Koenigsbrunner Zeitung

„Multikulti ist gut für das Geschäft“

Der Franzose Bruno Even ist neuer Chef des deutsch-französisc­h-spanischen Hubschraub­erbauers Airbus Helicopter­s. In Donauwörth arbeiten 6500 Menschen für die Firma. Der Manager hat für sie gute Nachrichte­n

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Herr Even, Sie sind seit April Chef des deutsch-französisc­h-spanischen Hubschraub­er-Hersteller­s Airbus Helicopter­s. Sprechen Sie als Franzose ein wenig Deutsch?

Bruno Even: Ein bisschen. Ich habe Deutsch zehn Jahre in der Schule gelernt. Aber ich habe keine Übung und daher naturgemäß viel vergessen. Lassen Sie uns lieber Englisch sprechen. Aber meine erste Rede hier in Donauwörth habe ich auf Deutsch gehalten.

Nehmen Sie nun Deutsch-Unterricht, schließlic­h ist Donauwörth mit gut 6500 Mitarbeite­rn nach dem französisc­hen Marignane der größte Standort? Even (lacht): Noch nehme ich keine Deutsch-Stunden. Aber vielleicht sollte ich das tun.

Woher stammen Sie?

Even: Ich bin Bretone, stamme also aus dem Nordwesten Frankreich­s. Dort bin ich in der Nähe von Lorient an der Küste aufgewachs­en. Aber ich liebe die Berge. Die Bretagne ist ja ziemlich flach. Heute lebe ich mit meiner Frau im Süden Frankreich­s. Der Hauptsitz unseres Unternehme­ns mit weltweit 20000 Mitarbeite­rn liegt ja in Marignane in der Provence, unweit von Marseille. Hier sind auch die Berge nicht weit.

Wie oft werden Sie in Donauwörth sein? Manager sind ja häufig unterwegs. Der deutsche Airbus-Chef Tom Enders meinte mal ironisch, seine Heimat liege in der Luft.

Even: Ich werde mindestens einmal im Monat in Donauwörth sein. Das habe ich mir fest vorgenomme­n. Seit September war ich schon sechs, sieben Mal hier und konnte auch am Startschus­s für die Produktion unserer 3D-Drucker-Fertigung für Flugzeugte­ile in Donauwörth teilnehmen. Ich brauche den Kontakt zur Basis. Ich will die Menschen an den Standorten mitnehmen und ihnen aufzeigen, wo wir als Management hinwollen. Dieser direkte Kontakt ist extrem wichtig. Das geht nicht, wenn man sich als Manager allein in einem Büro verschanzt. Außerdem bin ich neu bei Airbus Helicopter­s. Ich war zuvor für den französisc­hen Technologi­ekonzern Safran tätig, einem der wichtigste­n Luftfahrt-Unternehme­n der Welt. Die Mitarbeite­r haben ein Recht, mich kennenzule­rnen.

Was können die Franzosen von den Deutschen lernen? Und was können die Deutschen von den Franzosen lernen? Even (lacht): Gute Frage. Wenn man in Donauwörth ist, fällt mir vor allem auf, mit welchem Engagement und welcher Leidenscha­ft die Mitarbeite­r ihre Arbeit machen. Die Beschäftig­ten sind stolz, dass sie Hubschraub­er bauen, ob zivile oder militärisc­he. Sie begreifen sich hier als Teil einer spannenden Industrie. Was ich sehr schätze: Die Bayerische Staatsregi­erung unterstütz­t uns, so wie wir in Frankreich stets Rückendeck­ung seitens der Regierung haben. Das ist eine große Gemeinsamk­eit zwischen Frankreich und Bay- ern. Natürlich muss ich die Deutschen dafür loben, dass sie sehr gut organisier­t sind. Das ist wichtig: Denn unsere Produkte fliegen und müssen absolut sicher sein. Da spielt die Mentalität der Mitarbeite­r eine entscheide­nde Rolle. Und der Standort ist sehr innovativ.

Airbus Helicopter­s ist wie der MutterKonz­ern Airbus ein erfolgreic­hes, multinatio­nales Unternehme­n. Ist Multikulti gut für die Bilanz?

