Als es noch A wie Adam hieß
Ein Kunstwerk erinnert an den Beginn der Judenverfolgung. Und an der Uni geht es um das Novemberpogrom
Zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome erinnert das Jüdische Kulturmuseum Augsburg an den Anfang der nationalsozialistischen Judenverfolgung im Jahr 1933. Die österreichisch-iranische Künstlerin Ramesch Daha hat für das Foyer des Museums eine neue Installation geschaffen, die die Bücherverbrennungen 1933 verbindet mit der Tilgung jüdischer Vornamen aus der Buchstabiertafel.
A wie Adam, B wie Berta, C wie Cäsar, D wie David hieß es amtlich bis 1933. Dann bekam das Postamt in Rostock am 22. März einen Brief. In ihm stand: „In Anbetracht des nationalen Umschwungs in Deutschland halte ich es für nicht mehr angebracht, die in der Buchstabiertabelle des Telefonbuchs aufgeführten Namen wie David, Nathan, Samuel etc. noch länger beizubehalten. Ich nehme an, dass sich geeignete deutsche Namen finden lassen.“Dieser Briefe landete im Postamt in Rostock nicht im Papierkorb, sondern wanderte von dort immer weiter nach oben, bis das Postministerium verfügte, die zu ändern. Ab 1934 hieß es in allen amtlichen Telefonbüchern A wie Anton, B wie Berta, C wie Cäsar, D wie Dora. Auch Nathan, Samuel und Zacharias fanden sich in der Tafel nicht mehr.
Ein altes Feldtelefon der Zeit hat Daha ausfindig gemacht, auf dem die damals neue Tafel angebracht war. Das Austauschen dieser Tafeln auf den Telefonen ließen sich die Nationalsozialisten viel Geld kosten, wie Daha, die für diese Arbeit im Bundesarchiv geforscht hat, herausgefunden hat. In einem zweiten Teil der Installation hat Daha die Kette der Bücherverbrennungen quer durch Deutschland auf Kalenderblättern rekonstruiert. Ihren Ausgang nahmen sie am 7. März in Dresden. Im Jüdischen Kulturmuseum wies die Museumsleiterin BarBuchstabiertafel bara Staudinger darauf hin, dass die Ausgrenzungs- und Verfolgungspolitik mit dem Beginn der Naziherrschaft einsetzten und nicht erst mit dem 9. November 1938.
Dieses Datum war Thema eines Studientags der Universität Augsburg. Jüdische Bürger wurden 1938 misshandelt, ihre Geschäfte und Wohnungen geplündert, ihre Synagogen angezündet. „Wie konnte dieses Unrecht geschehen? Wo blieben das Rechtsempfinden und der Widerstand der Zivilgesellschaft?“So fragten Forscher zum 80. Jahrestag des nationalsozialistischen Pogroms gegen die jüdische Minderheit. Der Studientag „Wider das Vergessen“sollte klären, „wie es zu dem Versagen der Menschlichkeit“(Rabbiner Henry Brandt) kommen konnte, er sollte „die Opfer ehren, indem wir uns an sie erinnern“(Thomas Marschler, Dekan der Katholischen Fakultät), und er sollte „Kraft geben, sich im heutigen Alltag, da die neue Rechte auf dem Vormarsch ist, für Humanität einzusetzen“(Uni-Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel).
Für den Theologen Franz Sedlmeier gebietet es die historische Verantwortung, die Geschehnisse wachzurufen, die ein vorläufiger Höhepunkt antisemitischer Gewalt und zugleich der Auftakt für neue Verfolgung darstellten. Der Historiker Dietmar Süß tat dies faktenreich und eindringlich. Er schilderte, wie Nachbarn und Schulklassen zuschauten, als SA- und SS-Männer Feuer in den Synagogen legten, Fenster und Kultgegenstände zerschlugen, Menschen verprügelten.
In der Bevölkerung habe es keine ungeteilte Zustimmung zu den Gewaltakten gegeben, so Süß, aber da die nicht jüdischen Bürger zu eingeschüchtert waren, um zu protestieren, habe das Regime ihr Schweigen als Zustimmung werten können.
Und was kann man heute gegen Antisemitismus tun?, fragte die Religionspädagogin Elisabeth Naurath. Ihre Erfahrung: Schon in der Grundschule sollten Kinder unterschiedliche Religionen kennenlernen. Vorbildlich wirkt da das Jüdische Museum in Augsburg, das regelmäßig Schulklassen zu den jüdischen Festen einlädt. Lehrer müssten für die Aufgabe der Antisemitismus-Prävention besser qualifiziert werden, so wie es der neue Augsburger Zusatz-Studiengang „Interreligiöse Mediation“tut.