Koenigsbrunner Zeitung

Da liegt doch was in der Luft

Tv-kritik Um Punkt 18 Uhr bebte Bayern und sofort muss manches auf den Prüfstand. So verlief der Wahlabend vorm Fernsehger­ät

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg Für das BR Fernsehen, das als erster großer Sender seinen Wahlberich­terstattun­gs-marathon am Sonntag bereits um 17.15 Uhr beginnt, „liegt was in der Luft“. Um diese Zeit ist allerdings offenbar nicht ganz klar, was. Und so fragt Moderator Stefan Scheider um 17.21 Uhr bei einer Schalte nach Augsburg: „Was liegt denn bei euch so in der Luft?“Um 17.27 Uhr wiederholt er die Frage. Ein „politische­s Erdbeben“, ist natürlich die einzig denkbare Tv-wahlberich­terstattun­gs-antwort. Sie kommt pünktlich zur ersten Prognose im

Ersten von Jörg Schönenbor­n, dem Mann der Zahlen in der ARD. Der spricht um 18 Uhr von einem „politische­n Erdbeben in Bayern“.

Titanic-satiriker Moritz Hürtgen hatte am Vormittag Journalist­en via Twitter „ein paar gute Formulieru­ngen“empfohlen: „Bayernbebe­n“, „freier Fall im Freistaat“, „der Csuntergan­g“. Das Beben und der freie Fall sind schon in den ersten Minuten nach 18 Uhr zu hören. Bis 18.12 Uhr sind die anderen Tvwahlberi­chterstatt­ungs-floskeln gefallen: Prüfstand, Vertrauen, Konsequenz­en, Signal.

Moderatore­n, Reporter, Politiker blühen richtig auf im Polit-phrasendre­schen. Oder wie es Stefan Scheider formuliert­e, als er eine knappe Stunde zuvor Zuschauern das Netz der über Bayern verteilten Brteams

ans Herz legte: „Wir haben ein Netzwerk gestrickt, das bringen wir zum Blühen.“

Eher ums Verblühen geht es gegen 18.45 Uhr im Nachrichte­nsender n-tv. Das Interview mit Spdspitzen­kandidatin Natascha Kohnen gleicht einer Gesprächst­herapie. Die Moderatori­n fragt: „Wie bitter ist das für Sie?“. Oder: „Was löst das in Ihnen aus?“Am Ende wünscht sie Kohnen „Alles Gute!“. Ab 20.15 Uhr zeigt n-tv dann die australisc­htschechis­che Doku-reihe „Schicksalh­afte Katastroph­en“über Vulkane, Erdbeben, Mega-winde, die im Originalti­tel „Desperate Hours“heißt. Verzweifel­te Stunden.

Aber nicht nur bei n-tv scheinen Programmpl­aner mit bitterböse­m Humor zu arbeiten: Vox sendet um 18.15 Uhr „Ab in die Ruine!“. Auch bundespoli­tisch bröckelt so einiges, glaubt man Cicero-chefredakt­eur

Christoph Schwennick­e. Im öffentlich-rechtliche­n Ereigniska­nal Phoenix sagt er das baldige politische Ende von gleich drei Parteichef­s voraus: Horst Seehofer (CSU), Andrea Nahles (SPD) und Angela Merkel (CDU). Kurze Zeit später, um 19.30 Uhr, beendet das ZDF seine Wahlberich­terstattun­gs-sondersend­ungen und stellt in „Terra X“den Kriminalpo­lizisten Ernst Gennat vor, der als erster Fallanalyt­iker des Landes, neudeutsch Profiler, gilt und gerade im Ard-zwanziger-jahreepos „Babylon Berlin“eine Rolle spielt. Bis tief in die Nacht analysiere­n die Profiler des Politikbet­riebs noch die Landtagswa­hl, bei „Anne Will“oder in der „Münchner Runde extra“. Mancher fragt, fast enttäuscht, ob es denn keine Rücktritte gebe? Csu-kenner Professor Heinrich Oberreuter sagt schon zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale: eher nicht. Aber wer weiß – vielleicht liegt ja was in der Luft?

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Foto: dpa Moderator Christian Nitsche (Mitte) mit Politikern im Ard-wahlstudio.

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