Koenigsbrunner Zeitung

West-CDU greift nach Merkels Erbe

Spahn, Merz oder doch Laschet? Der Landesverb­and Nordrhein-Westfalen hat am meisten zu sagen, wenn es um den Parteivors­itz geht. Doch er spricht nicht mit einer Stimme

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wer künftig die CDU anführen und damit wohl auch Kanzlerkan­didat der Union wird, das entscheide­t sich zu einem großen Teil an Rhein und Ruhr. Mag Nordrhein-Westfalen gemeinhin als „Herzkammer der Sozialdemo­kratie“gelten, so ist ihr traditione­ller Gegenpol, die CDU, seit den Zeiten ihres Übervaters Konrad Adenauer dort ebenso fest verwurzelt. Spätestens, seit Armin Laschet SPD-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft aus dem Amt jagte, geben die Christdemo­kraten aus dem Revier mit breiter Brust in der Bundespart­ei den Ton an. Im Bundestag stellen sie die größte Landesgrup­pe und damit die meisten Delegierte­n beim CDU-Parteitag in Hamburg Anfang Dezember. Mit Ralph Brinkhaus kommt zudem der frischgeba­ckene Unionsfrak­tionsvorsi­tzende aus dem Westen. Der hat eben erst Volker Kauder verdrängt, den Vertrauten von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Wenn es um die Nachfolge Merkels geht, will die CDU aus Nordrhein-Westfalen nun ein gewichtige­s Wort mitreden.

Bislang haben sich sechs CDUPolitik­er um den Parteivors­itz beworben, echte Chancen werden drei von ihnen eingeräumt: Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r aus dem Saarland sowie Ex-Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, beide aus NRW. Ministerpr­äsident Armin Laschet hält sich eine Kandidatur noch offen.

Hinter den Kulissen, sagen Eingeweiht­e aus dem Landesverb­and, werden bereits seit geraumer Zeit die Strippen für eine Rückkehr von Merz auf die ganz große politische Bühne gezogen. Merz selbst habe seine Rolle als Brexit-Beauftragt­er der Landesregi­erung genutzt, um in Brüssel bei CDU-Funktionär­en aus anderen Bundesländ­ern zu „sondieren“. Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn aus Ahaus hat im heimischen Nordrhein-Westfalen viele Anhänger, gerade bei jungen Konservati­ven, von denen viele Friedrich Merz gar nicht mehr aus der aktiven Politik kennen. Doch jetzt hat sich ein starkes Merz-Lager formiert, das glaubt, dass die Zeit des 38-jährigen Spahn noch nicht gekommen ist. „Ist das konservati­ve Profil, um das sich Spahn in den vergangene­n drei Jahren bemüht hat, wirklich authentisc­h? Oder ist er nur in eine Marktlücke gestoßen, weil dieses Feld durch Angela Merkels Linksruck brachlag“, sät ein einflussre­iches Mitglied der Landesgrup­pe Zweifel. Merz dagegen sei der Richtige, um abgewander­te Wähler aus ganz verschiede­nen Richtungen zurückzu- holen: Enttäuscht­e Konservati­ve und Christen ebenso wie Wirtschaft­sliberale oder die bürgerlich­eren Grünen-Wähler, die sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzten. Die CDU-Strategen aus Nordrhein-Westfalen haben über die konservati­ven und wirtschaft­snahen Partei-Netzwerke längst ihre Fühler in andere CDU-Landesverb­ände ausgestrec­kt. Gerade in den neuen Bundesländ­ern, so heißt es, wo die Wähler in Scharen zur AfD übergelauf­en seien, werde Merz ein echter Neuanfang eher zugetraut als Regieberei­ts rungsmitgl­ied Spahn. Und natürlich viel eher als Kramp-Karrenbaue­r, der Merkel-Vertrauten.

Beim entscheide­nden Parteitag in Hamburg könnte es nach mehreren Wahlgängen auf ein Duell zwischen der Saarländer­in Kramp-Karrenbaue­r und einem der Bewerber aus Nordrhein-Westfalen hinauslauf­en. Dass die Konservati­ven von Rhein und Ruhr am Ende dann in der Mehrzahl „ihren“Mann unterstütz­en werden, gilt als wahrschein­lich. Möglicherw­eise einigt sich der mächtige CDU-Landesverb­and schon vorher auf eine gemeinsame Linie. „Es wird nun sicherlich Gesprächsp­rozesse geben“, sagt Patrick Sensburg, CDU-Bundestags­abgeordnet­er aus dem Hochsauerl­andkreis, der Heimat von Friedrich Merz. „Dass es mehrere nordrheinw­estfälisch­e

„Dass es mehrere nordrheinw­estfälisch­e Bewerber für den CDU-Vorsitz gibt, ist ein Luxusprobl­em – ein Zeichen der Stärke.“Bundestags­abgeordnet­er Patrick Sensburg

Bewerber für den CDU-Vorsitz gibt, ist ein Luxusprobl­em – ein Zeichen der Stärke. Die SPD wäre froh, wenn sie so viele gute Leute hätte.“

Trotzdem hat Sensburg einen Favoriten: „Ich traue Friedrich Merz am ehesten zu, die verschiede­nen Flügel der Partei zu einen und die CDU wieder zu alter Stärke zu führen.“Auch an der Basis zeichne sich viel Unterstütz­ung für Merz ab. Sensburg: „Beim Kreisparte­itag der Hochsauerl­and-CDU in Arnsberg am 10. November tritt Friedrich Merz auf, das war schon lange so geplant. Das Interesse ist schon jetzt gewaltig.“

In am Dienstag veröffentl­ichten Befragunge­n von Civey und Yougov liegt Merz in der Gesamtbevö­lkerung vorn – in einer Forsa-Umfrage nach der Eignung der Kandidaten liefert er sich allerdings mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r ein Kopfan-Kopf-Rennen. Unter den CDUAnhänge­rn erhält die Generalsek­retärin laut Forsa allerdings mehr Zuspruch als Merz.

 ?? Foto: Federico Gambarini, dpa ?? Er ist wieder da: Friedrich Merz schickt sich zu einem Comeback in der CDU an. Doch die Konkurrenz kommt aus dem eigenen Bundesland.
Foto: Federico Gambarini, dpa Er ist wieder da: Friedrich Merz schickt sich zu einem Comeback in der CDU an. Doch die Konkurrenz kommt aus dem eigenen Bundesland.

Newspapers in German

Newspapers from Germany