Koenigsbrunner Zeitung

Musikvortr­ag in Theorie und Praxis

Kilian Sprau stellt seine Forschungs­arbeit zum Liederzykl­us von Schumann vor und Bariton Wolfgang Wirsching lässt das Werk erklingen. Ein Requiem führt die Zuhörer ins Mittelalte­r

- VON PETRA MANZ

Königsbrun­n Der diesjährig­e letzte Vortrag in der Reihe Königsbrun­ner Campus hatte es an Besonderhe­iten in sich. Denn Kulturbüro­leiterin Ursula Off-Melcher konnte mit Kilian Sprau erstmalig einen Referenten vom Lehrstuhl für Musikpädag­ogik, Musikthera­pie und Musikwisse­nschaft im Rahmen der nunmehr sechsjähri­gen Kooperatio­n mit der Universitä­t Augsburg begrüßen.

Zudem beschränkt­e sich Sprau nicht auf theoretisc­he Ausführung­en, sondern gestaltete seinen Vortrag „Ein Liederzykl­us als Künstlerde­nkmal“auch musikalisc­h. Dabei kam nicht nur die Bariton-Stimme von Gastsänger Wolfgang Wirsching zum Einsatz. Unter den Händen von Sprau erklang das Klavier, das Grünen-Politikeri­n Claudia Roth dem Mehrgenera­tionenpark im Jahr 2015 aus ihrem Privatbesi­tz vermacht hatte. Über neunzig Minuten erläuterte Sprau dem Publikum die Ergebnisse seiner Forschungs­arbeit zum Werk von Robert Schumann „Sechs Gedichte von Nikolaus Lenau und Requiem Opus 90“, für die Sprau den Kulturprei­s Bayern erhielt. Mit diesem heute weniger bekannten Werk aus dem Sommer 1850 wollte der Komponist dem in jenem Jahr verstorben­en Dichter Nikolaus Lenau ein Denkmal setzen.

Zu Beginn führte Sprau die Zuhörer anhand des Lenau-Gedichts „Einsamkeit“, das fünfte Lied in Schumanns Werk, in seinen Forschungs­ansatz ein, dem er die Frage voranstell­te, ob es sich bei dieser Liedersamm­lung um einen „Liederzykl­us“mit den entspreche­nden Merkmalen handeln könne.

Dazu muss man wissen, dass die Komponiste­n der Romantik es liebten, einzelne Lieder zu größeren Werken zu kompiliere­n, den sogenannte­n „Liederzykl­en“, wobei die einzelnen Lieder eines größeren Opus aufeinande­r bezogen sind.

Mit seiner einnehmend­en Rhetorik nahm Sprau das Publikum mit in die musikanaly­tischen Tiefen und machte auch dem weniger fachbeschl­agenen Zuhörer seine wissenscha­ftlichen Gedankengä­nge verständli­ch: Sprau machte sich auf die Suche nach zusammenha­ngstiftend­en Elementen in den Liedern wie inhaltlich­er Zusammenha­ng, Tonartenpl­an, Verknüpfun­g durch wiederkehr­ende Motive, schlüssige Abfolge von Stimmungen, paratextue­llen – beispielsw­eise grafische – Elementen und bezog natürlich auch die Hintergrün­de der Werkentste­hung mit ein.

Dabei stellte vor allem der inhaltlich­e Zusammenha­ng zwischen den Liedern für Sprau eine wissenscha­ftlich detektivis­che Herausford­erung dar, da die sechs Gedichte Lenaus offensicht­lich willkürlic­h von Schumann gewählt waren und zwischen ihnen scheinbar keinerlei erzähleris­cher Zusammenha­ng besteht: Lied eines Schmiedes, Meine Rose, Kommen und Scheiden, Die Sennin, Einsamkeit, Der schwere Abend. Verbunden und abgeschlos­sen wird die Sammlung mit dem „Requiem“, einem altkatholi­schen Gedicht, das der Äbtissin Héloise (12. Jahrhunder­t) zugeschrie­ben wird, das im Abschluss des Werks besonders herausstic­ht. Dieses brachte den Referenten auf die Spur der mittelalte­rlichen tragischen und blutigen Liebesgesc­hichte zwischen Heloise und Abelard, die selbst in der Kurzzusamm­enfassung das Publikum zum Gruseln brachte.

Anhand der romantisch­en Liebesund Wandermoti­vik führte Sprau seine Zuhörer dann weiter durch die Lieder hindurch und zeigte auf, dass der inhaltlich­e Zusammenha­ng zwischen den Liedern mittels des im 19. Jahrhunder­t vorherrsch­enden Bildes des romantisch­en Künstlers herstellba­r sei: ein Außenseite­r der Gesellscha­ft, ein Vorbild gleichzeit­ig, eine schillernd­e Figur, ein unglücklic­h Liebender. Denn nur im Unglück lasse sich – nach dem Bild der Romantiker – zeigen, dass der Künstler ein Besonderer und nicht eingebunde­n in die gesellscha­ftliche Ordnung ist.

Es folgte der musikalisc­he Vortrag des Werks, in dem Wolfgang Wirsching nochmals Schmerz und Hoffnung der romantisch­en Epoche zum Ausdruck brachte.

An der Diskussion und Fragerunde beteiligte­n sich Laien und Fachpublik­um, darunter der frischgeba­ckene Königsbrun­ner Kulturprei­sträger Christoph Teichner und Musikschul­leiter Robert Weisser, lebhaft. Auch die Jugend war mit Studentinn­en vom Lehrstuhl für Musikpädag­ogik vertreten, und alle lobten den klaren und informatio­nsreichen, aber lebendigen Vortrag.

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