Emotionaler Abschied von Ledvance
Wirtschaft In der Berliner Allee wird seit Freitag nicht mehr produziert. Die Maschinen stehen für immer still. Für die Mitarbeiter heißt es, Abschied nehmen. Nach all den Jahren ein schwerer Gang, wie einige von ihnen berichten
Seit Freitag ist bei Ledvance endgültig Schluss. Alle Materialien sind verbraucht, die Lampenproduktion an der Berliner Allee wurde daher eingestellt. Es war mit der letzte Schritt auf dem Weg zur Standortschließung. Nur für eine reduzierte Mannschaft von rund 50 Mitarbeitern geht es im Maschinenbau voraussichtlich noch bis Ende 2020 weiter. In der Logistik wird Ende 2019 geschlossen. Für alle anderen – teils laufen Kündigungsfristen bis Januar – ist geplant, Anfang November mit Freistellungen zu beginnen.
„Wer überhaupt und wann freigestellt werden kann, wird von der Unternehmensleitung geprüft“, sagt Ledvance-Sprecher Lars Stühlen in einer ersten Reaktion. Einen konkreten Tag, an dem alle Arbeitnehmer definitiv letztmals zum Dienst kommen, könne man aber nicht nennen. „So eine Werksschließung ist ein schleichender Prozess“, begründet er. Für die Mitarbeiter eine unbefriedigende Aussage. „In der nächsten Zeit sind wir wohl damit beschäftigt, Däumchen zu drehen und unsere Arbeitsplätze aufzuräumen“, sagen einige beim Schichtwechsel am Dienstag. IG-MetallSprecherin Angela Steinecker bestätigt dies. „Ich denke, es wird in den nächsten Tagen tatsächlich vorwiegend um Aufräumarbeiten und den Abbau von Geräten und Maschinen gehen.“
Damit ist die Achterbahn der Gefühle für die Beschäftigten noch immer nicht ganz zu Ende und hatte in den vergangenen Wochen auch stellenweise wieder an Fahrt aufgenommen. „Zuerst kam im Juli die offi- zielle Kündigung mit dem eigenen Namen drauf. Das war noch einmal ein richtiger Nackenschlag. Nun hatten es auch die Familien schwarz auf weiß, dass der Job tatsächlich weg ist“, schildert einer der Betriebsräte, der namentlich nicht genannt werden will. Er steckt mitten in der Bewerbungsphase und fürchtet sonst Nachteile. Anonym ist er aber gerne bereit zu beschreiben, wie sich das Arbeiten bei Ledvance zuletzt angefühlt hat. „Wir hatten kaum Kollegen im Krankenstand und alle haben bis zum Schluss mit erhobenem Haupt ihre Arbeit verrichtet“, erzählt der Arbeitnehmervertreter. Das sei keine Selbstverständlichkeit, auch im Hinblick auf die beklemmende Stimmung vor Ort. „Wenn man übers Werksgelände gelaufen ist, dann war es ruhig. Kein Rattern der Maschinen mehr, kein Dampf, nichts. Man kann sagen, es war totenstill.“Dazu habe die Lage im Glaswerk sinnbildlich für den nahenden Abschied gestanden. „Früher war es dort immer warm, so warm, dass man geschwitzt hat. Mit Ende der Produktion haben die Kollegen dort Jacken getragen. Es ist kalt geworden.“
Gefröstelt hat es am Dienstag trotz schönstem Spätsommerwetter auch einen 61-jährigen Mitarbeiter. Er ist einer der noch rund 500 verbliebenen Beschäftigten im Werk und jetzt am Tiefpunkt angekommen: „Mir geht es sehr schlecht. Ich weiß genau, dass mich in dem Alter niemand mehr einstellen wird. Ich muss wohl bald Arbeitslosengeld beantragen“, klagt er. Bei seinem Kollegen bleibt nur noch Wut: „Hier ist gewaltig was schief gelaufen: Trends, Bewegungen und Tendenzen wurden einfach verpennt. Das Geschäft ist jahrelang einfach vor sich hingedümpelt. Ich habe hier 30 Jahre gearbeitet und bin das Thema leid.“Vielen geht der Abschied von Kollegen nahe. Die früheren Osram- und späteren Ledvance-Mitarbeiter waren 20, 30, 40 Jahre und mehr beim Lampenhersteller beschäftigt. Teils bereits in zweiter Generation. Jetzt müssen sie getrennte Wege gehen. „Da werden ganze Arbeitsfamilien auseinandergerissen“, schildert der Betriebsrat.
Und auch für die Historie der Stadt bedeutet das Ende der Produktion einen Einschnitt. Rund 100 Jahre lang wurden in der Berliner Allee Lampen für Kunden in der ganzen Welt gefertigt. Jetzt ist Schluss. Was mit dem Gelände und den Gebäuden passieren soll, bleibt nach wie vor offen. Einziger Hoffnungsschimmer: Die Lage am Arbeitsmarkt ist gut, die LedvanceMitarbeiter werden sogar aktiv nachgefragt, erzählt Roland Fürst von der Agentur für Arbeit Augsburg. Um die Beschäftigten zu unterstützen, plant die Agentur für den 29. November eine eigene Stellenbörse und weitere unterstützende Angebote. Manch älterer Mitarbeiter will sich das nicht mehr antun und entscheidet sich für einen anderen Schritt: „Auf dem Arbeitsmarkt sehe ich für mich schwarz. Deshalb gehe ich in Altersteilzeit“, sagt ein 60-Jähriger am Dienstag. Roland Fürst ist dennoch optimistisch, dass viele der Beschäftigten gute Chancen auf einen Neuanfang haben. Das hoffen auch Betriebsrat und Gewerkschaft, die bis zum letzten Tag für die Kollegen da sein wollen.
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