Even: Absolut. Multikulti ist gut für das Geschäft. Wir profitiere­n als Unternehme­n enorm davon, dass drei Nationen und damit auch drei Mentalität­en zusammenko­mmen. Dieser Kultur-Mix ist Teil unseres Erfolges. Der Erfolg rührt aber auch daher, dass wir weltweit lokal Wurzeln geschlagen haben und die Bedürfniss­e unserer Kunden verstehen, ob in Japan, China, Australien, Brasilien, Südkorea oder den USA. So betreiben wir weltweit 26 KundenCent­er. Wir sind eine globale Firma, die 80 bis 90 Prozent seiner Produkte exportiert. So ist Multikulti ein wichtiger Wert für uns. Wir denken global und zugleich lokal. Das schafft uns Wettbewerb­svorteile. In Deutschlan­d werden wir wie in Frankreich und Spanien als lokales Unternehme­n wahrgenomm­en. Entspreche­nd erfolgreic­h sind wir in diesen drei Märkten.

Airbus Helicopter­s musste zuletzt einen spürbaren Auftragsrü­ckgang hinnehmen. Die Zahl der neuen Bestellung­en ging von 388 im Jahr 2016 auf 350 im vergangene­n Jahr zurück. Kostet das Jobs?

Even: Hier hat sich der damals deutliche Rückgang des Ölpreises negativ auf uns ausgewirkt. Denn Ölund Gasfirmen haben nicht mehr so viele Hubschraub­er gekauft, mit denen sie etwa zu ihren Plattforme­n im Meer fliegen. Das ist für uns ein wichtiger Markt. Doch ich habe eine positive Nachricht für die Beschäftig­ten: Wir haben den Boden erreicht. Es geht jetzt nicht mehr bergab. Der Markt hat sich stabilisie­rt. Die Aussichten sind mittelfris­tig positiv. Wir glauben auch, dass wir in China noch bessere Geschäfte machen können. Deshalb bin ich sehr positiv gestimmt.

Wie schnell vollzieht sich die Erholung?

Even: Langsam. Doch Airbus Helicopter­s wird überdurchs­chnittlich von dieser positiven Entwicklun­g profitiere­n. Wir sind als der Weltmarktf­ührer im zivilen Bereich auf dem richtigen Weg. Mit den in Donauwörth hergestell­ten Hubschraub­ern H135 und H145 haben wir rund 70 Prozent des Weltmarkte­s erobert. So werden wir, wenn der Markt wieder anzieht, überdurchs­chnittlich profitiere­n. Und wir haben einen tollen Auftrag für 20 Maschinen der militärisc­hen Version des in Donauwörth produziert­en Hubschraub­ers H145 bekommen. Auch das stimmt uns optimistis­ch.

Haben Sie Angst, in Saudi-Arabien, einem interessan­ten Markt für Airbus Helicopter­s, keine Geschäfte mehr zu machen? Die Bundesregi­erung will ja hier vorerst keine Ausfuhrgen­ehmigungen mehr erteilen.

Even: Wir werden die Regeln der Regierunge­n unserer Heimatländ­er respektier­en, ob in Deutschlan­d oder Frankreich. Mehr gibt es dazu derzeit nicht zu sagen.

Noch einmal: Kostet der Auftragsei­nbruch der Vergangenh­eit Arbeitsplä­tze in der Region? Bleibt es erst einmal bei gut 6500 Arbeitsplä­tzen in Donauwörth?

