Koenigsbrunner Zeitung

Historisch­e Schmach

Die bayerische­n Sozialdemo­kraten haben ihr Wahlergebn­is mehr als halbiert – und stellen jetzt ihr komplettes Spitzenper­sonal infrage

- VON HENRY STERN (mit dpa)

München Auf die Frage, wie die Wahl für seine Partei denn wohl ausgehen werde, sagte der österreich­ische Sozialdemo­krat Hannes Androsch einst entwaffnen­d offen: „Wenn es gut läuft, schlecht. Wenn es schlecht läuft, sehr schlecht.“

Vor fünf Jahren hatte die Bayernspd lange von der Regierungs­übernahme in einem Bündnis mit Grünen und Freien Wählern geträumt – und das Wahlergebn­is von 20,6 Prozent deshalb als enttäusche­nd empfunden. Der damalige Spitzenkan­didat Christian Ude hatte hinterher allerdings gemosert, die Genossen würden früher oder später schon noch erkennen, „wie gut dieses Ergebnis war“, das er da eingefahre­n hatte. Nun, da die bayerische SPD das Ude-resultat mehr als halbiert hat, dürfte sich der frühere Münchner Oberbürger­meister bestätigt fühlen. Mit dem Resultat vom Sonntag ist der Landesverb­and Bayern der schwächste hinter Sachsenanh­alt, Sachsen und Thüringen.

Schmerzhaf­te Einbußen hatte man in der SPD zwar schon länger erwartet. Doch ein Absturz bis in den einstellig­en Prozentber­eich ist noch einmal etwas völlig anderes: „Es tut unglaublic­h weh, was wir heute erlebt haben“, sagte die bayerische Spd-chefin Natascha Kohnen im Landtag. „Das ist eine echt schwere Stunde.“Früh schon lag die Bayern-spd am Wahlabend unter der Zehn-prozent-marke. Im Freistaat ist sie damit hinter CSU, Grünen, Freien Wählern und AFD nur noch fünftstärk­ste Kraft.

Wie Ministerpr­äsident

Markus Söder von der CSU reichte auch seine Kontrahent­in Kohnen, im Zweitberuf stellvertr­etende Vorsitzend­e der Bundes-spd, die Hauptveran­twortung für den Absturz nach Berlin weiter: „Rückenwind hatten wir nicht“, befand sie knapp. „Das wird ein langer, harter Weg, um uns da wieder herauszuar­beiten“, prophezeit­e sie. Sie habe gespürt, dass viele Menschen „unglaublic­he Skepsis“zur Sozialdemo­kratie hätten. Es gehe nun darum, den Glauben an die SPD wieder herzustell­en. Persönlich­e Konsequenz­en zog allerdings auch die Spitzenkan­didatin Kohnen vorerst nicht: Man müsse zunächst in der Partei „gemeinsam analysiere­n“, welche Fehler gemacht wurden, sagte sie. Allerdings sehen auch viele Genossen den Grund für den Einbruch auch in einem mitunter als zu düster und belehrend empfundene­n Wahlkampf in Bayern: „Unser Angebot ist schlicht nicht angekommen“, sagte etwa der Münchner SPD-VIZE Florian von Brunn. Notwendige Konsequenz aus dem Ergebnis sei aus seiner Sicht ein schneller Rücktritt der gesamten Parteispit­ze: „Wir müssen uns vor unsere Mitglieder stellen und nichts schönreden“, forderte er. Auch Ude verlangte Konsequenz­en: „Einen freien Fall kann man nicht aussitzen“, sagte er.

Im Wahlkampf war Kohnen weitgehend auf verlorenem Posten. Zwar setzte die 50-Jährige eines der zentralen Themen des Wahlkampfs, indem sie schon früh Wohnungsno­t in den Mittelpunk­t ihrer Kampagne stellte. Als stärkster Kontrahent der CSU wahrgenomm­en wurden aber dennoch die Grünen.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Am Boden: Spd-spitzenkan­didatin Natascha Kohnen.

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