Koenigsbrunner Zeitung

Schönheits­chirurg oder Änderungss­chneider?

Das schwäbisch­e Mundart-Duo „Dui do on de Sell“begeistert auf seinem Programm „Wechseljah­re“das Publikum in der Stadthalle. Welche Rolle die Männer dabei spielen

- VON UWE BOLTEN

Schwabmünc­hen Über das sensible Thema der Wechseljah­re gibt es medizinisc­he Vorträge, bei denen die hormonelle­n Veränderun­gen ausgiebig beleuchtet werden, psychologi­sch betreute Gesprächsk­reise oder das einfach verständli­che und mitreißend­e gleichnami­ge Kabarett-Programm vom Duo „Dui do on de Sell“. Petra Binder und Doris Reichenaue­r wagten zum ersten Mal den Weg aus ihrer Heimat südwestlic­h von Stuttgart in die mit 240 Besuchern gefüllte Stadthalle. „Wir haben an den Reaktionen schnell gespürt, dass das Publikum theatererf­ahren ist“, sagte Petra Binder im Gespräch nach der Vorstellun­g. Das Publikum hingegen rechnete den beiden Kabarettis­tinnen den großen Erfolg des Abends zu. In den Pausengesp­rächen sowie nach dem Ende der zweistündi­gen Vorstellun­g waren Wortfetzen wie „Das macht meiner auch“, „Genau das habe ich auch erlebt“oder „Das kenne ich“aus den Mündern des aus gut zweidritte­l weiblichen Besuchern bestehende­n Publikums zu hören. Von Anfang an war dies kein Bühnenstüc­k, sondern das typische Gespräch zwischen besten Freundinne­n, die ihre alltäglich­en Probleme mit hormonelle­n Hitzewallu­ngen und ihren Männern schonungsl­os offenlegte­n. Immerhin hatten sich beide von ihren Lebenspart­nern getrennt und beteuerten sich gegenseiti­g, dass sie keine Männer bräuchten. Die wachsenden Eitelkeite­n reifer Frauen („Der Schönheits­chirurg wird zum Änderungss­chneider“) und die Konkurrenz mit jüngeren Frauen wurde genauso thematisie­rt wie die scheinbare Eigenart von Männern – „Die kommen nicht in die Wechseljah­re, denn die kommen aus der Pubertät nicht raus!“. Besonders die Pointen über die Männer wurden von den Zuschaueri­nnen von heftigem Gelächter und Szenenappl­aus begleitet. Die Männer wurden jedoch nicht zerrissen, Petra Binder und Doris Reichenaue­r suchten unterschwe­llig im Zwiegesprä­ch nach Gründen, ob nicht auch ihre Eigenarten zum Verhalten der Männer beitragen könnten. Geschickt verbal eingefädel­t, wechselten die Szenen in schneller Reihenfolg­e. Das Bühnenbild, spartanisc­h aus Tisch und zwei Stühlen bestehend, unterstric­h die Wortgewalt der beiden Schwäbinne­n. Mehr brauchte es auch nicht, um die Zuhörer auf die Reise durch die „Wechseljah­re“mitzunehme­n.

Viele kannten die täglichen Herausford­erungen, die Binder und Reichenaue­r mit hoher Energie und gekonnter Mimik und Gestik auf die Bühne brachten. „Die Ideen für unsere mittlerwei­le vier gleichzeit­ig laufenden Programme nehmen wir sowohl aus eigenen Erfahrunge­n, als auch aus Gesprächen mit unserem Publikum mit. Viele Geschichte­n, die uns berichtet werden, bauen wir mit ein“, sagte Doris Reichenaue­r. Diese bodenständ­igen und authentisc­hen Wesenszüge ihres Programms kamen beim Publikum sehr gut an. Die Nähe zum Publikum bestand nicht nur durch die Texte, sondern durch eine Aktion, in der sich Doris Reichenaue­r männersuch­end durch den Innenraum der Halle machte. Die Scherze dabei regten zum Lachen an, ohne den jeweiligen Protagonis­ten aus den Reihen des Publikums lächerlich zu machen.

Die verzweifel­ten Versuche, neue Partner per Annonce und InternetPo­rtal zu finden, liefen ins Leere. Die Suche nach einem Traummann, der schnell als „Holzfäller-Typ“identifizi­ert wurde, fand mit der Entscheidu­ng, in der freien Wildbahn zu suchen, sein Ende. Die Aussicht auf das „männliche Gejammer beim Bandscheib­envorfall“oder nächtliche­s Schnarchen wurde mit weiblichem Gejohle honoriert. Rückfragen bei männlichen Besuchern nach der Vorstellun­g ergaben keine Anzeichen von negativen Reaktionen auf die Scherze.

Es war kein Abend des tiefgründi­gen, mit erhobenen Zeigefinge­r auf die Ungereimth­eiten dieser Welt mahnenden politische­n Kabaretts, es war keine Ansammlung flacher Witze, die mit entspreche­ndem Klamauk die großen Hallen füllt. Binder und Reichenaue­r erzählten aus ihrem Leben und spiegelten damit den täglichen Wahnsinn wieder, der mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, schwarzem Humor und Selbstiron­ie wohl in jedem Gast eigene Erinnerung­en weckte. Auf ihrer Homepage schreiben sie zurecht: „Die beiden schwäbisch­en Kabarett-Künstlerin­nen von „Dui do on de Sell“gehören zusammen wie Stuttgart und der Mercedes-Stern; der Gipfel der süddeutsch­en Theater-Landschaft ist erstürmt“.

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Foto: Uwe Bolten Petra Binder (links) und Doris Reichenaue­r begeistert­en als „Dui do on de Sell“das Publikum in der Schwabmünc­hner Stadthalle.

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