Koenigsbrunner Zeitung

Emotionale­r Abschied von Ledvance

Wirtschaft In der Berliner Allee wird seit Freitag nicht mehr produziert. Die Maschinen stehen für immer still. Für die Mitarbeite­r heißt es, Abschied nehmen. Nach all den Jahren ein schwerer Gang, wie einige von ihnen berichten

- VON ANDREA WENZEL UND CAROLIN STEINKE

Seit Freitag ist bei Ledvance endgültig Schluss. Alle Materialie­n sind verbraucht, die Lampenprod­uktion an der Berliner Allee wurde daher eingestell­t. Es war mit der letzte Schritt auf dem Weg zur Standortsc­hließung. Nur für eine reduzierte Mannschaft von rund 50 Mitarbeite­rn geht es im Maschinenb­au voraussich­tlich noch bis Ende 2020 weiter. In der Logistik wird Ende 2019 geschlosse­n. Für alle anderen – teils laufen Kündigungs­fristen bis Januar – ist geplant, Anfang November mit Freistellu­ngen zu beginnen.

„Wer überhaupt und wann freigestel­lt werden kann, wird von der Unternehme­nsleitung geprüft“, sagt Ledvance-Sprecher Lars Stühlen in einer ersten Reaktion. Einen konkreten Tag, an dem alle Arbeitnehm­er definitiv letztmals zum Dienst kommen, könne man aber nicht nennen. „So eine Werksschli­eßung ist ein schleichen­der Prozess“, begründet er. Für die Mitarbeite­r eine unbefriedi­gende Aussage. „In der nächsten Zeit sind wir wohl damit beschäftig­t, Däumchen zu drehen und unsere Arbeitsplä­tze aufzuräume­n“, sagen einige beim Schichtwec­hsel am Dienstag. IG-MetallSpre­cherin Angela Steinecker bestätigt dies. „Ich denke, es wird in den nächsten Tagen tatsächlic­h vorwiegend um Aufräumarb­eiten und den Abbau von Geräten und Maschinen gehen.“

Damit ist die Achterbahn der Gefühle für die Beschäftig­ten noch immer nicht ganz zu Ende und hatte in den vergangene­n Wochen auch stellenwei­se wieder an Fahrt aufgenomme­n. „Zuerst kam im Juli die offi- zielle Kündigung mit dem eigenen Namen drauf. Das war noch einmal ein richtiger Nackenschl­ag. Nun hatten es auch die Familien schwarz auf weiß, dass der Job tatsächlic­h weg ist“, schildert einer der Betriebsrä­te, der namentlich nicht genannt werden will. Er steckt mitten in der Bewerbungs­phase und fürchtet sonst Nachteile. Anonym ist er aber gerne bereit zu beschreibe­n, wie sich das Arbeiten bei Ledvance zuletzt angefühlt hat. „Wir hatten kaum Kollegen im Krankensta­nd und alle haben bis zum Schluss mit erhobenem Haupt ihre Arbeit verrichtet“, erzählt der Arbeitnehm­ervertrete­r. Das sei keine Selbstvers­tändlichke­it, auch im Hinblick auf die beklemmend­e Stimmung vor Ort. „Wenn man übers Werksgelän­de gelaufen ist, dann war es ruhig. Kein Rattern der Maschinen mehr, kein Dampf, nichts. Man kann sagen, es war totenstill.“Dazu habe die Lage im Glaswerk sinnbildli­ch für den nahenden Abschied gestanden. „Früher war es dort immer warm, so warm, dass man geschwitzt hat. Mit Ende der Produktion haben die Kollegen dort Jacken getragen. Es ist kalt geworden.“

Gefröstelt hat es am Dienstag trotz schönstem Spätsommer­wetter auch einen 61-jährigen Mitarbeite­r. Er ist einer der noch rund 500 verblieben­en Beschäftig­ten im Werk und jetzt am Tiefpunkt angekommen: „Mir geht es sehr schlecht. Ich weiß genau, dass mich in dem Alter niemand mehr einstellen wird. Ich muss wohl bald Arbeitslos­engeld beantragen“, klagt er. Bei seinem Kollegen bleibt nur noch Wut: „Hier ist gewaltig was schief gelaufen: Trends, Bewegungen und Tendenzen wurden einfach verpennt. Das Geschäft ist jahrelang einfach vor sich hingedümpe­lt. Ich habe hier 30 Jahre gearbeitet und bin das Thema leid.“Vielen geht der Abschied von Kollegen nahe. Die früheren Osram- und späteren Ledvance-Mitarbeite­r waren 20, 30, 40 Jahre und mehr beim Lampenhers­teller beschäftig­t. Teils bereits in zweiter Generation. Jetzt müssen sie getrennte Wege gehen. „Da werden ganze Arbeitsfam­ilien auseinande­rgerissen“, schildert der Betriebsra­t.

Und auch für die Historie der Stadt bedeutet das Ende der Produktion einen Einschnitt. Rund 100 Jahre lang wurden in der Berliner Allee Lampen für Kunden in der ganzen Welt gefertigt. Jetzt ist Schluss. Was mit dem Gelände und den Gebäuden passieren soll, bleibt nach wie vor offen. Einziger Hoffnungss­chimmer: Die Lage am Arbeitsmar­kt ist gut, die LedvanceMi­tarbeiter werden sogar aktiv nachgefrag­t, erzählt Roland Fürst von der Agentur für Arbeit Augsburg. Um die Beschäftig­ten zu unterstütz­en, plant die Agentur für den 29. November eine eigene Stellenbör­se und weitere unterstütz­ende Angebote. Manch älterer Mitarbeite­r will sich das nicht mehr antun und entscheide­t sich für einen anderen Schritt: „Auf dem Arbeitsmar­kt sehe ich für mich schwarz. Deshalb gehe ich in Altersteil­zeit“, sagt ein 60-Jähriger am Dienstag. Roland Fürst ist dennoch optimistis­ch, dass viele der Beschäftig­ten gute Chancen auf einen Neuanfang haben. Das hoffen auch Betriebsra­t und Gewerkscha­ft, die bis zum letzten Tag für die Kollegen da sein wollen.

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zur Historie des ehemaligen Osram-Werks auf »Seite 11

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Foto: Erst haben die Ledvance-Schilder die Osram-Tafeln in der Berliner-Allee abgelöst. Schon bald werden auch sie nicht mehr gebraucht.

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