Weshalb Stadler nun doch plötzlich freikommt
Die U-Haft wird ausgesetzt, das Gericht hält den früheren Audi-Chef aber weiter für tatverdächtig. Wie das zusammenpasst
Augsburg Da wird dem ehemaligen Audi-Chef nicht nur ein Stein vom Herzen gefallen sein, sondern gleich eine Gerölllawine. Denn Rupert Stadler wird nach vier Monaten aus der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Gablingen entlassen. Das Oberlandesgericht München hat am Dienstag angekündigt, es habe den Haftbefehl gegen Stadler außer Vollzug gesetzt.
Zur Höhe der Kaution, die Stadler hinterlegen muss, machten allerdings weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft Angaben. Denn daraus können Rückschlüsse auf Stadlers Vermögen gezogen werden. So hieß es nur: Die Kaution sei „empfindlich hoch“.
Auch wann der Manager aus dem oberbayerischen Titting das Untersuchungsgefängnis verlassen kann oder ob er gar schon frei ist, blieb vorerst offen. Tatsache ist: Die Kaution muss erst auf dem Bank- konto der Justiz eingegangen sein, bevor ein Untersuchungshäftling auf freien Fuß kommt.
Erst zuletzt hatte der Manager, der von dem bekannten Wirtschaftsanwalt Thilo Pfordte vertreten wird, wieder Haftbeschwerde eingelegt. Er soll in diesem Zusammenhang auch schwere Vorwürfe gegen die zuständige Justiz erhoben haben, als deren Opfer er sich sieht.
Denn nach wie vor hat Stadler offenbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht eingeräumt. Denen zufolge soll er den Verkauf von Dieselautos mit manipulierten Abgaswerten in Europa nach Aufdeckung der Betrügereien in den USA 2015 zumindest geduldet haben: Er habe davon gewusst oder sie zumindest bewusst ignoriert, vermuten die Staatsanwälte.
Darum geht der zuständige Senat in seiner Entscheidung auch davon aus, dass gegen den Beschuldigten weiterhin ein dringender Tatverdacht besteht. Zudem machten die Richter deutlich, dass auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr fortbesteht. Stadler soll versucht haben, in den Ermittlungen wegen des Diesel-Skandals bei Audi Zeugen oder Beschuldigte zu beeinflussen.
Trotzdem kam der 55-Jährige frei. Warum gerade jetzt?, lautet die Frage. In Audi-Kreisen wird vermutet, dass die Verdunkelungsgefahr inzwischen als geringer angesehen wird, weil Stadler als Audi-Chef und Volkswagen-Konzernvorstand inzwischen freigestellt wurde und somit gegenüber anderen Beteiligten im Diesel-Skandal keine dienstlichen Weisungen mehr geben kann.
Er erhält aber ein Kontaktverbot als Auflage. Er darf also mit keinen Beteiligten im Diesel-Skandal sprechen. Der Senat hält es für verantwortbar, die Untersuchungshaft unter diesen Auflagen außer Vollzug zu setzen, heißt es offiziell.
Dabei könnte er schon am nächsten Samstag zufällig einen alten Bekannten wiedertreffen – sofern er zum Fußballspiel des FC Bayern gegen Freiburg in die Allianz-Arena gehen würde. Denn wie der frühere Volkswagen-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, der im DieselSkandal ebenfalls zu den Beschuldigten gehört, sitzt Stadler nach wie vor im Aufsichtsrat beim FC Bayern.
Wahrscheinlich wird der Manager allerdings nach vier Monaten in der Justizvollzugsanstalt Besseres zu tun haben, als ins Fußballstadion zu pilgern. Zumal klar ist: Sollte die Staatsanwaltschaft von so einem Treffen Wind bekommen, könnte das als Verstoß gegen die Auflagen gewertet und der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt werden.
Stadler, einer der erfolgreichsten Manager in der Geschichte des Audi-Konzerns, war Mitte Juni im Zuge des Diesel-Skandals wegen Verdunkelungsgefahr überraschend vor der Fahrt ins Büro in seinem Haus in Ingolstadt verhaftet worden. Der Audi-Chef wurde daraufhin beurlaubt. Anfang Oktober trennte sich der VW-Konzern dann von ihm. Als Grund führte das Unternehmen die Untersuchungshaft an. Audi wird seitdem kommissarisch von Vertriebsvorstand Bram Schot geführt. Dass Stadler in seine frühere Position zurückkehrt, gilt als ausgeschlossen.