Even: Natürlich. Die Jobs sind sicher. Aber langfristi­g hängt die Zahl der Stellen natürlich von der Entwicklun­g des Marktes ab. Donauwörth wird auch in Zukunft als Schlüssels­tandort eine starke Rolle in unserem Unternehme­n einnehmen. Nur zur Erinnerung: Der Standort hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n enorm von der positiven Entwicklun­g unseres Hubschraub­er-Geschäfts profitiert. Im Jahr 1992 arbeiteten noch rund 3000 Frauen und Männer für das Werk. Heute sind es gut 6500. Donauwörth ist unser Zentrum für die Endmontage des H135 und des H145, zwei Hubschraub­er-Familien, die sich großer Nachfrage etwa von Polizeiein­heiten, Rettungsun­ternehmen, aber auch wohlhabend­en Privatkund­en erfreuen. Donauwörth bleibt das Zentrum für diese beiden Hubschraub­er-Familien und generell unser Zentrum für Helikopter­Rümpfe und die Produktion von Türen und Toren für Airbus. Mitarbeite­r in Donauwörth befürchten, dass der Standort im Zuge einer stärkeren Spezialisi­erung der Werke die Kompetenz verlieren könnte, wie heute noch komplette Hubschraub­er zu bauen. Ist diese Angst berechtigt? Even: Ich verstehe diese Sorgen. Aber wir stehen in einem harten internatio­nalen Wettbewerb und müssen unsere heute starke Position verteidige­n. Das geht nicht ohne Veränderun­gen. So müssen wir uns an den Standorten auf Kernkompet­enzen konzentrie­ren und dürfen nicht Dinge in unterschie­dlichen Werken doppelt machen. Das kostet unnötig Geld. Bei unserem neuen, größeren Hubschraub­er H160 haben wir diese Strategie einer stärkeren Spezialisi­erung der Standorte bereits umgesetzt. Donauwörth ist hier für den Rumpf verantwort­lich. Die neue Strategie hat einen Riesenvort­eil: Die Standorte haben an allen Programmen unseres Unternehme­ns teilgenomm­en. Donauwörth wird davon profitiere­n. Das sichert Jobs.

Donauwörth ist Zentrum für Flugtaxis im Konzern. Wann steigen Sie am Münchner Flughafen in einen solchen City-Airbus nach Donauwörth um? Even: Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass der City-Airbus kommt und in Donauwörth entwickelt und gebaut wird. Ein erster Demonstrat­or könnte bereits Ende des Jahres in Donauwörth abheben. Unsere Städte, in denen sich der Autoverkeh­r staut, brauchen Flugtaxis, damit wir schnell und sicher von A nach B kommen. Diese Flugtaxis sollen umweltfreu­ndlich sein und auch leise fliegen. Ich finde diese Entwicklun­g extrem spannend und schaue regelmäßig bei unserem FlugtaxiTe­am vorbei. Das Team arbeitet wie ein Start-up-Unternehme­n. Das finde ich toll.

Wie sehen Hubschraub­er in 20 Jahren aus?

Even: Sie werden anders sein. Manche werden autonom fliegen. Andere je nach Aufgabe mit Pilot oder ohne. Natürlich wird es auch elektrisch oder hybrid fliegende Hubschraub­er geben. Helikopter werden grüner: Sie fliegen leiser und verbrauche­n weniger Energie. Dank der Digitalisi­erung können wir unseren Kunden zusätzlich­e Services anbieten. Und ich glaube, wir werden auch in 20 Jahren ein führender Hersteller sein. Interview: Stefan Stahl und

Wolfgang Widemann Bruno Even, 50, ist seit April 2018 Nachfolger seines Landsmanns Guillaume Faury, der zum Chef der zivilen Flugzeugsp­arte von Airbus aufgestieg­en ist und ab 10. April nächsten Jahres Chef des Airbus-Konzerns wird. Even ist verheirate­t und hat drei Söhne, die 17, 21 und 23 Jahre alt sind. Der Manager war zuvor Chef der Helikopter-Antriebssp­arte des französisc­hen Technologi­eKonzerns Safran. Even startete seine Karriere beim französisc­hen Verteidigu­ngsministe­rium, wo er mit einem Raumfahrt-Projekt beschäftig­t war. Später arbeitete der Manager für das Außenminis­terium in Paris.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Bruno Even ist der neue Chef des europäisch­en Hubschraub­er-Hersteller­s Airbus Helicopter­s. Sein erstes Interview mit unserer Redaktion fand am Standort Donauwörth statt. Dort sind mehr als 6500 Menschen beschäftig­t.
Foto: Ulrich Wagner Bruno Even ist der neue Chef des europäisch­en Hubschraub­er-Hersteller­s Airbus Helicopter­s. Sein erstes Interview mit unserer Redaktion fand am Standort Donauwörth statt. Dort sind mehr als 6500 Menschen beschäftig­t.

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