37-fache Vergewaltigung? Freispruch für Ehemann
Justiz Ein 44-jähriger Mann gerät unter Verdacht, seine Frau mit Gewalt zu Sex gezwungen zu haben. Er sitzt deshalb ein Jahr lang in Haft, nun kommt er wieder frei. Der Richter sagt: „Irgendetwas war, aber wir wissen nicht, was.“
Er saß vier Tage lang ruhig da. Am Ende des Prozesses platzt dem Angeklagten dann doch noch der Kragen. Ömer E.*, 44, steht auf und wird laut. Er schimpft darüber, dass sein Leben zerstört worden sei. Ein Jahr lang sitze er nun schon unschuldig in Untersuchungshaft. Der Angeklagte spricht die Staatsanwältin direkt an. Sie hat eine sechsjährige Haftstrafe für ihn gefordert, wegen Vergewaltigung seiner Ehefrau. Ömer E. sagt: „Ihr habt nicht den Krümel eines Beweises. Ihr seid’s eine Lachnummer.“
Als der Vorsitzende Richter Roland Christiani später das Urteil verkündet, stellen sich sicherheitshalber zwei Justizwachtmeister direkt neben den Angeklagten. Doch die Wachtmeister müssen ihn nicht bremsen. Denn das Urteil fällt so aus, wie er es sich erhofft hat. Ömer E., dem in der Anklageschrift noch die 37-fache Vergewaltigung seiner Ehefrau vorgeworfen worden ist, wird freigesprochen.
Die Richter des Landgerichts heben auch den Haftbefehl sofort auf. Kurz darauf steht Ömer E. schon vor dem Strafjustizzentrum in der Herbstsonne und unterhält sich mit seinem Rechtsanwalt Thomas Reit- schuster. Noch in der blauen Sträflingskleidung, aber frei.
In dem Prozess stand Aussage gegen Aussage. Vanessa E*., 35, gab an, ihr Mann habe sie im Lauf der Ehe immer wieder zu Sex gezwungen. Teils habe er dabei auch Sexspielzeuge verwendet. Sie berichtete, Ömer E. habe ihr gedroht, er werde es an den Kindern auslassen, wenn sie nicht mit ihm schlafe. Auch kurz nach der Geburt der jüngsten Tochter habe ihr Mann sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Obwohl der Arzt nach der Geburt mit Not-Kaiserschnitt dringend geraten hatte, mit dem Sex einige Zeit zu warten. Vanessa E. berichtete auch, dass Ömer E. oft aggressiv gewesen sei. Er habe sie und die drei Töchter wüst beleidigt und auch geschlagen.
Ömer E. gab zu, seine Familie nicht immer gut behandelt zu haben. Er räumte auch ein, dass er zuhause oft nur Computerspiele spielte. Reue zeigte er dafür aber nicht. Und er bestritt vehement, seine Frau zu Sex gezwungen zu haben. Er habe um Sex betteln müssen. Er habe sich auch mit Sex dafür „bezahlen“lassen, wenn er auf die Kinder aufpasste, damit Vanessa E. zu den Treffen einer Freikirche gehen konnte. Aber Sex mit Gewalt? Nein, sagt Ömer E., das habe er nicht ge- tan. Er ist überzeugt, seine Ex-Frau – inzwischen ist das Paar geschieden – verbreite Lügen, um ihn loszuwerden und mit einem neuen Mann zusammenleben zu können. In dem Haus, dass er vom Erbe seiner Eltern für die Familie gekauft habe.
Staatsanwältin Julia Scholz glaubt dagegen der Frau. Obwohl Vanessa E. während der Aussage vor Gericht teils verwirrt wirkte und sich an viele Details nicht mehr erinnern konnte. Das sei durch die Angst zu erklären, sagt die Staatsanwältin. Das Opfer verfalle in Panik, wenn sie ihren Peiniger sehe. Julia Scholz spricht von einem „Martyrium“, welches die Frau erlebt habe.
Allerdings lässt auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer bereits viele Vorwürfe fallen. Am Ende bleiben aus ihrer Sicht von den 37 angeklagten Fällen nur zwei Vergewaltigungen, die konkret nachweisbar seien. Und ein Fall von Missbrauch, bei dem der Angeklagte sich nachts an seiner schlafenden Frau bedient habe, ohne deren Zustimmung.
Die Richter folgen den Argumenten der Staatsanwältin nicht. Der Vorsitzende Richter Roland Christiane sagt, die Aussage der Frau halte einer strengen Überprüfung, die für einen Schuldspruch erforderlich sei, nicht stand. Es gebe einfach zu viele Widersprüche, Lücken und Fragen, die offen bleiben. Der Richter bezichtigt die Frau nicht direkt der Lüge. Er hält es aber für möglich, dass sie die Vorwürfe zumindest zugespitzt hat, um ihren Mann auf diese Weise loszuwerden.
Dass die Ehe für Vanessa E. zeitweise eine Qual gewesen sein muss, sieht auch das Gericht so. Allerdings müsse das Verhalten des Angeklagten nicht zwingend strafbar gewesen sein. Zumindest fehle dafür der Nachweis. Zum Angeklagten gerichtet, sagt Roland Christiani deshalb: „Hier sitzt kein Unschuldiger. Irgendetwas war, aber wir wissen nicht, was.“