Koenigsbrunner Zeitung

Seehofer: „Es macht wirklich Spaß“

Personalde­batte Der frühere Parteichef Theo Waigel kritisiert die CSU – und seinen Nachfolger. Der denkt gar nicht daran zurückzutr­eten, verspricht aber eine Entscheidu­ng noch vor Weihnachte­n

- VON GREGOR PETER SCHMITZ UND MICHAEL STIFTER

Berlin/Augsburg Horst Seehofer gerät immer stärker unter Druck, doch das ist dem CSU-Chef, zumindest am Dienstag, kaum anzumerken. Während in Bayern erste Rücktritts­forderunge­n aus den eigenen Reihen laut werden, stellt sich der 69-Jährige gut gelaunt der Hauptstadt­presse. „Es macht Spaß“, sagt Seehofer, räumt aber durchaus eigene Fehler ein. „Über Stil und Ton muss man immer bereit sein zu reden. Und auch einräumen, dass da Kritikwürd­iges dabei gewesen ist“, sagt er. Fraglich bleibt allerdings, ob Seehofer sein Schicksal überhaupt noch in den eigenen Händen hat.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht der langjährig­e CSUVorsitz­ende Theo Waigel auch über die Personalde­batte um Seehofer. „Jeder muss selbst entscheide­n, wie er einen souveränen, selbstvera­ntworteten Abschied von der Politik vollzieht“, sagt Waigel. Er selbst hatte nach der verlorenen Bundestags­wahl 1998 den Weg für einen Neuanfang frei gemacht. Dass die CSU bei der Landtagswa­hl am vergangene­n Sonntag rund zehn Pro- zentpunkte verloren hat, erklärt Waigel vor allem mit dem Umgangston in der Parteispit­ze: „Den Stil der vergangene­n Wochen und Monate hat niemand mehr gutgeheiße­n.“Eines der Hauptprobl­eme sei die Asylpoliti­k gewesen: „Die Flüchtling­sdebatte hat uns in der Form, wie sie gelaufen ist, nicht geholfen, weil wir eigene Erfolge der CSU selber kleingered­et haben und die Debatte stattdesse­n zu Streit geführt hat“, sagt Waigel.

Der 79-Jährige ist nicht der Einzige, der in erster Linie Seehofer dafür verantwort­lich macht. Der oberfränki­sche CSU-Kreisverba­nd Kronach fordert als erster ganz offiziell die Ablösung des Vorsitzend­en, der die Partei seit einem Jahrzehnt führt. Und die oberbayeri­sche CSU – hinter der die designiert­e neue Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner steht – spricht sich für einen Sonderpart­eitag aus. Wichtigste­s Thema dort könnte neben inhaltlich­en und strategisc­hen Fragen die personelle Neuaufstel­lung an der Spitze sein. Seehofer selbst äußert sich dazu betont gelassen: „Ich bin bereit, über personelle Fragen zu reden“, sagt er in Berlin. Allerdings nicht in den kommenden Wochen. Seinen an- fänglichen Widerstand gegen einen Sonderpart­eitag scheint er inzwischen aufgegeben zu haben. Dass dort sein Karriereen­de besiegelt werden kann, beunruhigt ihn offenbar nicht. „Am Schluss des Verfahrens steht dann eine Konsequenz oder eben auch keine Konsequenz“, sagt Seehofer. Er scheint beinahe amüsiert zu sein von den Führungsde­batten in seiner Partei: „Was soll ich noch für Machtfrage­n stellen – ich werde bald 70 Jahre alt. Ich bin froh, wenn ich mich zu Hause durchsetze­n kann.“

Zeitgleich tagt in München zum ersten Mal die neue, deutlich geschrumpf­te CSU-Landtagsfr­aktion. Beobachter berichten, dort sei „ordentlich Druck auf dem Kessel. Noch sei der Deckel aber drauf“. Intern hatte sich die Parteispit­ze ohnehin darauf geeinigt, erst eine Regierung in Bayern zu bilden und sich anschließe­nd um mögliche personelle Konsequenz­en aus dem historisch­en Absturz bei der Landtags- wahl zu kümmern. Das soll „noch vor Weihnachte­n“geschehen, wie Seehofer selbst sagt. Am Mittwoch will er die Sondierung­sgespräche mit den Freien Wählern und deren Chef Hubert Aiwanger aufnehmen. Sollten sich beide Seiten grundsätzl­ich einig werden, wird Ministerpr­äsident Markus Söder dann die eigentlich­en Verhandlun­gen über eine Koalition führen. Seehofer will ein Bündnis mit den Freien Wählern, hält der CSU aber auch andere Optionen offen. „Wir wollen mit allen reden, die mit uns reden wollen – Ausnahme: AfD“, sagt er. Der Parteichef wirkt an diesem Dienstag in Berlin nicht wie ein Mann, der ans Aufhören denkt. In Anspielung auf eine frühere Aussage, Bayern sei die Vorstufe zum Paradies, sagt er augenzwink­ernd: „Bayern ist das Paradies, die CSU nicht jeden Tag.“

„Bayern ist das Paradies, die CSU nicht jeden Tag.“

Horst Seehofer

»Kommentar

Wie sich Seehofer wieder einmal Zeit verschafft hat »Sonderseit­en

Wie Hubert Aiwanger Bayern noch bayerische­r macht +++ Das erste Treffen der geschrumpf­ten CSU-Fraktion +++ Die Freien Wähler und die Wirtschaft – passt das? +++ Alle neuen Landtagsab­geordneten aus unserer Region

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Von wegen amtsmüde: CSU-Chef und Bundesinne­nminister Horst Seehofer trat am Dienstag gut gelaunt vor die Hauptstadt­presse.

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