In Bayern endet auch das Leben anders
Die Filmemacherin Sarah Benz zeigt im Internet und in Königsbrunn ihre Sarggeschichten. Die Filme geben Hilfe zum Thema Särge, Tod und Beerdigung, doch es gelten nicht für alle die gleichen Regeln
Mit den „Sarggeschichten“hat Jürgen Müller als Vorsitzender der Zeitbörse, eine Veranstaltung in Königsbrunn initiiert, die ziemlich einzigartig sein dürfte. Allein, dass die Ideengeberin und Hauptmoderatorin der mittlerweile neun Filme über Särge, Beerdigungen und Trauer, von Berlin ins Le Tresor kam, zeigte, wie wichtig allen Beteiligten das Thema ist. Und mit wie viel Engagement und Herzblut Sarah Benz ihre „Sarggeschichten“den Menschen nahebringen möchte.
Anschauen kann sich diese ja schließlich jeder auf dem Videoportal YouTube alleine, aber Benz ist es auch wichtig, dass über das Gesehene und Gehörte diskutiert wird, sowie ein Gedankenaustausch stattfindet. „Ich bin neugierig, welche Fragen und Anregungen Sie haben“, ermunterte sie die zahlreich erschienenen Besucher zum Dialog.
Benz erklärte ihre Motivation, Filme über sämtliche Fragen rund um den Tod und die vielen Möglichkeiten für Angehörige und Freunde, damit umzugehen, zu drehen und ausgerechnet auf YouTube zu stellen, so: „Für alles gibt es dort eine Anleitung, wie repariere ich meine Waschmaschine, wie verlege ich Laminat, aber wenn jemand Hilfe sucht im Umgang mit dem Tod, suchte er dort vergebens“. Bis Benz zusammen mit Jan Möller diesem Zustand ein Ende bereitete. Seit 2015 produzieren sie die Kurztrailer und die mittlerweile gezählten Klicks zeigen, dass großer Bedarf an den Ratschlägen der Trauerbegleiterin besteht.
Denn obwohl ja jeder einmal sterben wird, spielt das Thema Tod im Alltag kaum eine Rolle, wie auch Zuhörer Helmut Gastl anmerkte: „Es ist wichtig bereits zu Lebzeiten darüber zu sprechen, sonst kommen Betroffene und Angehörige in die Situation, in kurzer Zeit wichtige Entscheidungen ganz schnell treffen zu müssen.“Der Hospizbegleiter aus Schwabmünchen sagte auch: „Sterben ist nichts Schlimmes, wenn man sich vorher damit beschäftigt“.
Das taten zumindest die Gäste im Le Tresor sehr intensiv. Nach jedem der gezeigten Kurzfilme gab es zahlreiche Wortmeldungen mit teils sehr persönlichen Erfahrungsberichten. Gerade auch zum Film „Was kann ich sagen, wenn jemand gestorben ist?“wurde deutlich, wie sehr Angehörige darunter leiden, wenn Freunde und Bekannte sich zurückziehen, weil sie nicht wissen, wie sie ihr Beileid ausdrücken sollen. Wer also beim nächsten Mal selbst nicht weiß, wie finde ich die richtigen Worte, was sind überhaupt richtige Worte, der kann sich diesen Film anschauen.
Wobei Benz ganz klar formuliert, dass es sich um Anregungen handelt und nicht wie beim Waschmaschinen reparieren um eine genaue Gebrauchsanweisung. Ganz neue Aspekte für die sicherlich meisten Anwesenden zeigte auch der Trailer „Wie versorgt man einen Verstorbenen?“, der schon über 300 000 Mal im Internet aufgerufen wurde. Dort wird sehr liebevoll gezeigt, wie Angehörige und Freunde einen Toten waschen, eincremen und anschließend mit Lieblingsstücken anziehen können. Wobei sich in der anschließenden Diskussionsrunde zeigte, dass zwischen Berlin und Bayern große Gesetzesunterschiede bestehen. Silvia Veney vom gleichnamigen Bestattungsinstitut musste mehrere Male im Verlauf des Abends darauf hinweisen, dass verschiedene zwar sehr einfühlsame und schöne Abläufe so im Freistaat leider nicht durchführbar seien. Das bestätigten auch Sigrid Pforr, Susanna Schönborn und Silvia Regener vom ökumenischen Hospizverein Christrose Königsbrunn.
In Königsbrunn sei der Zeitrahmen im Gegensatz zu Berlin vom Tod bis zur Beerdigung eng. Rückmeldungen dieser Art veranlassten Sara Benz zum Seufzen: „In Bayern ist halt alles etwas anders.“Das meinte sie nur halb scherzhaft, denn sie ist neben ihren anderen Tätigkeiten tatsächlich noch mindestens einmal im Monat als Bestatterin tätig. Und ihr Anliegen ist unter anderem, dass die Menschen sich bewusst machen, dass sie Rechte haben, beispielsweise ihre Toten aus dem Krankenhaus noch einmal nach Hause zu bringen, entsprechend zu betrauern, zu versorgen, aufzubahren und vieles mehr. Wenn sich Angehörige durchsetzen und auch gegen Verordnungen protestieren, die anscheinend nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern gar von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind, dann könne sich vielleicht auch so Manches wieder ändern.
Jürgen Müller fasste das zum Abschluss so zusammen: „Allein dass wir heute alle da waren und unsere Eindrücke weitersagen werden, hilft vielleicht auch ein bisschen mit, das Friedhofsverordnungen eventuell wieder aufgebrochen werden.“
Und das wäre sicher gar nicht so schlimm, denn wie Benz erklärte: „Immerhin beerdigen wir unsere Verstorbenen seit vielen tausenden von Jahren, wir können das also.“