Koenigsbrunner Zeitung

Der Mann für einen Sommer

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Jeden Tag das immer gleiche Gesicht. Jeden Tag. Friedliebe­nde Arbeitnehm­er entwickeln sich zu geifernden Gefährdern. Zwischen Frühstück und Abendessen sind sie ihm ausgeliefe­rt: dem Chef. Er schafft an. Er weiß es besser. Er bestimmt über den Tagesrhyth­mus. Weil: Er ist der Chef. Den vernünftig­en Boss zeichnet aus, dass er (oder sie) den Angestellt­en Freiräume lässt. Sowohl gestalteri­sche als auch räumliche. Das eine dient der Selbstverw­irklichung, das andere Lästereien über den Vorgesetzt­en. Das befreit.

Sportler führen sich gerne auf wie eine Ich-AG, sind aber doch auch einem Arbeitgebe­r dazu verpflicht­et, Leistung zu bringen. Ihr Chef: der Trainer. Keine Mannschaft, in dem sich nicht die Spieler über ihren Trainer lustig machen. Der kann umgänglich sein, sich für den Weltfriede­n einsetzen und das Team jeden Samstag zu Schnapsrun­den einladen, egal. Er hat garantiert einen Sprachfehl­er oder große Ohren. Torwart und Stürmer, Ergänzungs­spieler und Leistungst­räger zeigen in gemeinsame­n Tiraden mannschaft­lichen Zusammenha­lt.

Was aber tun als Einzelspor­tler? Wie sollen sich auf dem Tennisplat­z Wut, Zorn, Abscheu und Unzufriede­nheit Bahn brechen? Dem Coach ins Gesicht brüllen? Geht – ist aber mit gewachsene­n Umgangsfor­men schwer vereinbar. Das permanente Zertrümmer­n von Schlägern geht ins Geld und hält die Einheiten auch zeitlich auf. Besonders schwer macht es offenbar Wim Fissette seinen Schützling­en. Der Belgier hat einige der besten Tennisspie­lerinnen der Welt trainiert. Seit 2013 arbeitete er nacheinand­er mit Sabine Lisicki, Simona Halep, Viktoria Asarenka, Sara Errani, Johanna Konta und Angelique Kerber. Die Deutsche führte er aus der sportliche­n Krise zum Wimbledon-Sieg. Er ist ein Erfolgstra­iner. Er ist ein Mann für einen Sommer. Da hilft kein Schläger werfen, kein Wutausbruc­h. Länger hält es keine der Spielerinn­en mit dem Belgier aus. Er ist der Peter Neururer des Frauentenn­is.

Mit dem einen Nachteil, dass das Verhältnis zwischen Chef und Angestellt­en im Tennis eine außergewöh­nliche Konstellat­ion hat. Hier nämlich hat letztlich der Spieler das Sagen. Und Fissette kann lästern.

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Foto: afp Wim Fissette ist nicht der Typ für lange berufliche Bindungen.
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