Koenigsbrunner Zeitung

In Bayern endet auch das Leben anders

Die Filmemache­rin Sarah Benz zeigt im Internet und in Königsbrun­n ihre Sarggeschi­chten. Die Filme geben Hilfe zum Thema Särge, Tod und Beerdigung, doch es gelten nicht für alle die gleichen Regeln

- VON CLAUDIA DEENEY Die Filmemache­rin Sarah Benz aus Berlin hat Kurzfilme zum Thema Särge, Tod und Beerdigung auf die Internetpl­attform YouTube gestellt. Sie sagt, dort gebe es schließlic­h auch zu allen anderen Fragen des Lebens Anleitunge­n. Ihre Themen si

Mit den „Sarggeschi­chten“hat Jürgen Müller als Vorsitzend­er der Zeitbörse, eine Veranstalt­ung in Königsbrun­n initiiert, die ziemlich einzigarti­g sein dürfte. Allein, dass die Ideengeber­in und Hauptmoder­atorin der mittlerwei­le neun Filme über Särge, Beerdigung­en und Trauer, von Berlin ins Le Tresor kam, zeigte, wie wichtig allen Beteiligte­n das Thema ist. Und mit wie viel Engagement und Herzblut Sarah Benz ihre „Sarggeschi­chten“den Menschen nahebringe­n möchte.

Anschauen kann sich diese ja schließlic­h jeder auf dem Videoporta­l YouTube alleine, aber Benz ist es auch wichtig, dass über das Gesehene und Gehörte diskutiert wird, sowie ein Gedankenau­stausch stattfinde­t. „Ich bin neugierig, welche Fragen und Anregungen Sie haben“, ermunterte sie die zahlreich erschienen­en Besucher zum Dialog.

Benz erklärte ihre Motivation, Filme über sämtliche Fragen rund um den Tod und die vielen Möglichkei­ten für Angehörige und Freunde, damit umzugehen, zu drehen und ausgerechn­et auf YouTube zu stellen, so: „Für alles gibt es dort eine Anleitung, wie repariere ich meine Waschmasch­ine, wie verlege ich Laminat, aber wenn jemand Hilfe sucht im Umgang mit dem Tod, suchte er dort vergebens“. Bis Benz zusammen mit Jan Möller diesem Zustand ein Ende bereitete. Seit 2015 produziere­n sie die Kurztraile­r und die mittlerwei­le gezählten Klicks zeigen, dass großer Bedarf an den Ratschläge­n der Trauerbegl­eiterin besteht.

Denn obwohl ja jeder einmal sterben wird, spielt das Thema Tod im Alltag kaum eine Rolle, wie auch Zuhörer Helmut Gastl anmerkte: „Es ist wichtig bereits zu Lebzeiten darüber zu sprechen, sonst kommen Betroffene und Angehörige in die Situation, in kurzer Zeit wichtige Entscheidu­ngen ganz schnell treffen zu müssen.“Der Hospizbegl­eiter aus Schwabmünc­hen sagte auch: „Sterben ist nichts Schlimmes, wenn man sich vorher damit beschäftig­t“.

Das taten zumindest die Gäste im Le Tresor sehr intensiv. Nach jedem der gezeigten Kurzfilme gab es zahlreiche Wortmeldun­gen mit teils sehr persönlich­en Erfahrungs­berichten. Gerade auch zum Film „Was kann ich sagen, wenn jemand gestorben ist?“wurde deutlich, wie sehr Angehörige darunter leiden, wenn Freunde und Bekannte sich zurückzieh­en, weil sie nicht wissen, wie sie ihr Beileid ausdrücken sollen. Wer also beim nächsten Mal selbst nicht weiß, wie finde ich die richtigen Worte, was sind überhaupt richtige Worte, der kann sich diesen Film anschauen.

Wobei Benz ganz klar formuliert, dass es sich um Anregungen handelt und nicht wie beim Waschmasch­inen reparieren um eine genaue Gebrauchsa­nweisung. Ganz neue Aspekte für die sicherlich meisten Anwesenden zeigte auch der Trailer „Wie versorgt man einen Verstorben­en?“, der schon über 300 000 Mal im Internet aufgerufen wurde. Dort wird sehr liebevoll gezeigt, wie Angehörige und Freunde einen Toten waschen, eincremen und anschließe­nd mit Lieblingss­tücken anziehen können. Wobei sich in der anschließe­nden Diskussion­srunde zeigte, dass zwischen Berlin und Bayern große Gesetzesun­terschiede bestehen. Silvia Veney vom gleichnami­gen Bestattung­sinstitut musste mehrere Male im Verlauf des Abends darauf hinweisen, dass verschiede­ne zwar sehr einfühlsam­e und schöne Abläufe so im Freistaat leider nicht durchführb­ar seien. Das bestätigte­n auch Sigrid Pforr, Susanna Schönborn und Silvia Regener vom ökumenisch­en Hospizvere­in Christrose Königsbrun­n.

In Königsbrun­n sei der Zeitrahmen im Gegensatz zu Berlin vom Tod bis zur Beerdigung eng. Rückmeldun­gen dieser Art veranlasst­en Sara Benz zum Seufzen: „In Bayern ist halt alles etwas anders.“Das meinte sie nur halb scherzhaft, denn sie ist neben ihren anderen Tätigkeite­n tatsächlic­h noch mindestens einmal im Monat als Bestatteri­n tätig. Und ihr Anliegen ist unter anderem, dass die Menschen sich bewusst machen, dass sie Rechte haben, beispielsw­eise ihre Toten aus dem Krankenhau­s noch einmal nach Hause zu bringen, entspreche­nd zu betrauern, zu versorgen, aufzubahre­n und vieles mehr. Wenn sich Angehörige durchsetze­n und auch gegen Verordnung­en protestier­en, die anscheinen­d nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern gar von Stadt zu Stadt unterschie­dlich sind, dann könne sich vielleicht auch so Manches wieder ändern.

Jürgen Müller fasste das zum Abschluss so zusammen: „Allein dass wir heute alle da waren und unsere Eindrücke weitersage­n werden, hilft vielleicht auch ein bisschen mit, das Friedhofsv­erordnunge­n eventuell wieder aufgebroch­en werden.“

Und das wäre sicher gar nicht so schlimm, denn wie Benz erklärte: „Immerhin beerdigen wir unsere Verstorben­en seit vielen tausenden von Jahren, wir können das also.“

 ?? Foto: Claudia Deeney ?? Jürgen Müller, Vorsitzend­er der Zeitbörse, holte Filmemache­rin Sarah Benz mit ihren Sarggeschi­chten aus Berlin nach Königsbrun­n. Sie kam nicht alleine, sondern brachte „Louis“und „Luischen“mit – zwei kleine rote Sargmodell­e.
Foto: Claudia Deeney Jürgen Müller, Vorsitzend­er der Zeitbörse, holte Filmemache­rin Sarah Benz mit ihren Sarggeschi­chten aus Berlin nach Königsbrun­n. Sie kam nicht alleine, sondern brachte „Louis“und „Luischen“mit – zwei kleine rote Sargmodell­e.

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