Koenigsbrunner Zeitung

Ein Schluck Wasser brachte sie ins Gefängnis

Porträt Acht Jahre saß die Katholikin Asia Bibi im muslimisch­en Pakistan in der Todeszelle. Nun ist sie wieder frei – und muss trotzdem um ihr Leben fürchten

- Rudi Wais

Wer acht Jahre in der Todeszelle sitzt, hat eigentlich nichts mehr zu verlieren. Das Leben von Asia Bibi allerdings ist draußen, in ihrer frisch gewonnenen Freiheit, womöglich stärker in Gefahr als drinnen, im Gefängnis. Der Oberste Gerichtsho­f Pakistans hat sie zwar vom Vorwurf der Gottesläst­erung freigespro­chen – vor dem Zorn der radikalen Islamisten aber schützt dieses Urteil die Christin Bibi nicht. Im Gegenteil. „Ich fühle, dass ihr Leben nicht sicher ist“, sagt ihr Mann Ashiq Mashi.

Der Fall, der weltweit für Aufsehen sorgt, beginnt vor neun Jahren mit einem Streit zwischen Asia Bibi und einigen muslimisch­en Arbeiterin­nen in ihrem Dorf in der Provinz Punjab. Dort soll sie behauptet haben, der wahre Prophet Gottes sei Jesus Christus und nicht Mohammed, weil der schließlic­h für die Sünden der Menschen am Kreuz gestorben sei – was aber habe Mohammed für die Menschen getan? Sie selbst bestreitet das, im November 2010 jedoch verurteilt ein Gericht die Mutter von fünf Kindern trotzdem zum Tode durch den Strang. Bis zum Freispruch Ende Oktober und ihrer Entlassung am Mittwochab­end lebt die 51-jährige in einer nicht einmal acht Quadratmet­er großen Zelle. Angeblich will die Gefängnisl­eitung so verhindern, dass sie ermordet wird. Sogar ihr

Essen muss sie sich selbst kochen, sie könnte ja vergiftet werden.

In einem Land, in dem Christen schon für weniger umgebracht werden als für einen abfälligen Satz über Mohammed, ist ein Freispruch keine Garantie auf ein unbeschwer­tes Leben in Freiheit. Aus Angst vor den Islamisten ist Bibis Familie untergetau­cht, ihr Anwalt hat sich nach Holland abgesetzt und auch zu ihr selbst führte bis gestern keine Spur. Berichte, sie sei ins Ausland geflohen, bestreitet die pakistanis­che Regierung, die sich den Protesten der Islamisten gegen den Freispruch gebeugt und ein weiteres Verfahren gegen Asia Bibi zugelassen hat. Ausgang ungewiss. Angeblich halten die Behörden sie an einem sicheren Ort versteckt. Früh schon hat ihr Mann die Regierunge­n Großbritan­niens, Kanadas und der USA um Asyl gebeten, bisher ohne Erfolg. Auch in Pakistan selbst hat Asia Bibi kaum noch Unterstütz­er, seit ihr vielleicht bekanntest­er erschossen wurde – der damalige Provinzgou­verneur Salman Taseer. Während er stets betonte, sie sei doch nur eine einfache, christlich­e Frau, fordern radikale Muslime die Hinrichtun­g der bekennende­n Katholikin, die von einem Moment auf den anderen in die Mühlen der Politik geraten ist.

Bis zu ihrer Verhaftung arbeitet Bibi als Tagelöhner­in in einer Obstplanta­ge. Als sie dort eines Tages einen Schluck Wasser trinkt, weigern sich ihre muslimisch­en Kolleginne­n, aus dem gleichen Becher zu trinken, weil er durch die Lippen der Christin verunreini­gt worden sei. Fünf Tage später sitzt Asia Bibi im Gefängnis.

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany