Der Fluch des Erfolges
Ausgerechnet. Ausgerechnet die Grünen. Ausgerechnet jene Partei, die von der CSU jahrelang als Schauerkabinett, bevölkert vom langhaarigen Bürgerschreck und Öko-ideologen, bekämpft und belächelt wurde. Ihnen ist es gelungen, am Wahlabend den Schwarzen die Farbe aus dem Gesicht zu zaubern. Viele Menschen, die dem wertkonservativen, christlichen und liberalen Lager der CSU über Jahre die Treue gehalten hatten, haben gestern den Grünen ihre Stimme gegeben. Als neue Werte-partei inszenierten sie sich – und waren damit zumindest glaubwürdiger als die Konkurrenz.
Der Erfolg erwuchs nicht nur in Bayern: Politik-pragmatiker wie der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann und Grünen-chef Habeck stehen für den Schwur, dass auch eine zutiefst an ihren Ideologien orientierte Partei das Wohl eines Landes in den Blick nehmen kann. Im Kontrast zum Dauer-streit der Union war dies eine Strategie, die aufging.
Der Aufstieg der Grünen muss die SPD fast noch mehr schmerzen als die CSU. Denn über kurz oder lang könnten sie die Sozialdemokraten dauerhaft als stärkste linke Kraft ablösen. Der Weg dahin ist seit gestern bereitet. Für die Grünen wird sich nun die Frage stellen, wie ihr ganz persönliches Märchen endet. Sosehr Schwarz-grün für den bayerischen Zeitgeist stehen mag, so groß sind die Differenzen zwischen den Parteien. Besonders seit die CSU nach rechts gerückt ist. Bleibt also die harte Oppositionsbank. Die könnte immer noch bequemer sein als eine Koalition, die zwangsläufig zu schmerzhaften Kompromissen führt. In ihr würden die Grünen dann tatsächlich die neuen Sozialdemokraten: gescheitert am eigenen Pragmatismus.