Die CSU formiert sich
Landespolitik In ihrer ersten Sitzung nach der Wahl stellt die neue, deutlich geschrumpfte Landtagsfraktion erste Weichen. Drei entscheidende Ämter sind schon vergeben. Und klar ist auch: Parteichef Seehofer hat in München keine guten Karten mehr
München Während CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin um sein politisches Überleben kämpft, stellen Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer in München die Weichen für die erste schwarz-orange Staatsregierung in Bayern. Beide ließen nach der ersten Fraktionssitzung der CSU im neuen Landtag eine eindeutige Präferenz für ein Bündnis mit den Freien Wählern erkennen. Erste Sondierungsgespräche, an denen auch Parteichef Seehofer teilnehmen wird, finden bereits heute statt. Auch mit den Grünen wird die CSU-Spitze schon heute reden. Ob es zu Sondierungsgesprächen mit der SPD kommt, ist dagegen offen. Die Sozialdemokraten ließen wissen, dass sie frühestens am Sonntag gesprächsbereit sind. Da könnte sich die CSU mit den Freien Wählern aber schon darüber einig sein, formelle Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Die Federführung der Koalitionsverhandlungen soll in der CSU dann bei Söder liegen.
In der von 101 auf 85 Abgeordnete geschrumpften CSU-Landtagsfraktion wurden am Dienstag bereits drei grundlegende personelle Festlegungen getroffen. Der Allgäuer Thomas Kreuzer wurde mit 77 von 82 Stimmen im Amt des Frakti- bestätigt. Söder wurde einhellig als Kandidat der CSU für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert. Bauministerin Ilse Aigner soll nach dem – ebenfalls einhelligen – Willen der CSU-Abgeordneten das Amt der Landtagspräsidentin übernehmen. Ihre Vorgängerin in diesem Amt, die 73-jährige Würzburger CSU-Politikerin Barbara Stamm, die als Listenkandidatin den Sprung in den Landtag nicht mehr geschafft hat, wurde von ihren Parteifreunden mit einem Blumenstrauß und lang anhaltenden Ovationen verabschiedet.
Überschattet war die erste Sitzung der neu gewählten CSUFraktion von den Debatten über Parteichef Seehofer. Anders als die CSU-Spitze drängt die Parteibasis auf eine Entscheidung. Der CSU-Kreisverband Kronach hatte am späten Montagabend als erster Parteiverband offen Seehofers Ablösung verlangt. Nach der Regierungsbildung „wollen wir einen Parteitag mit dem Ziel der personellen Erneuerung und mit dem Ziel, Horst Seehofer abzulösen“, sagte der Kreisvorsitzende und Stimmkreisabgeordnete Jürgen Baumgärtner gestern im Landtag. „Horst Seehofer ist der Parteivorsitzende. Er trägt die Hauptverantwortung, wer sonst.“Kurz darauf forderte dann auch die CSU im Kreis Passau den Rücktritt Seehofers und von Generalsekretär Markus Blume. Personelle Konsequenzen seien „für eine Änderung der Parteistruktur notwendig“, sagte Kreischef Raimund Kneidinger der Passauer Neuen Presse.
Die Stimmung unter den CSUonsvorsitzenden Politikern im Landtag ist nach den herben Verlusten bei der Landtagswahl offenbar eindeutig. Ein niederbayerischer Abgeordneter sagte unserer Zeitung: „Wir können mit Horst Seehofer nicht weitermachen, sonst gehen wir unter.“Andere machten deutlich, dass sie keine Einmischung Seehofers in die Landespolitik mehr wollen. Die Gespräche über eine Regierungsbildung in München seien die Sache des Ministerpräsidenten.
In der CSU-Fraktion besteht offenbar Einigkeit darüber, die fällige Personaldebatte über Seehofer erst nach der Regierungsbildung in Bayern zu führen. Für Beruhigung unter den Abgeordneten sorgte unter anderem die Vereinbarung in der Parteiführung, Seehofer zwar noch in die Sondierungsgespräche, nicht aber in die darauf folgenden Koalitionsverhandlungen in München einzubinden. Auch die Aussicht auf einen CSU-Sonderparteitag, wie er zuerst vom Bezirksverband Oberbayern gefordert wurde, entspannte die Situation etwas.
Kreuzer und Söder betonten, dass sie sich in den kommenden Wochen ausschließlich auf die Bildung einer stabilen Regierung konzentrieren wollen. „Unser Kernversprechen war Stabilität für Bayern. Dieses Versprechen wollen wir einhalten“, sagte Söder. Klarer Favorit der CSU sind die Freien Wähler. Mit ihnen sei seine Partei „deutlich näher beieinander“, von der Programmatik der Grünen sei die CSU dagegen „denkbar weit entfernt“.
Fragen nach der Zukunft des CSU-Vorsitzenden blockten der Ministerpräsident und der CSUFraktionschef ab. Seehofer hatte bei seinem Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin gesagt, er hätte in der Vergangenheit bereits dreimal seinen Rücktritt als Parteichef angeboten. Ob er sich das erklären kann, wurde Söder gefragt. Seine Antwort: „Nein, das kann ich mir nicht erklären.“Und er fügte hinzu: „Ich habe mir im letzten Jahr alle Mühe gegeben, das Land zusammenzuhalten. Das tue ich weiterhin.“Die Idee, einen Sonderparteitag einzuberufen, halte er für richtig, sagte Söder. Kreuzer stellte klar, dass niemand in der Fraktion „den Rücktritt von irgendjemand gefordert hat“.