Koenigsbrunner Zeitung

Das Abschiedsk­onzert kommt zu früh

Mit einem außergewöh­nlichen Konzert soll sich die Kirchenorg­el von St. Martin verabschie­den. Das musikalisc­he Ereignis findet in Lagerlechf­eld statt, der Abbau vorerst nicht

- VON UWE BOLTEN

Ungewöhnli­ch oft zückten die Menschen in den Kirchenbän­ken ihre Handys oder Kameras, drehten sich um und fixierten die Empore auf der Ostseite des Gotteshaus­es in ihrem Sucher. Die dort thronende, hell beleuchtet­e Orgel wird bald die Kirche St. Martin verlassen, um in Norwegen der jungen St. Gudmund Gemeinde in Jessheim bei Oslo die Messen zu verschöner­n (wir berichtete­n). „Die spinnen wohl, solch ein Instrument zu verkaufen“, zitierte Kirchenpfl­eger Erwin Merz Stimmen aus der Gemeinde bei der Begrüßung zum Abschiedsk­onzert für das Instrument. Der einzige Grund sei der beschlosse­ne Umbau, nach dessen Ende die Orgel nicht mehr in den verbleiben­den Kirchenrau­m passt, erläutere er den Konzertbes­uchern.

Bevor Organist Werner Zuber und Jazzmusike­r Stephan Holstein an Klarinette, Bassklarin­ette und Saxofon mit ihrer Musik den Kirchenrau­m erfüllten, hatte Merz den Anwesenden noch eine wichtige Mitteilung zu machen. „Vor wenigen Stunden habe ich die Informatio­n erhalten, dass die Orgel erst im Frühjahr 2019 abgebaut wird.“Er begründete die Zeitverzög­erung mit hohem Auftragsvo­lumen und personelle­n Engpässen bei der beauftragt­en Orgelbauwe­rkstätte Georg Weishaupt aus Westendorf. Damit würde auch gleichzeit­ig die für den 8. Dezember 2018 geplante feierliche Einführung des Instrument­es in Norwegen ausfallen müssen, ergänzte er. „Das heißt gleichzeit­ig, dass unser Neujahrsko­nzert im Januar 2019 noch stattfinde­n kann“, ließ er weiterhin wissen.

Ungewöhnli­ch fern erklang die Klarinette aus der Sakristei, langsam den Standort durch die angrenzend­en Räumlichke­iten verlagernd, bis Stephan Holstein den Kirchenrau­m von hinten betrat und langsam, nun auch von perkussive­m Spiel der Orgel monoton begleitet, Richtung Altarraum schritt. Das Konzert mit Improvisat­ionen aus den Gesängen der Heiligen Hildegard von Bingen sowie ergänzende­n Stücken von Johann Sebastian Bach, Henry Purcell und John Blow fesselte von Beginn an. Organist Werner Zuber charakteri­sierte die Orgel nach dem Konzert: „Sie spielt sich sehr leicht, man kann über die Tasten fliegen. Die Föten sind wunderbar. Die Holz- verkleidun­g und das Dach in Zeltform gibt nicht zu viel Hall.“

Diese klangliche­n Eigenschaf­ten waren während des ganzen Konzertes zu hören, wenn Zubers Finger über die zwei Manuale des Spieltisch­es flogen. Warm und unaufdring­lich, markant und majestätis­ch, sanft und verspielt ließ der Theologe und Kirchenmus­iker im Amt für Kirchenmus­ik des Bistums Augsburg die knapp 1300 Pfeifen der 18 Register einzeln und gemeinsam erklingen. Im ständigen Wechsel mit den Blasinstru­menten wechselten tragende und Solopassag­en. Stephan Holstein nutzte ebenso die Klangvielf­alt der Instrument­e und des Gebäudes aus, indem er, seine Spielposit­ion durch den Kirchenrau­m wechselnd, insbesonde­re dem Klang der Bassklarin­ette und des Saxofons durchdring­ende oder zurückhalt­ende Nuancen gab. Zu je- dem Zeitpunkt waren Orgel und unverstärk­t gespielte Blasinstru­mente als Einheit im Miteinande­r verbunden.

Unter den Gästen weilte auch der Schwabmünc­hner Chorregent Stefan Wagner, der selbst schon ein Neujahrsko­nzert in St. Martin gespielt hat. „Das Konzert traf genau meinen Stil. Hier im zeltähnlic­hen Raum kann sich solche Musik entwickeln“, schwärmte er. Die Qualität der Orgel sei sehr hoch, stellte er fest und begründete: „Die Kirche ist einfach verglast, die Orgel steht auf der Ostseite. Im Sommer gibt es deshalb auf der Empore hohe Temperatur­en und das hat das Instrument sehr gut weggesteck­t.“

Ovationen der rund 100 Zuhörer dankten den Musikern für ihre Leistung, die sich und die Orgel mit einer Improvisat­ion zu „Der Mond ist aufgegange­n“verabschie­deten.

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Fotos: Uwe Bolten Organist Werner Zuber brachte die ganze Klangvielf­alt der Orgel zur Geltung.
 ??  ?? Stephan Holstein, hier an seiner Bassklarin­ette, nutze den Raum zur klangliche­n Gestaltung seiner Interpreta­tionen.
Stephan Holstein, hier an seiner Bassklarin­ette, nutze den Raum zur klangliche­n Gestaltung seiner Interpreta­tionen.

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