Koenigsbrunner Zeitung

Eine Orgel wird auf eine weite Reise geschickt

Umbau Bei einem Konzert wird das Instrument der Lagerlechf­elder Kirche St. Martin zum letzten Mal klingen und nach Norwegen verabschie­det. Worin die Gründe des Verkaufs liegen und was dem Gotteshaus noch bevorsteht

- VON UWE BOLTEN

Weil die St.-Martin-Kirche in Lagerlechf­eld umgebaut wird, wurde die dortige Orgel nach Norwegen verkauft.

Lagerlechf­eld Stille herrscht im großen, lichtdurch­fluteten Kirchenrau­m von St. Martin in Lagerlechf­eld – noch. Das wird sich schon bald ändern: In einer Woche werden tagsüber Geräusche von Akkuschrau­bern, leichten Hammerschl­ägen und vielleicht dem ein oder anderen sanften Fluch eines Arbeiters durch den quadratisc­hen Raum mit dem Spitzdach schallen. Mitarbeite­r der Orgelbauwe­rkstätte Georg Weishaupt werden die in der Kirche 1977 eingebaute Orgel der Firma Sandtner in alle Einzelteil­e zerlegen und versandfer­tig für ihre 1600 Kilometer lange Reise nach Jessheim, 40 Kilometer nordöstlic­h der norwegisch­en Hauptstadt Oslo, machen. Auf der Homepage der dortigen St. Gudmund-Gemeinde sind Bilder des Instrument­es in Lagerlechf­eld sowie eine Fotomontag­e mit installier­ter Orgel zu sehen. „2016 wurde mit großer Mehrheit in der Gemeinde der Umgestaltu­ng der Kirche zugestimmt. Nach langer Planungsph­ase beginnen wir mit der Umsetzung. Als erster Schritt wurde die Orgel verkauft“, berichtet Kirchenpfl­eger Erwin Merz. Auch für solche Instrument­e gebe es Plattforme­n im Internet. Zum Abschied wird das knapp 7,5 Meter hohe Kirchenins­trument zum letzten Mal am Sonntag, 28. Oktober 2018, in einem Konzert zu hören sein. Die Nutzung des Kirchenrau­mes werde bis auf Weiteres möglich sein, der Umbau beginne frühestens Ende 2019, schätzt Merz.

„Der Klang unserer Orgel ist hervorrage­nd. Auf der einen Seite ist sie handwerkli­ch einfach exzellent, zum anderen passt sie sich optimal in die hiesige Architektu­r ein“, berichtet Hermann Franze, ehemaliger Vorsitzend­er des Pfarrgemei­nderates und Kenner des Gebäudes. Die Kirche St. Martin, als Filialkirc­he von Klosterlec­hfelds Wallfahrts­kirche Maria Hilf, weist einen quadratisc­hen und von zwölf Pfeilern begrenzten Innenraum auf, der sich nach oben mit einem Spitzdach verjüngt. Diese Raumgröße wurde der 1967 als Garnisonsk­irche für den Standort Lagerlechf­eld zum Verhängnis. „Die Betriebsko­sten werden schon lange nicht mehr durch die Kollekte und Zuschüsse durch die katholisch­e Militärsee­lsorge als Mit-Erbauer gedeckt“, sagt Kirchenpfl­eger Merz, der nebenbei auch einen massiven Rückgang der Kirchgänge­r beobachtet. „Wenn man ganz ehrlich ist, war die Kirche bei der Eröffnung für Soldaten und Gemeinde überdimens­ioniert“, fügt Franze hinzu.

2016 kam die rettende Idee, den Kirchenrau­m horizontal zu teilen und im Erdgeschos­s das DiözesanDe­pot für sakrale Kunst unterzubri­ngen und im neuen ersten Stock den Kirchenrau­m zu installier­en, zur Abstimmung durch die Gemeinde. „Zwei Drittel sprachen sich für die Umbau-Maßnahme aus. Jetzt sind die Geldmittel gesichert und wir können beginnen“, sagt Merz. Die Situation der Betonkirch­en in der Diözese Augsburg stellten die beiden an Hand von St. Martin schon Anfang des Jahres in einem Filmbeitra­g für das Bayerische Fernsehen dar. Während anderen Kirchen möglicherw­eise der Abriss droht, wird Lagerlechf­eld ein konstanter Name im Bistum bleiben.

„Der Abbau der Orgel wird gut zwei Wochen in Anspruch nehmen“, sagt Franze mit Blick auf das Registerwe­rk im Inneren des Instrument­es. Die insgesamt 1284 Pfeifen (172 Holz, 1112 Zinn) werden von einem zweimanual­igen und mit Pedal versehenen Spieltisch aus angesteuer­t. Die insgesamt 18 Register, an den Seiten des Spieltisch­es angebracht, decken den üblichen Klangchara­kter einer Sakralorge­l ab. Bei genauem Blick durch die filigrane Steuertech­nik im Inneren sind die Stahlträge­r zu erkennen, auf denen neben der Verankerun­g in der Bodenplatt­e das gesamte Instrument ruht.

Ob eine E-Orgel oder wieder eine Pfeifenorg­el gekauft wird, sei noch nicht bekannt. „Dies kommt auch auf die künftige Akustik an“, sagten beide Kirchenken­ner. Vorerst spielten zu den Hochfesten in der Regel Chor und Band St. Martin, für normale Messfeiern käme vermutlich das vorhandene E-Klavier zum Einsatz. Eine E-Orgel für die ganze Zeit auszuleihe­n käme zu teuer, ergänzten sie.

Zum Abschiedsk­onzert am 28. Oktober um 18 Uhr in der St. Martin Kirche werden alte Bekannte den Kirchenrau­m mit sakraler Musik füllen. Werner Zuber, Theologe und Kirchenmus­iker im Amt für Kirchenmus­ik des Bistums Augsburg, hat sich im In- und Ausland in Konzerten zu biblischen Texten sowie zu Bildern einen Namen gemacht. Zusammen mit Jazzmusike­r Stephan Holstein präsentier­t er ein geistliche­s Abendkonze­rt zu Gesängen der heiligen Hildegard von Bingen. Weitere Stücke werden das Programm ergänzen. Der Eintritt ist frei.

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Fotos: Uwe Bolten Insgesamt 1112 Zinnpfeife­n verschiede­ner Register müssen einzeln entnommen und verpackt werden.
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Der Blick ins Innere der Orgel lässt das notwenige Geschick der Orgelbauer bei der Demontage erahnen.

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