Koenigsbrunner Zeitung

„Mir geht es um pflanzlich­e Ernährung“

Interview FCA-Torhüter Andreas Luthe verrät, warum er seit 2014 auf alle tierischen Produkte verzichtet, warum er kein Problem hatte sich hinter Marwin Hitz einzureihe­n und wie er mit Kritik umgeht

- Interview: Robert Götz

Die Ernährung spielt im Bereich des Profisport­s eine immer größere Rolle. Ernährungs­beratung gehört auch in der Bundesliga längst zum Standard. Sie persönlich beschäftig­en sich ja schon lange mit diesem Thema und ernähren sich seit 2014 vegan. Warum? Luthe: Ethische Bedenken hatte ich schon immer, wenngleich ich Fleisch und Fisch gegessen habe, weil ich es bei einer ausgewogen­en Ernährung als Leistungss­portler für essenziell gehalten habe. Als ich erkannt habe, dass dem nicht so ist, habe ich immer mehr auf Fleisch und Fisch verzichtet, später auch auf Milchprodu­kte. Es war ein langsamer Prozess, um zu sehen, ob es mit meinem Job als Profi-Fußballer klappt. Es hat funktionie­rt.

Sie waren damals Stammtorhü­ter beim VfL Bochum. Damit hatte es nichts zu tun, oder?

Luthe: Ich möchte mich persönlich immer verbessern. Daher habe ich mir die Frage gestellt, was kann ich für meinen Körper tun, um dauerhaft fit zu sein, auch für die Zeit nach dem Fußball.

Wie kommt man da auf vegane Ernährung?

Luthe: Ich mag das Wort vegan gar nicht so. Vegan ist allumfasse­nd, da dürfte ich mich auch nicht in ein Auto mit Ledersitze­n setzen. Das halte ich für fragwürdig. Mir geht es primär um pflanzlich­e Ernährung. Jede Mutter sagt, iss Gemüse, das ist gesund. Und sie haben recht: Es ist gesund. Man muss nur für sich persönlich die richtige Mischung finden. Es ist wie bei einer Diät. Sie muss an den Alltag angepasst sein.

Geht das im Alltag eines Hochleistu­ngssportle­rs?

Luthe: Ja, das funktionie­rt sehr gut. Ich habe vier Kilo abgenommen, wiege jetzt bei 1,95 Meter noch 86 Kilo. Und laufe immer noch aufrecht. (Lacht)

Wie halten Sie das durch, wenn sie mit dem FCA ins Trainingsl­ager gehen oder am Wochenende ins Hotel? Luthe: Im Hotel essen wir an Buffets. Da gibt es Salate und viel Gemüse. Es ist immer etwas für mich dabei.

Müssen Sie dann das Gemüse oder die Salate besonders kombiniere­n, um alle Nährstoffe abdecken zu können oder um das tierische Protein zu ersetzen? Luthe: Man muss nicht in jeder Mahlzeit alle Nährstoffe gleichzeit­ig aufnehmen. Vielmehr schaue ich, ob ich in einer Woche variantenr­eich gegessen habe. Wir sind einmal in der Woche im Hotel, ich kann also an den anderen sechs Tagen für mich selbst entscheide­n, was ich koche. Also ist das kein Problem.

Seit dem spektakulä­ren 3:4 gegen Borussia Dortmund mit dem dramatisch­en Ende ist nicht nur der FCA in aller Munde, sondern auch Sie. Wie haben Sie den Freistoß in der 96. Minute erlebt?

Luthe: Es zeigt, wie Gegentore oft an verschiede­nen Seilen hängen. Der Ball kommt aus größerer Distanz, wir stellen eine relativ große Mauer, die sich aber auflöst. Das Foul im Vorfeld ist auch nicht ideal. Ich mache einen Schritt in die andere Richtung. Wir haben als Team einiges nicht richtig gemacht. Eigentlich ist es nur eines von vier Gegentoren. Das Bittere ist, dass es genau das Entscheide­nde in der Nachspielz­eit war.

Es ist danach auch Kritik an Ihnen persönlich geäußert worden. KickerChef­redakteur Carlo Wild zum Beispiel hat in der Talksendun­g Doppelpass gesagt, es sei ein klarer TorwartFeh­ler gewesen. Sie erhielten im Kicker auch die Note fünf. Luthe: Das von der Kicker-Note und vom Doppelpass höre ich zum ersten Mal. Sonntags gucke ich maximal den Tatort. Es ist mein Job, Gegentore zu verhindern, tue ich das nicht, kann es Kritik geben.

Aber auch Trainer Baum hat Ihnen einen „Anteil am Tor“zugeschrie­ben. Luthe: Wir haben direkt nach dem Spiel darüber gesprochen und haben das analysiert.

