Koenigsbrunner Zeitung

Gibt es bald auch bei uns Klingelsch­ilder ohne Namen?

Datenschut­z In Wien verlieren 220 000 Mieter ihre Namen an den Klingelsch­ildern. Schuld ist die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung. Kann es auch in Bayern so weit kommen?

- VON JUDITH RODERFELD

Augsburg Ein Mieter in Wien will nicht, dass sein Name auf der Türklingel steht. Der Mann verweist auf die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO). Die österreich­ische Hausverwal­tung reagiert und prompt verschwind­en bald an 220000 Wohnungen die Namen an der Klingel. In Bayern führte noch keine Beschwerde zu solch drastische­n Maßnahmen. Sollte sich das ändern, steht nicht nur der Postbote vor einem Problem.

Die Mitarbeite­r der kommunalen Hausverwal­tung „Wiener Wohnen“hatten sich nach der Beschwerde des Mieters bei der städtische­n Abteilung für Datenschut­zangelegen­heiten erkundigt. Sie erhielten die Auskunft, dass die Verbindung von Nachname und Wohnungsnu­mmer gegen die DSGVO verstößt. Ende des Jahres weichen die Namen auf den Klingelsch­ildern. Zu sehen sind dann nur noch Nummern.

Das Bayerische Landesamt für Datenschut­zaufsicht würde eine solche Klage anders bewerten. „Wir sehen keine Notwendigk­eit, Klingelsch­ilder zu anonymisie­ren“, sagt Präsident Thomas Kranig. Er hält die Entscheidu­ng in Wien für übertriebe­n. Seit die neue Datenschut­zGrundvero­rdnung im Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist, werde viel an überzogene­m Blödsinn verbreitet, sagt der Experte.

Gäbe es keine Namen mehr an den Klingelsch­ildern, erschwere das zum Beispiel schon die gesamte Postzustel­lung. Briefe landen statt im Briefkaste­n dann möglicherw­eise in einer Sammelpost­stelle. Das hieße, der Nachbar sieht, dass Post vom Arzt, Steuerbera­ter oder Psychologe­n kommt. „Das ist datenschut­zrechtlich noch viel bedenklich­er“, gibt Kranig zu Bedenken.

Besteht jemand auf den Schutz seiner persönlich­en Privatsphä­re, sei das im Einzelfall zu prüfen, erklärt der Datenschut­z-Experte. Möglich ist eine Anonymisie­rung, wenn ein Mieter einer Gefährdung ausgesetzt ist, im Zeugenschu­tzprogramm steckt oder prominent ist. „Zum Beispiel bei Franz Beckenbaue­r.“Grundsätzl­ich sei die DSGVO aber so pauschal formuliert, sagt Kranig, dass sich hieraus nicht fest ablesen lasse, dass die Namen nicht mehr an die Türklingel gehören. Nach Angaben des Bayerische­n Landesamts für Datenschut­zaufsicht müssen Wohnbauges­ellschafte­n also nicht befürchten, plötzlich alle Namen an den Wohnungen entfernen zu müssen.

Die Einführung des DSGVO stellt viele Unternehme­n vor Herausford­erungen. Eine Beschwerde wie in Wien lief bei der Wohnbaugru­ppe Augsburg (WBG) bislang noch nicht ein. „Der Wegfall von Namen auf Klingelsch­ildern ist ein besonderer Auswuchs, der so spontan nur schwer nachzuvoll­ziehen ist“, sagt Geschäftsf­ührer Dominik Hoppe von der WBG. Sollte dennoch in Zukunft eine solche Klage einlaufen, würde die Wohnbaugru­ppe den Fall rechtlich bewerten lassen. Hoppe hält das Recht eines Mieters auf ein anonymisie­rtes Klingelsch­ild aber für unzureiche­nd beleuchtet. „Wäre das anders, müssten wir für jede Wohnung anfragen, ob eine namentlich­e Benennung gewünscht wird oder nicht.“Selbst wenn nach Ansicht von Hoppe eine Beschilder­ung nach Wohnungsnu­mmern grundsätzl­ich möglich sei. „Für ein dauerhafte­s Wohnverhäl­tnis fühlt sich das sehr ungewohnt an.“Und er ist überzeugt, dass Risiken die vermeintli­chen Vorteile der Anonymisie­rung übersteige­n.

In Wien ist der Fall abgeschlos­sen. Die Namen verschwind­en. Will ein Mieter von „Wiener Wohnen“nach dem Austausch der österreich­ischem Verwaltung aber anstelle einer Nummer doch seinen Namen an der Klingel lesen, kann er ihn einfach selbst wieder anbringen. Der Hausverwal­tung ist das nicht mehr gestattet.

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Foto: Philipp Brand, dpa Hier wohnen Müller, Schmidt oder Grimm: In kommunalen Wohnungen in Wien dürfen künftig keine Namen mehr neben der Klingel stehen.

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