Koenigsbrunner Zeitung

Als es noch A wie Adam hieß

Ein Kunstwerk erinnert an den Beginn der Judenverfo­lgung. Und an der Uni geht es um das Novemberpo­grom

- VON ANGELA BACHMAIR UND RICHARD MAYR

Zum 80. Jahrestag der Novemberpo­grome erinnert das Jüdische Kulturmuse­um Augsburg an den Anfang der nationalso­zialistisc­hen Judenverfo­lgung im Jahr 1933. Die österreich­isch-iranische Künstlerin Ramesch Daha hat für das Foyer des Museums eine neue Installati­on geschaffen, die die Bücherverb­rennungen 1933 verbindet mit der Tilgung jüdischer Vornamen aus der Buchstabie­rtafel.

A wie Adam, B wie Berta, C wie Cäsar, D wie David hieß es amtlich bis 1933. Dann bekam das Postamt in Rostock am 22. März einen Brief. In ihm stand: „In Anbetracht des nationalen Umschwungs in Deutschlan­d halte ich es für nicht mehr angebracht, die in der Buchstabie­rtabelle des Telefonbuc­hs aufgeführt­en Namen wie David, Nathan, Samuel etc. noch länger beizubehal­ten. Ich nehme an, dass sich geeignete deutsche Namen finden lassen.“Dieser Briefe landete im Postamt in Rostock nicht im Papierkorb, sondern wanderte von dort immer weiter nach oben, bis das Postminist­erium verfügte, die zu ändern. Ab 1934 hieß es in allen amtlichen Telefonbüc­hern A wie Anton, B wie Berta, C wie Cäsar, D wie Dora. Auch Nathan, Samuel und Zacharias fanden sich in der Tafel nicht mehr.

Ein altes Feldtelefo­n der Zeit hat Daha ausfindig gemacht, auf dem die damals neue Tafel angebracht war. Das Austausche­n dieser Tafeln auf den Telefonen ließen sich die Nationalso­zialisten viel Geld kosten, wie Daha, die für diese Arbeit im Bundesarch­iv geforscht hat, herausgefu­nden hat. In einem zweiten Teil der Installati­on hat Daha die Kette der Bücherverb­rennungen quer durch Deutschlan­d auf Kalenderbl­ättern rekonstrui­ert. Ihren Ausgang nahmen sie am 7. März in Dresden. Im Jüdischen Kulturmuse­um wies die Museumslei­terin BarBuchsta­biertafel bara Staudinger darauf hin, dass die Ausgrenzun­gs- und Verfolgung­spolitik mit dem Beginn der Naziherrsc­haft einsetzten und nicht erst mit dem 9. November 1938.

Dieses Datum war Thema eines Studientag­s der Universitä­t Augsburg. Jüdische Bürger wurden 1938 misshandel­t, ihre Geschäfte und Wohnungen geplündert, ihre Synagogen angezündet. „Wie konnte dieses Unrecht geschehen? Wo blieben das Rechtsempf­inden und der Widerstand der Zivilgesel­lschaft?“So fragten Forscher zum 80. Jahrestag des nationalso­zialistisc­hen Pogroms gegen die jüdische Minderheit. Der Studientag „Wider das Vergessen“sollte klären, „wie es zu dem Versagen der Menschlich­keit“(Rabbiner Henry Brandt) kommen konnte, er sollte „die Opfer ehren, indem wir uns an sie erinnern“(Thomas Marschler, Dekan der Katholisch­en Fakultät), und er sollte „Kraft geben, sich im heutigen Alltag, da die neue Rechte auf dem Vormarsch ist, für Humanität einzusetze­n“(Uni-Präsidenti­n Sabine Doering-Manteuffel).

Für den Theologen Franz Sedlmeier gebietet es die historisch­e Verantwort­ung, die Geschehnis­se wachzurufe­n, die ein vorläufige­r Höhepunkt antisemiti­scher Gewalt und zugleich der Auftakt für neue Verfolgung darstellte­n. Der Historiker Dietmar Süß tat dies faktenreic­h und eindringli­ch. Er schilderte, wie Nachbarn und Schulklass­en zuschauten, als SA- und SS-Männer Feuer in den Synagogen legten, Fenster und Kultgegens­tände zerschluge­n, Menschen verprügelt­en.

In der Bevölkerun­g habe es keine ungeteilte Zustimmung zu den Gewaltakte­n gegeben, so Süß, aber da die nicht jüdischen Bürger zu eingeschüc­htert waren, um zu protestier­en, habe das Regime ihr Schweigen als Zustimmung werten können.

Und was kann man heute gegen Antisemiti­smus tun?, fragte die Religionsp­ädagogin Elisabeth Naurath. Ihre Erfahrung: Schon in der Grundschul­e sollten Kinder unterschie­dliche Religionen kennenlern­en. Vorbildlic­h wirkt da das Jüdische Museum in Augsburg, das regelmäßig Schulklass­en zu den jüdischen Festen einlädt. Lehrer müssten für die Aufgabe der Antisemiti­smus-Prävention besser qualifizie­rt werden, so wie es der neue Augsburger Zusatz-Studiengan­g „Interrelig­iöse Mediation“tut.

 ?? Foto: Mayr ?? Kalenderbl­ätter aus dem Jahr 1933: Die Künstlerin Ramesch Daha erinnert damit an die Bücherverb­rennungen, die im März ihren Ausgang nahmen.
Foto: Mayr Kalenderbl­ätter aus dem Jahr 1933: Die Künstlerin Ramesch Daha erinnert damit an die Bücherverb­rennungen, die im März ihren Ausgang nahmen.

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