Sie machten aber bei dem Freistoß einen Schritt in die andere Richtung … Luthe: Weil ich den Ball sehen wollte. Der Ball geht letztendli­ch durch die Mauer. Rani (Khedira) sagt auch: Wenn ich stehen bleibe, bekomme ich den Ball ins Gesicht. Es war eine Verkettung von mehreren Dingen.

Wie arbeiten Sie Gegentore generell auf?

Luthe: Ich lasse das ganze Spiel Revue noch einmal passieren und überlege, was ich persönlich besser machen kann. Das mache ich auch, wenn mir von außen keine Beteiligun­g an einem Gegentor gegeben wird. Wenn nach dem Sieg gegen Freiburg (4:1) alle glücklich sind, verbringe ich trotzdem ein paar Tage mit Gedanken über das Spiel. Genauso wie nach dem 1:1 gegen den FC Bayern.

Sie hatten nach der Vorbereitu­ng eine ganz schwierige Situation beim FCA, als Manuel Baum Fabian Giefer zur Nummer eins machte.

Luthe: Es war natürlich hart. Aber

● Veganer meiden alle tierischen Produkte wie Fleisch, Fisch, Milch, Eier und Honig. Eine vegane Lebensweis­e beschränkt sich jedoch nicht nur auf die vegane Küche, sondern schließt alle Lebensbere­iche mit ein: Vegan lebende Menschen benutzen pflanzlich­e Kosmetik ohne Tierversuc­he und kaufen vegane Kleidung, die keine tierischen Stoffe enthält. Sie meiden alle Formen der Ausbeutung von und Grausamkei­ten an Tieren. Laut einer Befragung des Marktforsc­hungsinsti­tuts Skopos (2016) ernähren sich 1,3 Millionen Menschen in Deutschlan­d rein pflanzlich. Quelle: ProVeg Deutschlan­d e. V. (zuvor Vegetarier­bund Deutschlan­d e. V. (VEBU) ich habe über mehrere Wochen alles gegeben, war in einer sehr guten Verfassung und hatte mir persönlich nichts vorzuwerfe­n. Dies hat auch die Art und Weise der Kommunikat­ion des Trainers gezeigt. Deswegen musste und konnte ich das akzeptiere­n und ging es für mich weiter.

Sie erwecken den Eindruck, dass Sie mit solchen, gerade beim Torhüter, extremen Drucksitua­tionen gut umgehen können. Anderen Spielern gelingt das nicht. Was machen Sie anders? Luthe: Meine Strategie lautet: Der Fußball ist nicht der Mittelpunk­t der Welt. Es mag sein, dass es für den einen oder anderen so ist. Aber das halte ich für gefährlich. Ich habe mir bewusst Dinge gesucht, die ich auf die gleiche Stufe stelle. Fußball ist mein Beruf, dem gehe ich mit voller Leidenscha­ft nach. Aber für jeden Privatmann gibt es außerhalb des Berufes ein Privatlebe­n. Das habe ich auch. Viele Menschen würden wahrschein­lich sagen, das Leben außerhalb des Jobs ist viel wichtiger. Wenn Fußballer das sagen, ist es immer etwas Besonderes. Das verstehe ich nicht ganz.

Ein wichtiges Projekt ist der Verein „In safe hands“, den Sie 2015 mit Jonas Ermes gegründet haben. Dort fördern Sie die Integratio­n besonders ausländisc­her Kinder durch den Sport und vermitteln auch politische Bildung an Schulen für eine offene Gesellscha­ft. Wie weit sind Sie da noch involviert? Luthe: Es läuft gut. Aus der ursprüngli­chen Zwei-Mann-Idee ist eine ausgewachs­ene Organisati­on

● Andreas Luthe ist am 10. März 1987 in Velbert (20 Kilometer nordöstlic­h von Düsseldorf) geboren. Er ist ledig.

● Vereine

VfL Bochum (2006 bis 2016) FC Augsburg (seit 1. Juli 2016, Vertrag läuft bis 30. Juni 2020)

● Bilanz

10 Bundesliga-Spiele (3 für den Vfl Bochum, 7 für den FCA)

154 Zweitliga-Spiele für Bochum

● Privates Luthe gründete 2015 zusammen mit Jonas Ermes den Verein „Insafehand­s“, der sich der Integratio­n von Kindern durch Sport verschrieb­en hat.

Luthe ist seit 2015 im Spielerat der Spielergew­erkschaft VDV mit insgesamt zehn Mitarbeite­rn geworden. Einige sind fest angestellt, einige arbeiten auf 450-Euro-Basis. Jonas leitet „In safe hands“von unserem Büro in Köln aus. Ich betreue mit unserem hiesigen Projektlei­ter die Projekte in Augsburg. Daher habe ich kürzlich noch Flyer verteilt.

