Wohnen in Sisis Kinderstube
Immobilien Die Geschichte der einstigen Kaiserin von Österreich entzückt noch heute Millionen Menschen. Wer genug Geld hat, kann nun in einen exklusiven Genuss kommen
Possenhofen Die einen nehmen Reißaus, die anderen geraten augenblicklich in Verzückung, sobald der Name fällt: Sisi. Die junge Kaiserin. Ihr Franzl. Hach, zum Dahinschmachten! Dabei ist es weniger Elisabeth von Österreich-ungarn selbst, die noch 120 Jahre nach ihrem Tod so die Gemüter erregt. Vielmehr sind es die drei Filme aus den 50er Jahren, in denen Romy Schneider und Karlheinz Böhm eine der wohl berühmtesten Liebesgeschichten der Welt erzählen – so herzzerreißend wie kitschig zugleich. Jedes Jahr locken die Wiederholungen wieder Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Sisi zieht. Immer noch.
Echte Fans dürften daher auch ins Schwärmen geraten, wenn sie erfahren, dass Immobilienmakler derzeit eine Wohnung in Schloss Possenhofen am Starnberger See zum Verkauf anbieten. Ja, genau: Das Schloss, in dem die junge Sisi einige Jahre ihrer Kindheit verbracht hat. Auch in den Filmen spielt das Schloss eine Rolle – gleich in den ersten Minuten der Trilogie, als Sisis Vater, Herzog Max Joseph in Bayern, unter lautem Geschrei seiner Kinderschar beim Angeln einen Fisch aus dem See zieht. Wenig später reitet dann Sisi ins Bild. Mit rotem Kleid und dem prächtigen Schloss im Hintergrund. Das Problem: Es handelt sich dabei gar nicht um das echte Schloss Possenhofen. Für den Film musste Schloss Fuschl bei Salzburg als Kulisse herhalten – obwohl das bei genauer Betrachtung dem Starnberger Vorbild nur bedingt ähnlich sieht. „Sissi“-regisseur Ernst Marischka soll das Original nicht romantisch genug gewesen sein.
Die nun zum Verkauf stehende Erdgeschosswohnung befindet sich aber tatsächlich im wahrhaftigen Schloss Possenhofen, wenn auch nicht im prachtvollen und 1536 erbauten Teil mit seinen vier charakteristischen Zinnentürmen, sondern im angrenzenden und um 1840 erbauten „Hufeisenbau“. Der Exklusivität der Immobilie tut das keinen Abbruch. Für 3,85 Millionen Euro kann der Käufer in über 220 Quadratmetern verteilte Zimmer einziehen. Edles Fischgrätenparkett, mehr als drei Meter hohe Räume und Bäder mit steinmetzgefertigtem Marmor dürften etwas kaiserlichen Charme versprühen.
Dabei soll Sisi in der von Herzog Max einst für 45 000 Gulden gekauften Sommerresidenz eher wenig majestätisch gelebt haben. Erzählungen zufolge ging es bei den Aufenthalten im von Sisi als „geliebtes Possi“bezeichneten Schloss mitunter drunter und drüber zu. Der jungen Elisabeth sollen Ausritte mit ihrem Pferd oder Bootsfahrten auf dem Starnberger See deutlich wichtiger gewesen sein als das Erlernen höfischer Verhaltensweisen. Ab und an seien Tiere aus dem Park – dort lebten unter anderem Hühner, Hirsche, Schafe und vieles mehr – durch die Balkontüre in die Wohnung gestapft. Und die Bediensteten hätten bei der Ankunft der Familie oftmals darauf verzichtet, die schützenden Leinentücher von Möbeln und Kronleuchtern zu nehmen, damit kein Schaden angerichtet wird.
Zwar ist die Verbindung zur früheren Kaiserin von Österreich sicherlich das prominenteste Kapitel in der Geschichte von Schloss Possenhofen, bei weitem aber nicht das einzige. So wurde das Gebäude im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstört und danach wieder neu aufgebaut. Nach dem Kauf durch Herzog Max Joseph in Bayern im Jahr 1836 blieb Possenhofen fast 100 Jahre lang im Besitz der herzoglichen Familie. Sie erweiterte das Schloss mit den Türmen um eine Kapelle und den Hufeisenbau. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss an die Ns-volkswohlfahrt verkauft und für die Sanitätsausbildung der Luftwaffe genutzt, später als Lazarett, Versorgungskrankenhaus und Fabrik für Fahrrad-hilfsmotoren.
Im Laufe der Jahre verwahrloste das einst so prächtige Schloss zusehends. Als es der Münchner Künstler Franz Eckehard Schilke im Jahr 1981 kaufte, drohten viele der von Pilz befallenen Mauern einzustürzen. Daraufhin wurde das Schloss restauriert und die Räume in Eigentumswohnungen verwandelt. In diesem Zug wurde auch das frühere Privatufer am Starnberger See öffentlich zugänglich gemacht. Das Schloss selbst ist – anders als zum Beispiel das ebenfalls als Sisi-schloss bezeichnete Wasserschloss in Aichach, in dem regelmäßig Ausstellungen stattfinden – für die Öffentlichkeit gesperrt. Fans können nur von außen einen Blick auf Sisis „Kinderzimmer“werfen. Wer genug Geld auf dem Konto hat, darf einziehen.