Illustratorin der Toleranz
Künstlerkarrieren (33) Daniela Kulot ist eine der erfolgreichsten Kinderbuch-Autorinnen Deutschlands. Auch ihr Bestseller „Krokodil und Giraffe“handelt von gegenseitigem Respekt
Augsburg Ist es Glück, wenn sich ein Kindheitstraum erfüllt? Oder doch eher Beharrlichkeit, Talent und der feste Glaube, das Richtige gefunden zu haben? „Das will ich auch machen!“, war sich Daniela Kulot sicher, als ihre Tante, eine Bibliothekarin, Bilderbuch um Bilderbuch mitbrachte, um die kleine Nichte damit zu erfreuen. Und Kulot ließ sich auch nicht entmutigen, als man ihr später im Studium an der Fachhochschule Augsburg erklärte: „Bilderbücher will hier jeder machen, vergiss es!“
Heute sitzt Daniela Kulot in ihrem Atelier in der Antonspfründe mitten in der Augsburger Altstadt, um sich herum Skizzen, Stifte, Pinsel und vor allem Bücher, die alle von ihr illustriert und größtenteils auch geschrieben worden sind: „Socke und Flocke“, das Debüt; „Nasebohren ist schön“, der Durchbruch; „Krokodil und Giraffe“, der größte Erfolg. Einige dutzend Bilderbücher sind seit 1995 erschienen – nicht nur in Deutschland, sondern in gut 20 Sprachen übersetzt, darunter auch in Chinesisch, Arabisch und Koreanisch. Daniela Kulot, 1966 in Schongau geboren und seit gut 30 Jahren in Augsburg zu Hause, ist eine der erfolgreichsten Kinderbuchillustratorinnen Deutschlands.
Drei Arbeitsplätze hat ihr Atelier: „Der hier ist für die Dreckarbeit“, sagt sie und deutet auf einen Tisch, auf dem Ölkreiden und Kleber verteilt sind und Kleckse davon zeugen, dass es hier auch ein wenig wilder zugehen darf. All die fröhlichen, meist tierischen Figuren mit ihren runden Kulleraugen und den großen Nasen, all die lustigen Geschichten, die nah am Alltag von Kindern sind, entwirft Daniela Kulot dagegen mit einem speziellen Malprogramm an ihrem Computer, der in einer anderen Ecke des Ateliers steht.
Und dann gibt es da noch den Tisch am Fenster. Dort zeichnet Kulot, da muss es sauber sein. Gerade arbeitet sie an der Titelseite für ein Buch, das im Januar nächsten Jahres herauskommen und „Pssst, ein Bär“heißen wird. An der Struktur, die hinter den Lettern des Titels liegt, will sie noch ein wenig arbeiten, erzählt die 52-Jährige. An der Wand hinter ihr hängen schon die fertigen Buchseiten und das Storyboard, in dem sie die Geschichte über Vorurteile in groben Zügen entwickelt hat. Lange habe sie daran getüftelt und das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimme, erinnert sich Kulot an den Entstehungsprozess des neuen Buches. „Dann habe ich die Crew verändert, neue Figuren gefunden, und der Knoten ist geplatzt.“
Herzerfrischende Kinderbuchbilder zeigt Daniela Kulot in ihren Büchern. Farbenfroh und einfach gezeichnet sind die Helden. Sie achte auf klare Formen und nicht zu viel Perspektive, erläutert die Illustratorin. Denn das räumliche Verständnis von kleinen Kindern sei noch nicht entwickelt. Dennoch sind die Bilder nicht eindimensional, überzeugen vielmehr durch viele Details und große Situationskomik. Auch die Geschichten, die sich Kulot ausdenkt, haben es in sich, sind hintergründig, skurril, frech und erzählen davon, dass man sich nichts vormachen lassen soll. Unbeirrbare Charaktere sind das, wie die kleine Anna in „Socke und Flocke“, die sich durch nichts davon abhalten lässt, in ihren heiß geliebten rot gepunkteten Socken Geburtstag zu feiern. Wie das Krokodil und die Giraffe, dieses in fünf Bänden zum Kult gewordene Paar, dessen Größenunterschied das Zusammenleben schwer macht, und das sich mit gegenseitiger Achtung und Liebe darüber hinwegsetzt. Verschiedenheit und Toleranz sind Themen, die sich durch Kulots Bilderbücher wie ein roter Faden ziehen, allerdings nicht in Form des pädagogischen Zeigefingers, sondern über eine Geschichte, in der Kinder diese Botschaft nachvollziehen können.
Es ist aber nicht das Thema, das für Daniela Kulot am Anfang eines neuen Buches steht, sondern die Idee für ein Bild. Spielerisch entwickelt sie daraus Dialoge, denkt über Charakterisierungen nach und überlegt sich, in welche Situationen ihre Helden geraten könnten. Der nasebohrende Elefant führte etwa zu einer herrlichen Geschichte über Verbote, in der mit einem Augenzwinkern die Autorität von Eltern untergraben wird – zur Zeit des Erscheinens in den 90er Jahren durchaus ein Tabubruch. Was dem großen Erfolg freilich keinen Abbruch tat. „Heute haut das keinen mehr vom Hocker“, stellt Daniela Kulot fest.
Bei Übersetzungen in den arabischen Raum hat Kulot hingegen gelegentlich den Eindruck, dass ihre Bücher zu gewagt sind. So wurde bei „Krokodil und Giraffe“eine Zeichnung, in der die beiden zusammen im Bett liegen, einfach ausgetauscht. Zuerst wollte sie sich dagegen wehren, doch dann habe sie erfahren, wie froh viele Araber seien, dass es auch westliche Kinderbücher gebe. „Aber ich muss immer wieder aufpassen, dass enge Moralvorstellungen mich nicht einengen bei meiner Arbeit“, gibt Daniela Kulot zu.
Keine Grenzen jedenfalls spürt sie in ihrer Arbeit als freie Malerin. Einige ihrer großformatigen Bilder hängen ebenfalls an den Wänden ihres Ateliers. „Da kann ich mich austoben, kann mein Innenleben ausdrücken und mehr in die Tiefe gehen“, erzählt sie über diese Arbeiten, die meist in einem Nebenraum ihres Ateliers, dem vierten Arbeitsplatz also, entstehen. Oft sind literarische Texte wie Cees Notebooms „Paradies verloren“der Ausgangspunkt für eine assoziative Annäherung an ein Thema.
Anerkennung und Auszeichnungen bekommt Daniela Kulot dafür im Augsburger Raum. „Hier werde ich vielmehr als Malerin denn als Illustratorin wahrgenommen“, sagt sie, die mit dieser Doppelexistenz ganz gut leben kann. Allerdings wurmt es sie, dass die Illustration in der Kunstszene so oft unterschätzt wird. „In beiden Bereichen wird nichts dem Zufall überlassen, wird bewusst gestaltet.“
Für ihre jungen Leser sind die Bilderbücher oft die erste Begegnung mit Kunst. „Sie fördern Kreativität und Fantasie, weil sie Raum geben, zu träumen und sich eigene Gedanken zu machen“, ist sich Daniela Kulot sicher. Das hat sie schließlich selbst erlebt.
Ihre Bücher überzeugen durch viele Details und große Situationskomik