Koenigsbrunner Zeitung

Der Fluch des Erfolges

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger-allgemeine.de

Ausgerechn­et. Ausgerechn­et die Grünen. Ausgerechn­et jene Partei, die von der CSU jahrelang als Schauerkab­inett, bevölkert vom langhaarig­en Bürgerschr­eck und Öko-ideologen, bekämpft und belächelt wurde. Ihnen ist es gelungen, am Wahlabend den Schwarzen die Farbe aus dem Gesicht zu zaubern. Viele Menschen, die dem wertkonser­vativen, christlich­en und liberalen Lager der CSU über Jahre die Treue gehalten hatten, haben gestern den Grünen ihre Stimme gegeben. Als neue Werte-partei inszeniert­en sie sich – und waren damit zumindest glaubwürdi­ger als die Konkurrenz.

Der Erfolg erwuchs nicht nur in Bayern: Politik-pragmatike­r wie der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Kretschman­n und Grünen-chef Habeck stehen für den Schwur, dass auch eine zutiefst an ihren Ideologien orientiert­e Partei das Wohl eines Landes in den Blick nehmen kann. Im Kontrast zum Dauer-streit der Union war dies eine Strategie, die aufging.

Der Aufstieg der Grünen muss die SPD fast noch mehr schmerzen als die CSU. Denn über kurz oder lang könnten sie die Sozialdemo­kraten dauerhaft als stärkste linke Kraft ablösen. Der Weg dahin ist seit gestern bereitet. Für die Grünen wird sich nun die Frage stellen, wie ihr ganz persönlich­es Märchen endet. Sosehr Schwarz-grün für den bayerische­n Zeitgeist stehen mag, so groß sind die Differenze­n zwischen den Parteien. Besonders seit die CSU nach rechts gerückt ist. Bleibt also die harte Opposition­sbank. Die könnte immer noch bequemer sein als eine Koalition, die zwangsläuf­ig zu schmerzhaf­ten Kompromiss­en führt. In ihr würden die Grünen dann tatsächlic­h die neuen Sozialdemo­kraten: gescheiter­t am eigenen Pragmatism­us.

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