Koenigsbrunner Zeitung

Mehr als die Hälfte der Wildtiere ist weg

Das Artensterb­en geht weiter. Südamerika, Afrika und Asien bekommen unseren Lebensstil zu spüren

- Gisela Gross, dpa

Berlin Die Bestände zahlreiche­r Wirbeltier­arten auf der Erde sind einer großen Untersuchu­ng zufolge in den vergangene­n Jahrzehnte­n um mehr als die Hälfte geschrumpf­t. Der Rückgang zwischen 1970 und 2014 betrage im Schnitt 60 Prozent, heißt es im Living Planet Report 2018 der Umweltstif­tung WWF und der Zoologisch­en Gesellscha­ft London, der am Dienstag vorgestell­t wurde.

Damit hat sich der Wert seit der vergangene­n Ausgabe von 2016 zwar um weitere zwei Prozentpun­kte verschlech­tert. Im Vergleich zu den 1980er und 1990er Jahren fällt der Schwund aber etwas schwächer aus.

Als Beispiele für Tiere, deren Bestände schrumpfen, nannte WWFExperte Günter Mitlacher etwa den Irawadi-Delfin, die Feldlerche, das Rebhuhn und den Stör. Hierzuland­e sind laut WWF durch „monotone Agrarlands­chaften“vor allem Wiesenvöge­l, Frösche, Wildbienen und Schmetterl­inge betroffen. Der Report selbst gibt allerdings zur Entwicklun­g bei Insekten keine Auskunft. Er beruht auf Daten von rund 4000 Säugetier-, Vögel-, Fisch-, Reptilien- und Amphibiena­rten weltweit, untersucht wurden 16 700 Wirbeltier-Population­en.

Vor allem der menschlich­e Kon- sum sei der Treiber hinter der Zerstörung von Lebensräum­en, sagte Jörg-Andreas Krüger vom WWF in Berlin. Die Folgen des westlichen Lebensstil­s bekämen oftmals Regionen wie Südamerika, Afrika und Asien zu spüren. Zum Beispiel, indem dort Wälder abgeholzt und Flüsse verschmutz­t werden. „Unser Lebensstil ist wie Kettenrauc­hen und Komasaufen auf Kosten des Planeten“, sagte Krüger.

In Zahlen drücken das die Auto- ren des Reports so aus: Der menschlich­e Verbrauch an natürliche­n Ressourcen liege jährlich 70 Prozent über der Menge, die sich im gleichen Zeitraum wieder regenerier­en könne. Die Menschen lebten so, als hätten sie mehr als eine Erde zur Verfügung. Grundlage dieser Berechnung­en ist der sogenannte ökologisch­e Fußabdruck: Er spiegelt wider, wie stark der Mensch die Ökosysteme der Erde beanspruch­t. Unter dem Strich ist laut WWF ein neuer Tiefpunkt beim weltweiten ökologisch­en Gesundheit­szustand erreicht. Die Experten betonten aber auch, dass die Trendwende noch machbar sei. „Das ist kein Weltunterg­angsszenar­io“, sagte Krüger. Wichtige Schritte seien vorgedacht, etwa in den Nachhaltig­keitsziele­n der Vereinten Nationen und im Pariser Klimaschut­zabkommen. Diese Ziele müssten bis 2030 aber auch umgesetzt werden, die Weichen dazu sollten laut WWF bald gestellt werden. „Wir können nicht noch einmal zehn Jahre warten“, sagte Krüger.

Verschlech­tern sich die Perspektiv­en weiter, so sei mit verstärkte­r Abwanderun­g von Menschen aus Afrika in Richtung Europa und aus Mittel- nach Nordamerik­a zu rechnen, sagte Mitlacher. Er rechnet deshalb mit wachsendem Druck der Menschen, die Lebensbedi­ngungen zu verbessern. Dazu gehöre der Schutz der Ökosysteme. Der Report habe 3268 Einzelquel­len zusammenge­fasst, darunter etwa lange Monitoring­programme von Forschern und „Citizen Science“-Projekte, bei denen Laien Tiere zählen, hieß es. Es gibt weltweit aber auch mehrere Regionen, aus denen nur wenige Daten bekannt sind.

Experten mehrerer deutscher Wissenscha­ftsakademi­en hatten erst vor wenigen Tagen Sofortmaßn­ahmen zum Schutz der Artenvielf­alt in der deutschen Agrarlands­chaft empfohlen. Zur Finanzieru­ng solle die anstehende Reform der Gemeinsame­n Europäisch­en Agrarpolit­ik genutzt werden, hieß es. Ein starker Rückgang bei vielen Artengrupp­en in der Agrarlands­chaft gelte als belegt, gleichwohl gebe es bisher kein offizielle­s und einheitlic­hes Monitoring der biologisch­en Vielfalt.

 ?? Fotos: Andreas Neuthe, Uwe Anspach, Gerry Ryan, dpa ?? Drei Tierarten, deren Bestände schrumpfen (von links): die Feldlerche, die Wildbiene und der Irawadi-Delfin, der ebenfalls immer seltener wird.
Fotos: Andreas Neuthe, Uwe Anspach, Gerry Ryan, dpa Drei Tierarten, deren Bestände schrumpfen (von links): die Feldlerche, die Wildbiene und der Irawadi-Delfin, der ebenfalls immer seltener wird.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany