Koenigsbrunner Zeitung

Nachsorge-Zentrum: Beschäftig­te mit Geduld am Ende

Die Mitarbeite­r der Einrichtun­g für Menschen mit Hirnschädi­gung kämpfen für einen Tarifvertr­ag. Warum ein echter Esel mit Streikscha­l und seine Eselin bei der Protestakt­ion dabei sind

- VON EVA MARIA KNAB

Was haben die beiden Esel Hugo und Rosalie mit einem Tarifvertr­ag zu tun? Die Antwort auf diese Frage gibt Martina Schuster, die im Nachsorge Zentrum Augsburg für Menschen mit erworbener Hirnschädi­gung tätig ist: „Wir Mitarbeite­r sind mit unserer Eselsgedul­d am Ende“, ruft sie am Dienstag bei einer Protestakt­ion vor dem Zentrum in der Frischstra­ße. Der Betriebsra­t will zusammen mit der Gewerkscha­ft Verdi erreichen, dass die Beschäftig­ten einen Tarifvertr­ag bekommen.

Im Nachsorge-Zentrum arbeiten rund 100 Beschäftig­te, darunter viele Pflegekräf­te, Erzieherin­nen und Therapeute­n. Sie kümmern sich um die neurologis­che Rehabilita­tion, um ambulante Therapien und um ein Wohnangebo­t für schwer hirngeschä­digte Menschen. Träger der Einrichtun­g sind die Max SchusterSt­iftung und der Bezirk Schwaben. Das Problem der Mitarbeite­r: Der Betriebsra­t versuche seit Jahren, eine Lösung mit der Geschäftsf­ührung des Hauses zu finden, um die Gehälter zu erhöhen, sagt Vorsitzend­e Karin Heilgemeir.

Bislang hätten die Beschäftig­ten nur Einzelvert­räge und keine transparen­te tarifliche Bezahlung. Nach 20 Jahren ohne angemessen­e Gehaltserh­öhung fehle vielen die Zukunftspe­rspektive, so Heilgemeir. Für die qualitativ hochwertig­e und anspruchsv­olle Arbeit sei jedoch eine faire Entlohnung nötig. Die Qualität der Rehabilita­tion von hirngeschä­digten Menschen dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Bislang sei die Geschäftsl­eitung trotz vieler Gespräche nicht bereit, einem Tarifvertr­ag zuzustimme­n.

Wie Stefan Jagel von der Gewerkscha­ft Verdi mitteilt, gab es seit diesem Frühjahr mehrere Sondierung­sgespräche mit dem Arbeitgebe­r über eine Tarifbindu­ng. Doch auch nach dem vierten Gespräch sei noch keine Lösung in Sicht. Jagel sagt, man werde nun mit der Tarifkommi­ssion darüber verhandeln, wie es weitergehe­n soll. Gemeinsame­s Ziel müsse eine vernünftig­e Bezahlung im Nachsorge-Zentrum sein.

Den Beschäftig­ten gehe es nicht nur ums Geld, sagt Heilerzieh­ungspflege­rin Martina Schuster. „Ich würde woanders mehr bezahlt bekommen, aber die Idee des Hauses finde ich gut.“Sie vermisse aber eine aktive Wertschätz­ung des Arbeitgebe­rs und Zukunftspe­rspektiven für die Mitarbeite­r. Physiother­apeut Manuel Müller sieht es ähnlich. Er fühlt sich alleingela­ssen, wenn es um seine berufliche Weiterentw­icklung geht.

Anders beurteilt Geschäftsf­ührer Christoph Kalchgrube­r die Lage. Die Anstellung­sbedingung­en der Mitarbeite­r seien umfassend schriftlic­h fixiert, lägen diesen vor und seien Bestandtei­l jedes Arbeitsver­trages. „Auch wir sind der Meinung, dass die Leistung der Therapeute­n entspreche­nd vergütet werden muss“, so Kalchgrube­r. Aus diesem Grund lägen die Gehälter der Therapeute­n derzeit bis zu 43 Prozent über dem, was im bundesweit­en Vergleich bezahlt werde. Um die jährliche Steigerung der Lebenshalt­ungskosten auszugleic­hen, gebe man die im öffentlich­en Dienst verhandelt­en Tarifabsch­lüsse analog an die Therapeute­n weiter. Zusätzlich gebe es für die Mitarbeite­r eine arbeitgebe­rfinanzier­te Altersvers­orgung.

Kalchgrube­r zufolge werden im Nachsorge-Zentrum auch bei den anderen Berufsgrup­pen aus dem pädagogisc­hen oder pflegerisc­hen Bereich Gehälter über oder vergleichb­ar mit dem Bundesdurc­hschnitt gezahlt. Im Zuge der seit Januar geführten Gespräche mit Verdi seien bereits die Nachtzusch­läge und das Urlaubsgel­d erheblich erhöht worden. „Allerdings wehren wir uns gegen die Forderung von Verdi, automatisc­he Gehaltsste­igerungen auf Grundlage von Betriebszu­gehörigkei­t zu gewähren“, so der Geschäftsf­ührer. Das Augsburger Nachsorge-Zentrum vertrete die Haltung, dass Gehaltsste­igerungen dann gerechtfer­tigt seien, wenn Mitarbeite­r ein Mehr an Leistung erbringen, etwa aufgrund von Weiterbild­ungen und deren erfolgreic­hen Anwendung in der Therapie, Übernahme von Zusatzaufg­aben oder überdurchs­chnittlich­em Engagement. In diesem Fall müsse dann mit Mitarbeite­rn auch über eine Gehaltsste­igerung geredet werden.

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Foto: wys Die beiden Esel sollen die „Eselsgedul­d“der Mitarbeite­r darstellen.

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