Wie Blinde Fußball spielen Seite
Unter dem Motto „Mit anderen Augen“wird den Schülern am Leonhard-wagner-gymnasium gezeigt, was Blindheit bedeutet. Welche Rolle ein Co-nationaltrainer dabei spielt und warum ein Bastvorhang erschreckt
Schwabmünchen Als Teamleiterin Carolin Moch von der Christoffel Blindenmission das Erlebnismobil vorstellt, ist es noch ganz ruhig im großen Mehrzweckraum des Leonhard-wagner-gymnasiums. Die Ruhe wechselt schlagartig in ein Raunen, als sich Enrico Göbel, ehemaliger Nationaltorwart der deutschen Blindenfußball-nationalmannschaft und heutiger Co-trainer des Teams, vorstellt. Geschickt, mit einigen kleinen Übungen versehen, führt der Sportler die Schüler in den Blindensport ein. „Richtig, beim Blindenfußball muss es, bis auf die Worte der Spieler und der sogenannten „guides“(Führer), ruhig sein, damit das Rasseln des Balls hörbar ist“, lobt er die Antwort einer Schülerin, die die Lautstärke als Haupthemmnis im Umgang mit Ball und Mitspielern identifiziert. „Bei Spielen muss deshalb das Publikum ruhig sein. Nur Torjubel ist erlaubt“, sagt Göbel, der bei der Europameisterschaft 2013 das deutsche Tor hütete.
Das Spielgerät ist etwas schwerer als ein normaler Ball, eingenähte Metallplättchen und Kugeln sorgen für das Geräusch. Seine Sprungfähigkeit ist reduziert. Sichtlich beeindruckt verfolgen die Kinder die Ausführungen über das Spielgeschehen auf dem 20 mal 40 Meter großen Spielfeld. „Das wichtigste Wort im Blindenfußball ist voy“, erklärt Göbel. Es stamme aus dem Spanischen und bedeute „Ich komme/gehe“. Im Abstand von 3 Metern zum ballführenden Spieler, der durch den Ball akustisch wahrgenommen werden könne, müsse dies vom Gegenspieler klar vernehmlich gesagt werden. Diese Regel, in Verbindung mit den Anweisungen des Trainers am Spielfeldrand und des Guides hinter dem gegnerischen Tor, ermögliche den vier blinden Feldspielern und dem sehenden Torwart eine Orientierung.
Schnell begreifen die Kinder, dass trotz der Einschränkungen der Fußball eine Sportart für Blinde ist. „In Deutschland gibt es eine Bundesliga, ein Deutscher Meister wird ermittelt, Europa- und Weltmeisterschaften werden veranstaltet“, erläutert der Trainer. „Der sehende Torwart steuert durch Anweisungen die Abwehr, Geschick und Reaktionsschnelligkeit müssen sehr hoch sein, da er seinen Zwei-meterraum vor dem Tor nicht verlassen darf“, erzählt Göbel weiter. Spannend wird es für die Schulangehöri- gen beim Sechsmeter-schießen, ähnlich dem Elfmeterstrafstoß im Fußball Sehender. Die Augen wieder mit Schlafmasken verdeckt haben die Jung-fußballer die Aufgabe, ein Tor zu treffen, wobei sie im Vorfeld akustische Signale durch Klopfen auf rechten und linken Torpfosten bekommen. „Das ist ja verdammt schwer, das leere Tor zu treffen“, hört man aus Reihen der Schüler. „Unsere Spieler können das perfekt. So wurde beispielsweise ein Treffer von Serdal Celebi vom FC St. Pauli sogar als Tor des Monats gekürt“, berichtet Göbel. Der Torschütze kann jedoch nie seinen tollen Abschuss sehen, fügt er hinzu.
Währenddessen macht im Erleb- eine Schülergruppe andere Erfahrungen. Der 68-jährige Ottfried „Otis“Sannemann führt sie in das Krankheitsbild des „Grauen Stars“(Katarakt) und die damit verbundenen Probleme ein. „Diese Trübung der Augenlinse führt so zum Sehverlust, dass im späten Stadium nur noch schwache Schattierungen wahrgenommen werden können“, erläutert er. Ausgestattet mit Simulationsbrille, die das Gesichtsfeld eingraut, und langem Taststock, bewegen sich die Kinder anschließend durch die zehn Meter lange Teststrecke im Erlebnismobil. „Diejenigen, die vorher am lautesten reden, sind im Parcours die Ruhigsten“, kommentiert Sannemann seine jahrelangen Beobachtungen. Vorsichtig umgehen die Probanden eine Mülltonne, unterschiedliche Bodenbeläge bremsen oder beschleunigen das Gehen, leichte Steigungen oder Gefälle verunsichern. Kleine Treppenstufen führen fast zu Stürzen, ein Gitterrost irritiert im Weg, ein Bastvorhang erschreckt sichtlich, als dieser langsam über das Gesicht streicht. Nach Verlassen des Erlebnismobil, ist der Geräuschpegel deutlich geringer. Nachdenklichkeit ist in den Gesichtern der Kinder sichtbar. „Damit ihr wisst, was euch beim Gehen behindert hat, gehen wir alle sehenden Auges durch den Parcours“, sagt Sannemann. Das Erstaunen und die Benismobil troffenheit scheinen nach dem zweiten Rundgang noch intensiver.
„Da wir eine inklusive Schule sind, ist es uns ein Anliegen, die Schülerinnen und Schüler in diesem Themenbereich zu sensibilisieren“, sagt Marianne Mayer, Mitglied der Schulleitung. Das Inklusionsteam, dem neben ihr noch Lehrerin Pamela Göttler und Schulpsychologin Bettina Schaumann angehören, hätten in der Vergangenheit schon mit der Christoffel Blindenmission zusammengearbeitet. „Es freut mich sehr, dass das Engagement des Christoffel-teams hier bei uns auf fruchtbaren Boden fällt“, sagt sie mit einem Blick auf die mit dem rasselnden Ball spielenden Kinder.