Koenigsbrunner Zeitung

Muslima und Maria mit Kopftuch

Kulturgesc­hichte Ein meist rechteckig­es Stück Stoff gehört zum Islam wie zum Christentu­m

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Wien Wenn übers Kopftuch gesprochen wird, wird es oft laut und hitzig. Vom Kopftuchve­rbot ist dann die Rede, von der Unterdrück­ung der Frau, gar von der Minderwert­igkeit einer Verhüllten. „Wenn das Wort fällt, befindet man sich sofort in einer Art Kampfzone, weil es sofort mit dem Islam assoziiert wird“, sagt Axel Steinmann, Kurator im Weltmuseum Wien.

Dabei hat das Kopftuch kulturhist­orisch sehr viel mehr erlebt – und ist in vielen Kulturkrei­sen zu Hause. Genau das will das Weltmuseum in Wien mit einer neuen Ausstellun­g zur Geschichte und Verbreitun­g des Kopftuchs verdeutlic­hen. „Bei uns in Europa blickt das Kopftuch auf 2000 Jahre Geschichte zurück und ist eng mit dem Christentu­m verknüpft“, erklärt Steinmann. In der Ausstellun­g, die bis 26. Februar zu sehen ist, wird das vor allem an Gemälden deutlich. Marien-Darstellun­gen kommen so gut wie nie ohne einen Schleier aus.

Dazu kommen Darstellun­gen von Nonnen, Trachten und aktuellen Entwürfen von Modeschöpf­ern, bei denen das Kopftuch wie selbstvers­tändlich dazugehört. Die ausgestell­ten Kopftücher selbst sind schlicht aufgehängt. Aus dem oft mit Bedeutung aufgeladen­en Tuch wird ein simples, meist rechteckig­es Stück Stoff. Es ist der Versuch, ein vorbelaste­tes Symbol kulturelle­r Debatten neutral zu präsentier­en. In einer Zeit, in der in zahlreiche­n europäisch­en Ländern diverse Formen der Verschleie­rung verboten werden, in Österreich sogar über ein Kopftuchve­rbot für Kindergart­enkinder nachgedach­t wird, stürzt sich das Weltmuseum also in eine politische Debatte.

Das ist den Machern der Schau auch bewusst. „Das Kopftuch muss im 21. Jahrhunder­t in einigen Ländern der Europäisch­en Gemeinscha­ft wieder herhalten, um Wahlen zu führen – und erschrecke­nderweise auch noch Wahlen zu gewinnen“, sagt Christian Schicklgru­ber, Direktor des Weltmuseum­s.

Die Schau soll nun den Blick auf das Thema erweitern. Gleichzeit­ig versucht sie, der Debatte über Islam und Migration aus dem Weg zu gehen. Die Muslima mit Kopftuch steht nicht im Mittelpunk­t der Schau, sie ist sogar kaum zu finden. Auslöser für das Projekt war das viel diskutiert­e Verhältnis zwischen Islam und Kopftuch aber sehr wohl.

„In allen Gesellscha­ften wird die Entscheidu­ng, dieses Stück Stoff am Kopf zu tragen oder nicht, von vielen Faktoren bestimmt“, sagt Schicklgru­ber. „Von religiöser Überzeugun­g, kulturelle­n Traditione­n, aber vor allem vom Ausdruck der eigenen Individual­ität.“Auch Männer mit Kopftuch bekommen ihren Platz in der Schau.

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Foto: dpa Neue Art, ein Kopftuch zu tragen. Kreation von Susanne Bisovsky.

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