Schön und lästig
Sechs große Bäume an der Grenzstraße stören Anwohner. Die Stadt Bobingen versucht mit einem Kompromiss sie milde zu stimmen und trotzdem keinen vorschnellen Kahlschlag zu betreiben. Denn der Fall könnte Folgen haben
Bobingen Bevor man sich auf ein Problem stürzt, kann zuweilen ein Rundblick schnellere Übersicht bieten: Es gibt schöne Alleen in Bobingen. Gemeint sind nicht nur die in jedem Frühling blühfreudigen Bäumchen an der Hochstraße oder die breit gesteckte Einsäumung der Krumbacher Straße. In der Landshuter Allee bilden die inzwischen mächtig gewordenen Baumkronen ein dicht wirkendes Dach über der Straße. Je nach Wetter mal schön schattig oder nach Gewittern auch mal wie ein Dschungelweg wirkend, wenn viel herabgeworfenes Blattwerk den Boden bedeckt. Ein ähnlicher grüner Tunnelblick wird Touristen in New York in eine Straße mit ebenfalls schön aneinander gereihten Stadthäusern als Attraktion geboten. Allerdings sind diese Häuser in Manhattan so hoch, dass das Laub selten die Regenrinnen verstopfen dürfte. Und was dort Bewohner vom Laubteppich auf den Stufen vor ihrer Haustüre halten, erfahren Reisende nicht.
In Bobingen jedenfalls ist es nicht nur der Schatten, der manchen Anwohnern zuweilen die Freude am üppigen Straßengrün verdirbt. Sie müssen zu allen Jahreszeiten mit Grün kämpfen, das ihnen über den Kopf gewachsen ist. Als Postkartenmotiv mögen das nicht alle sehen. Im eigenen Garten kann man rechtzeitig zur Astschere greifen, bei Straßenbäumen geht das nicht.
Solche Dinge wissen natürlich auch Stadträte, wenn sie ein Urteil aufgrund strenger Vorschriften und klarer Expertisen treffen müssen. Und dieser Hintergrund erklärt wohl manchmal, warum ihr Disput mitunter wundersame Wendungen nimmt.
4800 Bäume stehen in Bobingen auf öffentlichem Grund und die Stadt weiß: Wenn sie nur an einen die Axt anlegt, kommt ein Aufschrei schnell und laut. Hinzu kommt, dass große Bäume zu fällen trotz fehlender Baumschutzverordnung auch in Bobingen selten als vertretbar gilt. Ein Antrag an die Stadt, zu groß gewordene Bäume vor der eigenen Haustüre zu fällen, hat rechtlich kaum eine Chance. Der Bauausschuss des Stadtrates rang sich jetzt jedoch in einem Fall zu einem Kompromiss durch: Einstimmig versprach er Anwohnern der Grenz- straße in der Vorschau auf die Neugestaltung des Brunnenplatzes auch für die Grenzstraße ein Gestaltungskonzept zu entwickeln. Und falls dessen Zielvorstellung weniger mächtige Bäume vorsieht und an der Gesundheit des Altbestandes ernsthafte Zweifel bestehen, könnte man auf dieser Basis alte Bäume entfernen und durch eine neue Bepflanzung ersetzen.
Man darf schon mal raten, welche Bäume das Konzept vorsehen wird. Es werden wohl kaum mehr hohe Birken sein. Für diesen Kompromiss wurde lange gerungen und einige Brücken wurden gebaut. Denn gerade nach mehreren Ortsterminen war klar: Die als Hauptargument vorgebrachte Sorge einzelner Anlieger, eine der drei Birken oder einer der drei Ahorne könnte bei einem Sturm umfallen und auf ein Haus fallen, erscheint wenig wahrscheinlich. Rechtlich habe die Stadt keine Grundlage für eine Fällung, so auch das Urteil der Stadtverwaltung. Über das Quartiermanagement sprachen sich andere Siedler ebenfalls gegen eine Fällung der sechs Straßenbäume aus. Weder der Baumkontrolleur der Stadt noch der Fachberater des Landratsamtes haben Zweifel an der Standsicherheit der sechs Baumriesen.
Freilich, so der erste Brückenschlag vom Landratsamt zur Stadt: Der trockene Sommer 2018 und der räumlich beengte Wurzelbereich am Straßenrand könnten die Bäume unter Umständen schneller schwächen, als Bäume an anderer Stelle. Dann könnten sie durchaus mal brüchig werden. Das wäre ein Anlass zu raschem Handeln.
Stadtrat Thomas Hauser schärfte mit Hinweis auf diese vermeintliche Schwäche den Blick auf potenziell drohende Gefahren. In Abwägung zwischen Risiko und Verlust an Straßengrün hielt er die Bäume für verzichtbar. Ein Gegenargument seiner Ratskollegin Monika Müllerweigand: Ein Fällen auf Wunsch der Anlieger würde „einen Rattenschwanz“an Forderungen aus anderen Teilen Bobingens nach sich ziehen.
Also: Augen zudrücken bringt nichts. Gnadenlose Härte zeigen wollte der Ausschuss auch nicht. Da brachte ein benachbartes Projekt der Stadt den Bürgermeister auf eine Idee: Die Neugestaltung des Brunnenplatzes werde sowieso einiges im Ortsbild ändern. Da könnte man die Grenzstraße in die Überlegung mit einbeziehen, schlug Bernd Müller vor.
Zweiter Bürgermeister Klaus Förster spannte diese Brücke weiter zu seinem Fraktionskollegen Hauser: Tatsächlich sei die Grenzstraße ja eine „vitale Achse“hin auf das Zentrum am Brunnenplatz. Da mache eine Einbeziehung Sinn. Und falls die Bäume tatsächlich eine Schwäche zeigen, könnte man schon vor dem Neubau am Platz auf Basis eines Gestaltungskonzeptes eine Neupflanzung vornehmen. Der Ausschuss kam überein: Die Grenzstraße wäre hiermit kein Präzedenzfall. Hauser lenkte ein: Es müsse halt „zeitnah“gehandelt werden.
Freilich blieb offen, wie schnell das neue Gestaltungskonzept greift. Wenn Bäume ein ernstes Schadbild zeigen, gehe sowieso Sicherheit immer vor, egal wo sie stehen, sagte Bürgermeister Müller. Dazu bräuchte es keinen Plan. Das Gestaltungskonzept sei allerdings nicht so schnell zu erwarten. Drei bis vier Jahre könne es dauern.
Hintergrund: Erst im kommenden Frühjahr wird der Vorentwurf für das barrierefreie Wohnen am Brunnenplatz vorliegen. An ihm muss sich die Gestaltung des Umfeldes orientieren. Wie berichtet, hat die Verwaltung angekündigt, 2019 auch die Gestaltungsplanung für den Brunnenplatz zu starten.