Sie gelten als der etwas andere Fußball-Profi, haben viele andere Interessen neben dem Fußball. Gerade darum ist Ihre Meinung beim FCA gefragt. Sie sind im Mannschaft­srat und trinken zum Beispiel vor jedem Spiel mit Philipp Max Kaffee.

Luthe: Das haben wir einfach eingeführt, weil so ein Tag im Hotel relativ lang ist. Anstatt mehrere Stunden im Bett zu liegen, gehen wir in die Lobby, trinken einen Kaffee und reden auch über Dinge, die nicht nur den Fußball betreffen.

Gerade auf junge, aufstreben­de Spieler wie Max prasselt vieles ein. Können sie Ihnen Tipps geben, wie sie damit umgehen können?

Luthe: Wenn meine Meinung gefragt ist, werde ich die kundtun. Aber ich dränge mich nicht auf. Ich habe Erfahrung, weiß gewisse Dinge einzuschät­zen. Letztendli­ch muss aber jeder seinen eigenen Weg finden in einem Geschäft, das nicht einfach ist.

Ist es für die jungen Spieler heute schwierige­r, sich zu entwickeln? Luthe: Ich bin damals beim VfL Bochum eigentlich so reingeruts­cht, bin über die A-Jugend und die U23 in den Profiberei­ch gekommen und habe mit 22 meine ersten drei Bundesliga­spiele gemacht. Ich war damals relativ entspannt, habe mir immer gesagt, zieh es durch und schau, wie weit du kommst. Diese Entspannth­eit würde ich mir bei dem einen oder anderen jungen Spieler wünschen, weil nicht alles immer von heute auf morgen geht.

Sie haben zehn Jahre beim VfL Bochum gespielt. Warum sind Sie dann mit 28 zum FCA gewechselt?

Luthe: Wir sind 2009 in meiner ersten Profi-Saison aus der Bundesliga abgestiege­n. Und ich wollte unbedingt mit meinem Verein wieder aufsteigen. Ich war lange Kapitän, kannte von der Putzfrau bis zum Präsidente­n jeden. Der VfL war mein Verein. Deshalb bin ich ewig geblieben, aber irgendwann musste ich erkennen, das mit dem Aufstieg wird ganz, ganz schwer. Es fiel mir schwer, loszulasse­n. Aber ich wollte es bei diesen drei Bundesliga­spielen nicht belassen.

Warum dann der FCA?

Luthe: Es gab immer wieder Möglichkei­ten, in die Bundesliga zu wechseln. Aber hier fühlte es sich an wie beim VfL Bochum, aber eben nur in Bayern.

Sie haben aber wieder warten müssen? Luthe: Das war mir klar. Ich bin als guter Zweitliga-Torhüter hergekomme­n. Marwin fand ich richtig gut und solide, darum war es kein Problem, mich als Nummer zwei einzureihe­n. Seine Art war so, wie

„Jede Mutter sagt, iss Gemüse, das ist gesund. Und sie haben recht: Es ist gesund.“

Andreas Luthe

„Da muss ein ruhiger Typ hinten drin stehen, auf den sich die Jungs verlassen können. Du musst kein Feuerwerk abbrennen…“

Wie Andreas Luthe das Torwartspi­el sieht

auch ich das Torwartspi­el verstehe. Da muss ein ruhiger Typ hinten drin stehen, auf den sich die Jungs verlassen können. Du musst kein Feuerwerk abbrennen, sondern eine ruhige Art des Torwartspi­els einbringen.

Leben Sie jetzt Ihren Traum als Bundesliga-Stammtorhü­ter?

Luthe: So pathetisch sehe ich es nicht. Meinen Traum leben hätte ich vielleicht mit 22 gesagt. Ich fühle mich hier total wohl und wollte hier auch ins Tor. Das habe ich bisher für drei Spiele in dieser Saison geschafft. Mein Vertrag läuft bis 2020. Wie zu Beginn meiner Zeit in Augsburg sage ich auch jetzt, dass ich so viele Spiele wie möglich machen will.

Zeigen Sie jetzt auch ihren Kritikern, dass Sie Bundesliga dauerhaft können? Luthe: Das sehe ich ganz anders. Ich muss mit 31 keinem Kritiker irgendwas zeigen. Ich spiele, weil ich dieses Spiel liebe, weil ich es liebe, mit einem Team ein Ziel zu erreichen. Fußball reduziere ich nicht darauf, ob ich es jemandem zeigen kann, oder ob ich im Kicker eine Fünf oder eine Eins bekomme. Das ist mir egal.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Bei der 111-Jahr-Feier des FC Augsburg war Andreas Luthe, der sich rein pflanzlich ernährt, am Waffeleise­n in seinem Element.

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