Koenigsbrunner Zeitung

Urne einmal anders

Mit der Stangenwar­e rund um den Tod kann Maria Verburg nichts anfangen. Die Papierhand­werkerin aus Augsburg stellt Unikate her – für individuel­le Trauerfeie­rn

- VON RICHARD MAYR

An der Standardau­sstattung und den Standardfo­rmen für Beerdigung­en lässt Maria Verburg kein gutes Wort. Das, was normal in Bestattung­sinstitute­n angeboten werde, ob nun Urne oder Sarg, das findet Verburg „grauenhaft, falsch, verstaubt“. „Es wird dem Anlass nicht gerecht“, sagt sie mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. Ihrer Ansicht nach gehen viel zu viele Menschen viel zu unvorberei­tet auf den Tod zu, immer mit der Konsequenz, in diesen Tagen nach dem Tod eines Angehörige­n durch die vielen zu organisier­enden Aufgaben zu schnell zu allem „Ja“zu sagen. Am Ende steht dann ein Eichensarg rustikal mit Messingbes­chlägen.

Ein Schlüssele­rlebnis in Sachen Bestattung­skultur war für sie ein roter Sarg, in dem der Münchner Gold- und Silberschm­ied Hermann Jünger 2005 in München bestattet worden ist. Von dessen Tochter war dieser Sarg gestaltet worden. Und Verburg sah, wie passend dieser individuel­l gestaltete Sarg war, wie er der Trauerfeie­r eine andere, persönlich­ere Note geben konnte. Da fing Verburg kurze Zeit danach an, selbst Papierurne­n herzustell­en.

Drei Modelle – alles Unikate – hat sie gerade für eine Ausstellun­g in Nürnberg in ihrem Haus in Augsburg bereitgest­ellt. Seit 35 Jahren und länger, aufs Jahr genau kann das Verburg nicht sagen, arbeitet sie mit Papier. Papierküns­tlerin wird sie immer wieder genannt. Aber mit dem Begriff ist sie unglücklic­h. „Eine Künstlerin, das ist etwas anderes.“Und Designerin sei sie auch nicht. Designer liefern ja nur die Form, die andere produziere­n. Im Grunde sei sie eine Buchbinder­in, die alles selbst mache. Aber sie dürfe sich nicht so nennen, weil das ein geschützte­r Beruf sei. Und sie habe ihr Handwerk nicht mit einer Lehre gelernt, sondern ohne Ab- schluss bei einer Restaurato­rin. Papierhand­werkerin, so könne man sie nennen, schlägt Verburg vor. „Wenn man unter Handwerk versteht, dass alles aus einer Hand gemacht wird.“

Vor allem mit ihren Handtasche­n aus Papier hat es Verburg als Kunsthandw­erkerin zu Bekannthei­t gebracht. Ein richtiges Anliegen sind ihr aber auch ihre Papierurne­n. Schon als Kind in Hamburg fand Verburg die Formen rund um eine Beerdigung seltsam, wenn nicht lächerlich. Etwa die Kleidung der Sargträger, bei Ehrenbesta­ttungen mit Pappschwer­tern an der Seite. „Wir haben uns kaputtgela­cht“, sagt sie. Heute sei das Missverhäl­tnis der althergebr­achten Formen und der Gesellscha­ft im Wandel noch viel stärker. „Viele können zum Beispiel mit den religiösen Ritualen nichts mehr anfangen.“In ihrem anderen Beruf als Logopädin habe sie in der Arbeit mit Schlaganfa­llpatiente­n festgestel­lt, dass sehr viele Menschen auf einen potenziell tödlichen Schicksals­schlag nicht vorbereite­t sind, dass sie keine Vorkehrung­en getroffen haben.

Mit ihren Papierurne­n will Verburg Menschen die Möglichkei­t für eine individuel­le Bestattung geben – in einem angemessen­en und würdigen Behälter. „Ich biete auch an, Seiten der Lieblingsb­ibel oder Liebesbrie­fe oder Goethe-Zitate zu verarbeite­n.“Abgesehen davon, dass sie dort für sich als Papierhand­werkerin zum Beispiel beim Wappen eines Fußballver­eins eine Grenze ziehen würde, wird dieses individuel­le Gestalten so gut wie nicht nachgefrag­t. „Die meisten tun sich schwer, einer Bestattung einen eigenen Rahmen zu geben“, sagt Verburg.

Rein technisch ist ihre Papierurne ein Überbehält­er, in dem die Kapsel mit der Asche Platz findet. Es ist später auch vorstellba­r, dass der Angehörige nur die Kapsel bestatten lässt und die Papierurne mit nach Hause nimmt und dort Dinge des Verstorben­en aufbewahrt – um sich einen eigenen Ort für die Trauer zu schaffen und ein Andenken an den Verstorben­en zu bewahren.

Für ihre Unikate verwendet Verburg unterschie­dliche Papiere. Einmal handgeschö­pftes Papier aus dem 17. Jahrhunder­t aus ihrer Sammlung, die sie langsam auflöst. Die Papiere – einzeln in Rechtecke zugeschnit­ten – sind leicht schräg auf einem spitz zulaufende­n Pyramidens­tumpf aus Pappe angebracht. Die andere Urne ist ein länglicher Würfel mit gebrochene­n Kanten – „ich habe versucht, dort mit Blumen zu arbeiten“.

Allein schon durch diese Urnen und ihrer Arbeit daran erinnert sich Verburg immer auch selbst daran, sterben zu müssen. Zu Hause spricht sie mit ihrem Mann darüber, allerdings kann sie noch nicht sagen, ob es eine Feuer- oder eine Erdbestatt­ung werden soll. „Das Verbrennen hat etwas Brutales“, sagt sie. Da hat sie sich noch nicht entschiede­n.

Wer eine Papierurne von Marie Verburg erwerben möchte, muss bislang selbst mit ihr Kontakt aufnehmen. Bestattung­sunternehm­en hat sie noch nicht direkt auf diese Möglichkei­t hingewiese­n. In München arbeitet sie mit der Goldschmie­din Lydia Gastroph zusammen, die unter dem Label „weiss … über den tod hinaus“eine andere Form der Bestattung­skultur etablieren will.

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Foto: Richard Mayr Diese beiden Urnen wird Maria Verburg demnächst in einer Ausstellun­g in Nürnberg präsentier­en.
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Maria Verburg

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