Scheuer wütet gegen Autobosse – und hat Erfolg
Abgas-Skandal Seit Jahren ringen Bundesregierung und Industrie um einen Diesel-Kompromiss. Jetzt bewegen sich die Hersteller
Berlin Am Tag zuvor hatte Andreas Scheuer noch eine Wutrede gehalten. Auf einem Treffen des Branchenverbands VDA am Mittwoch wetterte der Bundesverkehrsminister, die Autoindustrie habe einen „riesigen Nachholbedarf“, Vertrauen zurückzugewinnen und ihr Image zu verbessern. Einen Tag später trafen der CSU-Politiker und die Autobauer gleich wieder zusammen. Fünf Stunden lang haben sie verhandelt. Am Ende gab es einen Durchbruch: Die Autoindustrie erklärte sich bereit, bis zu 3000 Euro pro Auto für eine Nachrüstung ausgeben zu wollen.
Dazu können auch die von den Herstellern skeptisch beurteilten Hardware-Nachrüstungen an Motoren und Abgaseinrichtungen gehören. VW, Daimler und BMW wollen ihre Angebote an betroffene Kunden aufstocken, wie der VDA nach dem Gespräch mitteilte. Die drei Unternehmen hätten fahrzeugbezogen bis zu 3000 Euro für „Mobilitätslösungen“in den „Intensivstädten“zugesagt, hieß es weiter. Bundesverkehrsminister Scheuer sagte, die Hersteller hätten sich „sehr stark bewegt“. Er sprach von einem „konstruktiven Ergebnis“. Verbraucherschützer und Opposition kritisierten die Einigung.
Die Hersteller hatten bereits höhere Preisnachlässe auf den Weg gebracht, wenn Kunden ihre alten Diesel in Zahlung geben und einen saubereren Wagen kaufen. Diese Regelung gilt allerdings nur für 15 „Intensivstädte“in Deutschland, in denen Schadstoff-Grenzwerte vor allem durch Dieselabgase besonders stark überschritten werden. Die „Umtauschprämien“laufen je nach Hersteller bis 2019 und 2020.
Diese Umtauschaktionen sollen weiter im Vordergrund stehen, betonte Scheuer. Nutzen aber betroffene Dieselbesitzer diese Aktionen nicht, sind weitere Maßnahmen geplant. Demnach sind Volkswagen und Daimler bereit, die dann noch verbliebenen älteren Dieselautos in den „Intensivstädten“für bis zu 3000 Euro pro Wagen mit Katalysatoren nachrüsten zu lassen – das sind die Hardware-Nachrüstungen. Bisher hatten VW und Daimler angeboten, 2400 Euro pro Fahrzeug zu zahlen. Die Bundesregierung hatte auf eine höhere Beteiligung gepocht. Experten schätzen die Kosten inklusive Einbau auf etwa 3000 Euro.
Bei Daimler hieß es, die Nachrüstung müsse vom Kraftfahrt-Bundesamt zertifiziert und zugelassen werden und nachweislich dazu berechtigen, in bestimmten Städten auch in Straßen mit Fahrverboten einzufahren. Volkswagen kündigte an, sich an Hardware-Nachrüstungen zu beteiligen, wenn die Kunden dies wünschten. Der Konzern werde sie aber nicht selbst anbieten oder empfehlen.
BMW dagegen lehnt HardwareNachrüstungen weiter ab. Der Münchner Konzern will betroffene Dieselbesitzer aber nach Auslaufen der „Umtauschprämien“mit der gleichen Summe von 3000 Euro unterstützen – etwa für einen Neukauf. Der Konzern erhielt für seinen Kurs volle Rückendeckung von den Arbeitnehmern. Betriebsratchef Manfred Schoch warf der Bundesregierung vor, „alle über den gleichen Kamm“zu scheren und „die Arbeitsplätze gerade derjenigen Arbeitnehmer zu gefährden, die schon immer saubere Diesel produziert haben“.
Scheuer und die Hersteller hatten lange um einen Kompromiss gerungen, um zusätzliche Maßnahmen für bessere Luft in Städten auf den Weg zu bringen. In vielen Städten haben Gerichte bereits Fahrverbote für ältere Diesel angeordnet – zuletzt auch für Köln und Bonn. Das Kölner Verwaltungsgericht entschied am Donnerstag, dass die Domstadt ab April 2019 Dieselautos der Abgasklasse 4 oder schlechter sowie Benziner der Klassen 1 oder 2 aus der Innenstadt und anderen Stadtteilen ausschließen muss. Ab September sind auch Fahrer von Euro5-Dieseln betroffen.
In Bonn fallen die vom Gericht verfügten Maßnahmen weniger hart aus – hier handelt es sich um Fahrverbote für zwei zentral gelegene Strecken und nicht für eine ganze Zone. Auf der für Pendler wichtigen Reuterstraße sind ab April Diesel der Klasse Euro 5 oder schlechter ausgeschlossen sowie Benziner Euro 1 bis 2. Eine andere Einschränkung gilt noch für die Straße Belderberg.
In Köln gibt es noch ein Hintertürchen: Sollten die in der Stadt seit Jahren sehr hohen Schadstoffwerte plötzlich doch noch deutlich sinken, könnte man nach Auffassung des Richters auf die Maßnahmen verzichten. Zugleich machte das Gericht aber deutlich, dass das Theorie sei und so schnell ohne Fahrverbote nicht passieren werde.
Dazu passt auch, dass Experten davon ausgehen, dass HardwareNachrüstungen nicht vor 2020 verfügbar sind. Vor diesem Hintergrund sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes, die drei deutschen Hersteller würden für die Zeit nach 2020 sicherstellen, dass Kunden mit Euro-5-Diesel-Altfahrzeugen durch herstellerspezifische Angebote „mobil bleiben“könnten.
Er machte zugleich klar, dass die Autobranche Hardware-Nachrüstungen weiter skeptisch gegenüberstehe. Die Argumentation der Hersteller: sie sind zu aufwendig und teuer. Die Politik dringt aber seit Monaten auf diese Nachrüstungen, vor allem die SPD.
Die Branche dagegen setzt weiter vor allem auf Software-Updates sowie die „Umtauschprämien“, um den Schadstoffausstoß zu senken. Die Anzahl der belasteten Städte gehe stetig zurück, so Mattes.