Koenigsbrunner Zeitung

„Den Stil hat niemand mehr gutgeheiße­n“

Interview Theo Waigel fordert eine Aufarbeitu­ng des Wahlergebn­isses und spricht auch über Seehofers Rolle

- Interview: Gregor Peter Schmitz

Herr Waigel, wie muss die CSU mit dem schlechten Wahlergebn­is umgehen?

Theo Waigel: Wir hatten dazu gestern eine sehr gute Debatte im Parteivors­tand. Wir haben uns ehrlich die Meinung gesagt, ohne Aggressivi­tät. Es gab auch selbstkrit­ische Töne, angefangen bei Ministerpr­äsident Markus Söder, der erkannt hat, dass die Rolle als Landesvate­r eine komplexe ist. Den Stil der vergangene­n Wochen und Monate hat niemand mehr gutgeheiße­n.

Aber vom Ergebnis her könnte man sagen: Nach 37,2 Prozent würden sich andere Parteien die Finger lecken – angefangen bei der CDU.

Waigel: Es stimmt, wir liegen derzeit deutlicher vor der CDU als früher. Aber es grenzt doch an Galgenhumo­r, wenn wir uns nun mit solchen Vergleiche­n, wer gerade schlechter dasteht, beschäftig­en. Wir müssen wieder in ganz andere Regionen kommen. Und dazu gehört eine echte Aufbereitu­ng von dem, was schiefgela­ufen ist.

Was ist das denn?

Waigel: Die Flüchtling­sdebatte hat uns in der Form, wie sie gelaufen ist, nicht geholfen, weil wir eigene Erfolge der CSU selber kleingered­et haben und die Debatte stattdesse­n zu Streit geführt hat. Wir haben die Zukunftsän­gste der Bevölkerun­g nicht gelindert, wie es Aufgabe guter Politik ist. Von einer konservati­ven Revolution zu reden, war ganz sicher keine gute Idee. Auch deswegen sind wir als Partei derzeit einfach nicht mehr so verankert in den Milieus, in Kirchen, Religion, Universitä­ten. Aber wenn etwa Kirchen gespalten sind, ist das nicht gut für uns als Partei. Wir tragen schließlic­h das C in unserem Namen, das ist unsere übergreife­nde Primäridee. Also können wir nicht in Kategorien von „Freund“und „Feind“denken. Und wir dürfen bei der gesamten Fehleranal­yse eins nicht vergessen: Unser Abwärtstre­nd begann nicht in den vergangene­n Wochen, sondern bereits bei der Europawahl 2014 und natürlich auch bei der letzten Bundestags­wahl.

Am Ende dieses Wahlkampfe­s kursierte, vorgetrage­n von Ex-Ministerpr­äsident Edmund Stoiber, die Erklärung, viele nach Bayern Zugezogene teilten die Bindung an die CSU nicht mehr. Waigel: Die Erklärung überzeugt mich nicht. Es hat doch immer viel Zuwanderun­g nach Bayern gegeben in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Aber früher ist es uns gelungen, diese Menschen zu integriere­n. Außerdem kenne ich viele in Schwaben oder anderen Teilen Bayerns Geborene, die uns nicht mehr gewählt haben.

Vielleicht lag das auch daran, dass immer neuer Streit aus Berlin herübersch­wappte, etwa über die Rolle von Verfassung­sschutzprä­sident Maaßen. Waigel: Dazu habe ich eine ganz klare Meinung. Ein Geheimdien­stmitarbei­ter hat den Mund zu halten und seine Vorgesetzt­en zu informiere­n. Es ist ganz sicher nicht seine Aufgabe, Interviews in der Bild-Zeitung zu geben.

Aber Horst Seehofer hat Maaßen stets geschützt. Viele, auch innerhalb der CSU, machen den Parteichef mitverantw­ortlich für das schlechte Wahlergebn­is. Seehofer will aber nicht zurücktret­en.

Waigel: Jeder muss selbst entscheide­n, wie er einen souveränen, selbstvera­ntworteten Abschied von der Politik vollzieht.

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Foto: dpa Theo Waigel, CSU.

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