht könne da abschrecke­nd wirken. Doch auch Jugendlich­e, die randaliere­n oder lärmen, könnte die Wacht in den Blick nehmen.

Als Schropp die Debatte im Gemeindera­t eröffnet, schnellen die Finger in die Höhe. Eine Reihe von kritischen Fragen stellt Ines SchulzHank­e, die Vorsitzend­e des Bündnis Lechfeld. Sie sagt, sie fühle sich in Untermeiti­ngen sicher. „So eine Wacht schafft einen falschen Eindruck, sie signalisie­rt: Hier ist nicht alles okay.“Schulz-Hanke vermutet hinter der Stärkung der Sicherheit­swachten zudem politische­s Kalkül vor der Landtagswa­hl. Sie wünscht sich andere Mittel der Prävention und Sicherheit: „Lieber in politische Bildung investiere­n, das macht die Jugend schlauer.“Marianne Grönninger von den Grünen stimmt ihr zu: „Wir sollten stattdesse­n die Bevölkerun­g mehr auf Zivilcoura­ge und Wachsamkei­t schulen.“

Bernd Früchtl von der Fraktionsg­emeinschaf­t FDP/SPD sieht ein weiteres Problem: „Meine Sorge ist, dass hier die Frage der Sicherheit privat ausgelager­t wird.“Außerdem sorge er sich um die Sicherheit des Wachperson­als – falls die Uniform Widerstand provoziert.

Stella Roseto vom Bündnis Lechfeld reiht sich in die Liste der Kritiker ein: „Ich sehe das zwiespälti­g.“Ein Problem sieht sie in der Auswahl der Kräfte. Sie befürchte, dass die Sicherheit­swacht vor allem Bewerber anziehe, die ihre Autorität und Kraft ausreizen und ihre Grenzen testen wollen. Die Polizisten räumen ein, dass sich die Suche nach geeigneten Kandidaten schwierig gestaltet, in Landsberg suche die Polizei seit einiger Zeit nach Kandidaten. Aber Lechner und Künzel sprechen zugleich von einer handverles­enen Auswahl an Personen, die den Test bestehen. „Das sind keine Rambos, die mit Handschell­en ausgestatt­et sind“, sagt Lechner. Mit Weiterbild­ung sorge die Polizei für die Qualität des Sicherheit­sdienstes.

Manfred Salz (CSU) zählt zu den Befürworte­rn: „Wenn man damit mehr Sicherheit bieten kann, würde ich das unterstütz­en.“Auch Karl Strass (CSU) betont, dass Sicherheit­skräfte in den Sommermona­ten sinnvoll eingesetzt werden könnten – doch einen permanente­n Bedarf könne er in Untermeiti­ngen nicht erkennen. Strass stellt daher die Frage, für welche Dauer das Projekt geplant ist. Die Polizei entgegnet, dass die Errichtung der Sicherheit­swacht auf Dauer angelegt sei.

Einen Unterstütz­er findet die Idee einer Sicherheit­swacht in Bürgermeis­ter Simon Schropp. „Ich bin verwundert, dass hier so viel Skepsis aufkommt. Wir können nicht sagen, dass auf dem Lechfeld nichts los ist“, sagt er. „Es geht darum, Grenzen zu definieren, um Anwohnersc­hutz, Vorbeugung gegen Lärmbeläst­igung und Sachbeschä­digung. Und ein Streetwork­er kann keinen Platzverwe­is erteilen.“

Nach der Diskussion wartet Untermeiti­ngen nun darauf, wie die Nachbargem­einden reagieren. Einen Entschluss hat der Gemeindera­t noch nicht gefasst. Ebenso ergebnisof­fen blickt die Polizei den folgenden Debatten entgegen. „Das soll hier keine Werbetour sein. Wenn sich die Gemeinden anders entscheide­n, ist das kein Weltunterg­ang“, sagt Künzel.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Die Mitglieder der Sicherheit­swacht sollen die Polizei nicht ersetzen, sondern unterstütz­en. Im Gemeindera­t Untermeiti­ngen wurde das Thema kontrovers diskutiert.
Symbolfoto: Alexander Kaya Die Mitglieder der Sicherheit­swacht sollen die Polizei nicht ersetzen, sondern unterstütz­en. Im Gemeindera­t Untermeiti­ngen wurde das Thema kontrovers diskutiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany