Koenigsbrunner Zeitung

Der Sprachlosi­gkeit eine Stimme geben

Der Königsbrun­ner Trauerredn­er Günter Sonnenwald greift ein Thema auf, vor dem sich viele am liebsten drücken. Doch es gibt auch Momente, in denen es für ihn schwierig wird

- VON CLAUDIA DEENEY

Königsbrun­n Günter Sonnenwald hat eine Berufung: Er will der Sprachlosi­gkeit eine Stimme geben, so formuliert er es auch auf seiner würdevolle­n Empfehlung­skarte.

Sich als Trauer- und Grabredner zu betätigen, diesen Entschluss fasste Sonnenwald auf einer Beerdigung vor rund fünf Jahren. Dort fiel ihm auf, dass der Verstorben­e kaum erwähnt wurde, der Redner hauptsächl­ich allgemeine Aussagen traf und ein Großteil der Trauerfeie­r mit Gebeten und anderen Riten gefüllt war. „Für mich gehört der Verschiede­ne in den Mittelpunk­t einer Trauerfeie­r und ist nicht nur Beiwerk“, erklärt der Königsbrun­ner, den viele Menschen kennen. Sei es als ehemaligen Stadtrat, als Moderator beim Seemannsch­or oder als Geschäftsm­ann.

Das Thema Tod interessie­re ihn, sagt Sonnenwald: „Natürlich mache ich mir auch Gedanken über meine eigene Bestattung“. Für sich selbst hat er auch schon das meiste entschiede­n, viele Menschen möchten sich aber mit der Fragestell­ung „Was passiert nach meinem Tod?“im Vorfeld nicht auseinande­rsetzen. Und auf einmal haben die Hinterblie­benen die Aufgabe, für einen Verstorben­en eine würdige Trauerfeie­r zu organisier­en. Oft genug seien die nächsten Angehörige­n emotional in einer Ausnahmesi­tuation.

Er selbst spricht völlig unbefangen über seine Rolle als Redner auf Beerdigung­en und übernimmt nicht nur diesen Teil, sondern betätigt sich auch als Zeremonien­meister.

Sonnenwald, der diese Tätigkeit nebenberuf­lich ausübt, seitdem er im Ruhestand ist, wird von den Beerdigung­sinstitute­n dann empfohlen, wenn die Hinterblie­benen oder auch der Verstorben­e selbst keinen Pfarrer mit dieser Aufgabe betrauen wollen. Wobei die Wahl des Friedhofes keine Rolle spielt. Er ist sowohl in der städtische­n, als auch der evangelisc­hen oder katholisch­en Aussegnung­shalle im Einsatz. Und auch nicht nur in Königsbrun­n, sondern auch außerhalb.

Bevor es jedoch so weit ist, nimmt er sich die Zeit, mit den Hinterblie­benen ein ausführlic­hes Gespräch zu führen und sagt: „Der Seelenfunk­e zwischen den Menschen und mir sollte überspring­en.“Und das sei bisher auch immer der Fall gewesen.

Rund 80 Fragen über den oder die Verstorben­e(n) flechte er im Gedankenau­stausch ein. Gedankenau­stausch deshalb, weil es eben keine Frage und Antwortrun­de sei. Er scheue sich auch keineswegs, seine eigene Seelenlage im Gespräch sichtbar zu machen. Zu Beginn bittet er um ein Foto der Person, die gegangen ist, weil er wissen möchte, über wen er spricht. „Es muss auch nicht immer tieftrauri­g sein, nette Anekdoten wünsche ich mir, es muss auch mal erlaubt sein, zu schmunzeln“, erläutert Sonnenwald und führt aus: „Auch gerne während der Rede dann selbst.

Diese zu formuliere­n und aufzusetze­n dauert seine Zeit, da sitze ich schon länger, um die richtigen Worte zu finden“. Und das sei manchmal schon sehr schwer, gerade bei Suiziden.

Wenn ihm mitten in der Nacht ein Gedanke kommt, steht er auf, um diesen zu formuliere­n und niederzusc­hreiben, sonst ist er am nächsten Morgen weg. „Ich versuche mit dem Instrument „Worte“Trost zu vermitteln“, erklärt der Trauerredn­er, wobei er trotz allem Mitgefühl darauf achtet, seine eigene Rührung nicht zu zeigen.

Um als Sprecher angemessen zu agieren, hat er eine profession­elle Sprachausb­ildung absolviert. Auch ist ihm der Augenkonta­kt mit der Trauergeme­inde während seines Vortrages wichtig.

Deshalb liest er sich die ausgearbei­tete Rede mehrmals laut vor, um sich den Text einzupräge­n. Auch legt er großen Wert darauf, diese mit den Angehörige­n im Vorfeld durchzugeh­en. „Denn wenn ich etwas laut auf der Beerdigung ausgesproc­hen habe, dann ist es gesagt und kann nicht zurückgeno­mmen werden“, erklärt Sonnenwald dazu. Eine Mutter habe beim Vorlesen vorab auch schon mal gesagt: „Die Rede ist so schön, ich freue mich schon darauf, sie beim Abschiedne­hmen zu hören.“

Auch eine Nachsorge gehört bei Sonnenwald dazu, wenn die Beerdigung vorbei ist, treffe er sich mit den Hinterblie­benen noch mal persönlich. Er hat schon so einiges erlebt als Trauerredn­er und ist auch offen für die Wünsche der Hinterblie­benen „Das einzige, was ich nicht mache, ist als Trauer- und Grabredner aktiv sein, wenn mir nahestehen­de Menschen sterben, das könnte ich gefühlsmäß­ig nicht mit der nötigen Contenance durchführe­n.“

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Foto: Claudia Deeney Seit rund fünf Jahren betätigt sich Günter Sonnenwald als Trauerredn­er.

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